Ein Mann, der am Leben scheitert
Per Pettersons Buch Pferde stehlen war eins der besten, die ich im letzten Jahr gelesen habe. Es geht darin um die Beziehung zwischen Vater und Sohn – und dies scheint das zentrale Thema von Petterson zu sein, denn auch Im Kielwasser handelt davon. Arvid, 43 Jahre alt und mehr oder weniger erfolgreich als Schriftsteller, setzt sich 6 Jahre nach dem Unfalltod seines Vaters (und seiner Mutter sowie seiner zwei jüngeren Brüder) mit den Erinnerungen an ihn auseinander. Es geht ihm nicht gut, er ist müde, verwirrt, er ist, wie er selbst sagt, fort von der Welt. Da gibt es vieles, das ihm zu schaffen macht, seine Kindheit, seine Scheidung, sein älterer Bruder, der (unfreiwillig) noch am Leben, dem er aber nicht genug ist.
Im Kielwasser ist ein sehr melancholisches Buch über einen dominanten Vater und einen am Leben scheiternden Sohn. Wie bei Pferde stehlen (das mir noch ein bisschen besser gefallen hat) fasziniert mich weniger die spärliche Handlung als mehr Pettersons eindringliche Sprache, die Arvids Gefühle derart präzise auf den Punkt bringt. In Pettersons Büchern ist kein Wort zu viel – aber auch keines zu wenig. Wie Arvid gegen die Erinnerungen und die Einsamkeit kämpft, beschreibt Petterson lebensklug, mit einem traurigen Lächeln in den Mundwinkeln. Im Kielwasser wirkt auf mich mehr wie eine Erzählung, ein Fragment aus dem Leben von Arvid – das ist etwas, was ich für gewöhnlich nicht leiden kann. Ich will in einem Roman eine ausgefeilte Erzählstruktur und eine gut überlegte Handlung haben. Doch hier, ich kann nicht anders, gefällt es mir, das Herausgerissene, das Offenbleibende. Fünf Punkte daher für diese beeindruckende Sogwirkung von Pettersons Sprache. Sehr lesenswert.
Lieblingszitat: Noch war keiner geschieden, keiner war tot, wir fuhren mit der Fähre, wie wir es immer getan hatten, und schliefen in einer Nacht, die wir kannten.