Prost Mahlzeit: 1 Stern

FullSizeRender„Ich dachte, ich sei im Schreiben besser als im Leben“

„Eines Tages verwandeln sich alle in Dämonen, und uns fällt nicht mehr ein, wie wir etwas anderes in ihnen hatten sehen können“,

das schreibt die Schriftstellerin Márta ihrer Freundin Johanna, die Lehrerin ist im Schwarzwald, und sie meint mit diesem Satz eigentlich Menschen, ihren eigenen Mann, aber für mich passt er auch auf dieses Buch. Obwohl ich ein großer Fan von Zsuzsa Bánk bin und ihre Bücher Der Schwimmer sowie Die hellen Tage liebe, hätte ich mir ihren neuesten Roman nicht gekauft, schlicht deshalb, weil er so viele Seiten hat – ich hab ihn geschickt bekommen, und dachte dann: Ja, doch, ich lese ihn, die Seiten schaffe ich, irgendwie schaff ich die, und ich freu mich drauf. Doch dann wurde dieses Buch zu einem Dämon für mich, und mir fällt nicht mehr ein, wie ich etwas anderes in ihm hatte sehen können.

Die Sprache ist nicht das Problem, die Sätze sind lang und schwurbelig, es ist schwierig, da reinzufinden, aber es nicht unmöglich, und irgendwann packt der Rhythmus zu, zieht an, umwickelt, hämmert und pocht, durchwirkt mit den vielen Zitaten von Annette von Droste-Hülshoff, über die Johanna eine Doktorarbeit schreibt. Eins der Probleme ist die Handlung oder besser ihr Fehlen, das Buch zieht sich über fast siebenhundert Seiten und drei Jahre, dicht abgedeckt von E-Mails und Alltagsberichten, aber es bewegt sich nichts. Die beiden Frauen, die einander schreiben und eng befreundet sind, verändern sich nicht, entwickeln sich nicht, ihre Leben bleiben im Grunde gleich, die Kinder werden größer, natürlich, ansonsten – nichts. Es gibt keine Geschichte, vielmehr ist das alles ein Widerkäuen, ein Sich-Wiederholen, ein Auf-der-Stelle-Treten, und ich kann es nicht ertragen, mir schläft beim Lesen das Gehirn ein. Mehrfach überblättere ich die Seiten dutzendweise, und es macht nichts, ich komme trotzdem mit, mir fehlt keine wichtige Info, weil es die kaum gibt.

Ein anderes Problem, das mir dieser Roman bereitet, ist der Inhalt der Mails, der Inhalt dieser zwei Lebensentwürfe. Sie sollen zueinander konträr sein, auf der einen Seite die dreifache Mutter, auf der anderen Seite die Kinderlose, sie schreiben sich freundliche Mails, doch scheint diese Freundlichkeit manchmal einen gewissen Hass aufeinander kaum zu übertünchen, sie halten den Kontakt stets aufrecht, schreiben sich, rufen einander an, helfen sich aber nicht wirklich, sind nur mit Worten füreinander da, nicht mit Taten.

„Dein dralles, überdralles Leben scheint grell auf mein lächerlich sortiertes. Mein übersichtlich festgezurrtes. In dem ich nur um mich selbst kreisen muss. Um keine Kinder. Keinen Mann. Das ist ja auch nicht so schön, wie Du Dir ständig ausmalst. Durch vorgegebene Bahnen immerzu um mich selbst. Summ-summ. In meinem Johanna-Orbit. Kometen und Monde nur für mich.“

Und Johanna hat völlig Recht: Das ist unfassbar langweilig. Wenigstens kann sie mich dadurch nicht so wahnsinnig ärgern wie ihre Freundin Márta. Márta, die nur schreiben will. Die aber unglücklicherweise Kinder hat. Und die deshalb jetzt jeden einzelnen Tag ihres Lebens ganz fürchterlich jammern muss.

Es wurde schon viel geschrieben über Schlafen werden wir später, und ich hab mir sagen lassen, dass nicht alle Besprechungen positiv sind. Ich gehöre zu jenen, die von diesem Roman schrecklich genervt sind. Dabei hatte ich gedacht, ich würde mich identifizieren können mit Márta. Weil ich auch zwei Kinder habe, weil ich auch arbeite, weil ich versucht habe, neben dem Muttersein einen Roman zu schreiben, weil ich weiß, wie schwierig es ist, alles davon. Stattdessen haben Mártas Denkweise und Verhalten mich befremdet.

