Diese zwei Bücher gehören zu den wichtigsten, die ihr in eurem Leben lesen könnt – und das ist keine Übertreibung. Alles, was mit Sorgearbeit und Pflege zu tun hat, steht in unserer Gesellschaft am Rand, dabei sollte es im Zentrum angesiedelt sein. Sämtliche anderen Strukturen sollten um diese Kerntätigkeiten herum organisiert sein, nicht umgekehrt. Frédéric Valin hat im großartigen Verbrecher Verlag zwei Bücher zu Themen veröffentlicht, über die wir nicht sprechen, deren Relevanz wir jeden Tag wegignorieren, über die wir ein gesamtgesellschaftliches Schweigen ausbreiten, das uns allen schadet und in Zukunft sogar noch mehr schaden wird. In „Pflegeprotokolle“ lässt er jene zu Wort kommen, denen wir nie zuhören: Altenpfleger:innen und Erzieher:innen, Hospizmitarbeiter:innen und Menschen, die Geflüchteten helfen. Er hat vor, während und nach der Pandemie mit ihnen gesprochen und dabei Protokoll geführt. Sie geben Einblick in Berufe und Bereiche, die wir zu wenig kennen – und zeigen, wie diskriminierend und benachteiligend diese Gesellschaft ist. Das ist ebenso hart wie wichtig, und ich bin der Meinung, dass alle, alle darüber Bescheid wissen müssen. Menschen, die Zugang zu Bildung und Ressourcen haben, die weiß sind und cis und able-bodied, schauen auf alle anderen herab und glauben, dass diese Probleme sie selbst nicht betreffen. Das ist so egozentrisch und kurzsichtig, dass es schon lachhaft ist.
In „Ein Haus voller Wände“ berichtet Frédéric Valin dann selbst: Er ist nicht nur Autor, sondern auch Pflegekraft und Betreuer. Sieben Jahre lang arbeitete er in einer Einrichtung mit beeinträchtigten Menschen und erzählt von ihrem sowie seinem Alltag. Von den Mechanismen des Systems, vom Wegschauen, von Macht und Machtlosigkeit. Wir wollen nicht reden über den Tod, über Behinderung und Krankheit, aber wir müssen es tun. Die aktuelle Situation im Gesundheitswesen ist noch viel drastischer, als der Bevölkerung bewusst ist, und sie wird sich in den nächsten Jahren extrem zuspitzen. Lest diese Bücher. Beschäftigt euch damit. Stellt Forderungen, seid laut. So, wie es ist, kann es nicht bleiben.