„Die Kinder saugen mein Leben weg, Johanna, wer ungestört arbeiten will, darf keine Kinder haben, wer etwas anderes erzählt, lügt, aber das weiß ich erst jetzt, niemand hat mir das früher gesagt, alle haben geschwiegen.“

So klingen Mártas Mails, und zwar alle ihre Mails, und ich frage mich: Wie kann das sein? Sie ist als Figur, als Mutter, völlig unglaubwürdig. Beim ersten Kind, ja, vielleicht, da lass ich mir das einreden, dass man vorher nicht weiß, wie anstrengend das wird, aber beim zweiten – niemals, nie, das wusste sie, und keiner, also wirklich keiner, kriegt ein drittes Kind, ohne genau zu wissen, worauf er sich einlässt. Das dritte Kind ist für Profis. Woher kamen diese Kinder denn? Márta hat sie offenbar nicht gewollt, sie klingt, als hätte jemand sie vor ihrer Tür abgestellt und sie gezwungen, sich um die Gschrappen zu kümmern, friss oder stirb, schreiben wirst du nicht mehr. Wieso hat Márta Kinder bekommen, nicht nur eins, sondern drei, wieso hat sie sich nicht vorher – spätestens, als sie zum dritten Mal schwanger war – überlegt, wie das gehen soll mit der Betreuung, mit der Vereinbarkeit, mit dem Schreiben? Wieso kann sie nicht denken: Gut, das ist jetzt so, aber nur für wenige Jahre, dann sind die Kinder größer, ich sollte diese Zeit genießen, die Zeit zum Schreiben kommt von selbst zu mir zurück? Und zu guter Letzt: Was ist das für ein Frauenbild, das Zsuzsa Bánk da vermittelt? Völlige Abhängigkeit, Unfähigkeit, selbst zu entscheiden und zu handeln, eine moderne Gefangenschaft ist das. Und gleichzeitig sind es First World Problems, nichts anderes, Mártas Kinder sind gesund, sie hat ein Haus, einen Mann, Aufträge, Geld, und dennoch wird sie nicht müde, sich zu beklagen. Genau wie ich mich endlos über dieses Buch beklagen könnte, diesen Dämon.

Schlafen werden wir später von Zsuzsa Bánk ist erschienen bei den S. Fischer Verlagen (ISBN 978-3-10-005224-7, 690 Seiten, 24,99 Euro).

Prost Mahlzeit: 1 Stern

li„Das beste Leben ist das nicht gelebte Leben“
Drei Jugendliche in Beijing nach den Aufständen am Tiananmen-Platz: Ruyu, Moran und Boayng. Ruyu ist ein Waisenkind, religiös erzogen, das seinen Weg zu Gott gehen will, wie auch immer der aussehen mag. Moran ist in Boyang verliebt, der wiederum leidet unter der Ignoranz seiner Eltern. Die Verbindung zwischen diesen dreien ist die Studentin Shaoai, die aufgrund ihrer politischen Ansichten der Universität verwiesen wurde und mit der Ruyu sich ein Bett teilen muss. Shaoai wird vergiftet, kommt aber nicht ums Leben, sondern wird aufgrund des Sauerstoffmangels im Gehirn zum Pflegefall. Wer hat ihr das angetan? War es Ruyu? Moran oder Boyang? Und warum? Die beiden Frauen leben zwanzig Jahre später längst in Amerika, als Shaoai stirbt. Boyang ist in ihrer Nähe geblieben, hat sich um ihre Eltern gekümmert, obwohl er Shaoai nicht einmal mochte. Kommen die Hintergründe für das damalige Verbrechen nun ans Licht? Ja. Überraschend sind sie aber nicht.

Schöner als die Einsamkeit von Yiyun Li, die in Beijing geboren wurde und mittlerweile in Kalifornien Kreatives Schreiben lehrt, ist eins der nachdenklichsten Bücher, die ich je gelesen habe. Und das meine ich nicht unbedingt positiv. Anfangs fand ich das Bohren und Hineindrehen und Sich-Vertiefen noch ganz gut und anregend, nach einer Weile jedoch überaus anstrengend. Dieses Buch will mir etwas sagen, unbedingt will es mir etwas sagen, mit seinen tiefschürfenden Sätzen, den bedeutsamen Botschaften, den vielen Metaphern, allein: Ich weiß nicht, was. Ich verstehe viele dieser Sätze ganz einfach nicht, ich höre ihren schönen Klang, aber bei näherem Hinsehen verzweifle ich zusehends. Das liest sich zum Beispiel so:

„Eine Tür wird geöffnet und dann wieder geschlossen, doch weder der Aufbruch noch die Ankunft durch diese Tür sind in irgendeiner schädigenden Weise permanent.“

„Das Leben, das bereits alt war, alterte nicht.“

„Die Toten zogen sich nicht zurück, wenn man sie nicht würdigte.“

„Ihr Schweigen gab ihnen Macht über ihn, doch Menschen, die man nicht zum Schweigen zwang, mussten sich dafür entschieden haben mit dem Ziel, ebendiese Macht zu erlangen.“

Joah. Wie bitte? Ich grüble während der Lektüre und komme nur selten auf einen grünen Zweig. Zudem stellt Yiyun Li durch die Münder ihrer Figuren Fragen, richtig viele Fragen, ganz abartig viele Fragen. Die sollen wohl dem Leben an sich auf den Grund gehen, sind allerdings so verquer und absurd, dass die Dialoge drumherum mir vorkommen wie die Gespräche von Philosophen auf Speed.

Am meisten gestört hat mich an diesem Buch, dass die drei Protagonisten sich nicht voneinander unterscheiden. Nicht mal ein bisschen. Sie sind sich derart ähnlich, sie könnten ein und dieselbe Figur sein. Alle drei sind unfassbar einsam, lieben die Einsamkeit, zelebrieren und schützen sie, würden sie niemals aufgeben. Keiner von ihnen hat ein Leben. Sie tun nichts, sie empfinden nichts, sie sind leer. Sie lieben niemanden, nichts berührt sie, auch der Vorfall von damals ist ihnen eigentlich egal. Sie atmen, und das ist auch schon alles. Und weil das bei Ruyu, Moran UND Boyang der Fall ist, muss ich quasi dasselbe in jedem Kapitel – trotz vermeintlichem Perspektivenwechsel – wieder und wieder lesen. Das ist ermüdend und langweilig. Und sehr, sehr schade, denn Yiyun Li hätte die Story von mehreren Seiten beleuchten können, statt nur eine einzige Facette zu sezieren wie eine Besessene. Ihr Buch hätte außerdem spannend sein können, eine Mörderjagd, eine Rätsellösungssuche, aber sie verrät schon am Anfang, dass Shaoai tot ist, dass sie vergiftet wurde und zwanzig Jahre leiden musste – und wer Schuld trägt, das interessiert niemanden. Außer mich, aber wen kümmert das schon? Es wundert mich sehr, dass eine solch unkreative Autorin Kreatives Schreiben lehrt, denn ihr Buch ist trotz gewählter Ausdrucksweise und schön melancholischer Stimmung eine herbe Enttäuschung. Aus ihrem Kurs würde ich vermutlich schreiend rausrennen.

Schöner als die Einsamkeit von Yiyun Li ist erschienen bei den Hanser Literaturverlagen (ISBN 978-3-446-24906-6, 352 Seiten, 22,90 Euro). Das Feuilleton attestiert Yiyun Lis Roman ausschließlich Gutes, die Leere der drei Protagonisten erscheint dort als Gefühlskälte der neuen chinesischen Menschen, es werden Gründe gefunden, warum man, wie es heißt, trotz Banalität weiterliest. Meine Güte. Nur weil ein Buch im Echo der Aufstände spielt und Emigration zum Thema hat, muss es nicht gleich gut sein. Aber nun ja, Geschmäcker sind bekanntlich verschieden.

Prost Mahlzeit: 1 Stern

TillerGute Idee in schlechter Umsetzung
David hat sein Gedächtnis verloren und weiß nicht mehr, wer er ist. Drei Menschen, die ihn gekannt haben, schreiben ihm Briefe. Diese drei sind: Davids Jugendfreund Jon, sein Stiefvater Arvid und seine erste Freundin Silje. Jon will als Musiker Fuß fassen und schafft es nicht, was jedoch weniger an mangelndem Talent als viel mehr an seiner destruktiven Art liegt. Die Beziehung zu seiner Familie ist eine Katastrophe, er kann keine fünf Minuten mit seiner Mutter und seinem Bruder in einem Raum sein, ohne dass der Hass in ihm hochkocht. Arvid ist dagegen inzwischen alt und hat resigniert. Der ehemalige Pfarrer erinnert sich an die Zeit mit David und dessen Mutter, die er beide sehr geliebt hat. Er berichtet auch von Davids Pubertät und all den Verletzungen, die dieser seinen Eltern zugefügt hat. Silje befindet sich in einem merkwürdigen Zustand: Sie liebt ihren Mann und ihre Kinder, fühlt sich aber gefangen in ihrem Leben. Sie wollte als Jugendliche etwas Besonderes sein und kommt jetzt mit ihrer 08/15-Existenz nicht klar.

Carl Frode Tiller ist ein bekannter norwegischer Autor, mit vielen Preisen bedacht und dutzendfach übersetzt. Ich fand, dass das Konzept seines Romans Kennen Sie diesen Mann? sehr spannend klang: dass jemand, der sich selbst verloren hat, Briefe von Menschen erhält, sie sich an ihn erinnern. Allein: Diese Briefe sind absolut uninteressant. Alle drei Schreiber drehen sich viel zu sehr um sich selbst, zerlegen ihr langweiliges Leben in alle noch langweiligeren Einzelheiten, geben zwar manches von David preis – aber lang nicht genug, um ihn als Person greifbar zu machen. Stattdessen erzählen sie in ihren Briefen von einer recht gewöhnlichen Vergangenheit, und in anderen Episoden erhalte ich Einblick in ihre Gegenwart, nicht in Briefen, nicht in der Ich-Form. Diese Gegenwart ist unglücklicherweise auch nicht interessanter, und der Kontrast zwischen damals und heute ist viel zu schwach, um irgendein Gefühl in mir hervorzurufen. Denn auch die Protagonisten haben kaum Gefühle außer Resignation, Hass und Enttäuschung. Zu allem Übel gleichen sich die drei Figuren bzw. die drei Teile des Buchs sehr stark: Allerorts wird nur gestritten, niemand versteht sich, keiner ist glücklich. Das zieht sich wie ein roter Faden durch den Roman, und Abwechslung davon gibt es nicht. Das ist deprimierend. Und anstrengend. Die Ausgangsfrage des Romans wird letztlich nicht beantwortet: Wer David ist, bleibt unklar – und was ihm geschehen ist, ebenfalls. Ein leider ganz und gar überflüssiger Roman.

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Kennen Sie diesen Mann? von Karl Frode Tiller ist erschienen im btb Verlag (ISBN 978-3-442-75616-2, 352 Seiten, 19,99 Euro).

Prost Mahlzeit: 1 Stern

RehaDie Geschichte einer einseitigen Liebe
Am College war Charlie Blakeman schrecklich verliebt in Sophie Wilder, das Mädchen mit den kurzen schwarzen Haaren aus seinem Schreibkurs, das ihm die richtigen Bücher zu lesen gab und ihn formte. Sie führten eine anstrengende On-off-Beziehung, schlossen sich tage- und nächtelang in Sophies Zimmer ein – unterbrochen von Phasen, in denen Sophie mit anderen Männern schlief. Charlie spielte den Coolen, kam aber nicht darüber hinweg – vor allem, weil Sophie plötzlich mit einem der anderen zusammen war und ihn sogar heiratete. Das war ihr ein Anliegen, weil sie aufgrund eines erleuchtenden Erlebnisses Christin geworden war. Jahre später lebt Charlie mit seinem Cousin, der Sophies Reizen einst ebenfalls erlag, in einem Haus in New York, in dem jeden Abend eine Party gefeiert wird. Und an einem dieser Abende befindet sich Sophie unter den Gästen. Nun erfährt Charlie, warum Sophie nach dem großen Erfolg ihres ersten Buchs nie wieder schreiben will, weshalb das mit der Hochzeit doch keine so gute Idee war und was mit dem Vater ihres Ehemanns geschehen ist.

What happened to Sophie Wilder ist die Geschichte eines Mannes, der verrückt ist nach einer Frau – und nicht weiterkommt im Leben, nachdem sie ihn zurückgelassen hat. Und es ist leider eine sehr schlechte Geschichte. Ich hab mir den Roman aufgrund einer Empfehlung in der New York Times gekauft – und hätte das mal besser bleiben lassen. Denn es ist durchaus wahr, dass Christopher B. Reha gut schreiben kann. Nur ist sein Buch inhaltlich Bullshit. Es hat Figuren, deren Handlungen absolut nicht nachvollziehbar sind. Es ist dröge, merkwürdig und inkonsequent. Und es hat ein Ende, das viel zu viele Fragen offen lässt. Das ist schade, weil: Die Ansätze sind gut. Eine Frau, die der Protagonist am College geliebt hat – und die unvermittelt auftaucht. Das Geheimnis des Vaters, den Sophie nie kennenlernen durfte und der plötzlich im Sterben liegt. Das hätte eine interessante Story ergeben können. Tut es aber nicht. Sophie ist unsympathisch und eine Heuchlerin, einerseits hochgläubig, andererseits überraschend berechnend. Sie rennt jeden Morgen in die Kirche, verhält sich aber wie ein Arschloch und tut am Ende etwas, das alles, wirklich alles infrage stellt und zudem überhaupt keinen Sinn ergibt. Und Charlie? Der ist ein wahnsinnig blasser Langweiler, dessen einzig guter Charakterzug darin besteht, dass er gern liest. Das Beste an diesem Buch waren allein seine schönen, dicken, aufgerauten Seiten. Nun gehe ich davon aus, dass niemand von euch What happened to Sophie Wilder kennt. Und glaubt mir: Das müsst ihr auch nicht.

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What happened to Sophie Wilder von Christopher B. Reha ist erschienen bei Tin House (ISBN 978-1-935639-31-2, 256 Seiten, 12,75 Dollar).

Prost Mahlzeit: 1 Stern, Snacks für zwischendurch

BowmanSnack für zwischendurch – Kurzrezension

Worum geht’s?

Die mitwirkenden Personen:
Ein Teamleiter, der sich vor allem durch Naivität auszeichnet
Ein Bergführer, der sich ununterbrochen verirrt
Ein Arzt, der ständig krank ist
Ein Dolmetscher, der nur diskutiert und blutige Aufstände auslöst
3000 Yogistani Träger

Der Ort:
Rum Doodle, mit 40.000 ½ Fuß der höchste Berg der Welt

Die Mission:
Auf den Gipfel zu kommen

Hat’s gemundet?
Absolutely not! Bowmans Roman ist eine „Bergsteigersatire aus den 50er-Jahren“, die 2013 neu entdeckt und als „das lustigste Buch, das Sie je gelesen haben“ angepriesen wurde. Well. It’s not. Wir wissen ja alle, wie heikel das ist mit dem Humor – und Klamauk entspricht nicht meinem Stil. Ich finde alles, was in diesem Roman schiefgeht, einfach nur überzogen und dumm. Statt 3000 Trägern (die gebraucht werden, weil jeder für einen anderen etwas zu essen tragen muss) kommen wegen eines Kommunikationsfehlers des Dolmetschers 30.000, als ein Teammitglied in einer Gletscherspalte festsitzt, wird ein weiteres hinuntergeschickt – dann sitzen beide fest und verlangen nach Champagner, das geht so lange, bis mehrere sturzbetrunkene Männer unten singen. Ja. Witzig? Nein. Erinnert ihr euch an Filme wie „Die nackte Kanone“? Die fand ich immer schon sehr, sehr schlimm. Weil Dinge geschehen, die unrealistisch und clownesk sind. Damit ich lache, muss die Ironie mich beißen, und der Sarkasmus muss mir in den Hintern treten. Beides ist hier nicht der Fall. Viele Rezensenten schreiben, sie hätten sich totgelacht. Ich hab mich totgelangweilt.

Wer soll’s lesen?
Wer klamaukige Parodien mag.

Prost Mahlzeit: 1 Stern, Snacks für zwischendurch

71Yd5pigZCL._SL1168_Snack für zwischendurch – Kurzrezension

Worum geht’s?
Hiro Tanaka aus Japan wagt den Sprung nach Amerika – und zwar von einem Schiff aus ins eisige Meer. Er schwimmt um sein Leben und kann sich schließlich auf Tupelo Island an Land retten. Dumm nur, dass er von dieser Insel nicht mehr runterkommt. Außerdem wirder von der aufstrebenden Schriftstellerin Ruth Dershowitz, die in der dort ansässigen Künstlerkolonie wohnt, und ihrem Freund Saxby gesehen, woraufhin eine wahre Hetzjagd auf den fast verhungerten Japaner beginnt. Ruth, die an einer Schreibblockade leidet und krank ist vor Eifersucht auf ihre weitaus bessere Autorenkollegin, rettet Hiro, indem sie ihm Unterschlupf gewährt und ihn mit Essen versorgt. Damit handelt sie sich selbst jedoch eine Menge Probleme ein.

Hat’s gemundet?
Nein! Überhaupt nicht. Ich habe das Buch von einer Freundin bekommen, deren Lieblingsautor T. C. Boyle ist. Und ich verstehe nicht, warum. Ich war gespannt auf mein erstes Buch von diesem ja doch sehr gerühmten Autor, wollte es aber schon nach einer Weile entrüstet an die Wand knallen: als die Rede war von einer „Epiphanie der Magensäfte“ statt von ordinärem Hunger. T. C. Boyle hat einen für mich unerträglich überkandidelten, dramatischen, theatralischen Stil, und all das Gerede von „Negern“ und den eitlen Künstlern ging mir extrem auf den Sack. Jede Figur im Buch nimmt sich über die Maßen wichtig, alle beweihräuchern sich selbst, die Dialoge sind inhaltsleer und überzogen. Was das Buch mir sagen will, bleibt mir auch ein Rätsel. Dass die Menschen in den Südstaaten primitiv sind? Dass sie Jagd auf Andersartige machen? Dass man es geschafft hat, wenn man in Künstlerkreisen verkehrt und zur Cocktailstunde geladen wird? Ich sage nur: laaangweilig.

Wer soll’s lesen?
Wenn’s nach mir ginge, niemand.

Prost Mahlzeit: 1 Stern, Snacks für zwischendurch

ScheffelSnack für zwischendurch – Kurzrezension

Worum geht’s?
Um Benvolio Antonio Olivio Julio Toto Meo Ho, dem die Eltern nicht nur einen, sondern gleich mehrere ungewöhnliche Namen gegeben haben, in der Hoffnung, der Sohn möge dann auch ein ungewöhnliches Leben führen. Nun – das hat nicht funktioniert. Sein Nachname lautet Schmitt, und ein Schmitt ist er auch. Ben wurstelt sich als Student durchs Leben, und das einzig Ungewöhnliche ist seine Verliebtheit in Lea, die er nicht treffen darf, weil sie – wenn sie Ben vier Mal gesehen hat – sonst sterben wird. Das ist Ben seit seiner Geburt klar. Ben muss also flüchten. Und ein bisschen verrückt wird er dabei auch.

Wie hat’s gemundet?

Gar nicht. Dies ist ein Buch, das allen gefällt und von allen gelobt wird. Ich kann allerdings Romane, in denen der Protagonist den Verstand verliert, überhaupt nicht ausstehen – da habe ich beim Lesen das Gefühl, dass ich vor lauter Wirrheit selber ganz narrisch werde. Annika Scheffels Alltagsheld verliert mit jedem Kapitel einen seiner Namen – und ein bisschen etwas von seinem klaren Blick, so scheint es, oder einen Teil seiner Persönlichkeit, sodass diese sich permanent verändert. Das ist … anstrengend. Zwischendurch ist Bens wundersame Reise durchsetzt mit banalen Tätigkeitsbeschreibungen, und so schwanke ich zwischen Irrsinn und Langeweile. Experimentell – vielleicht, originell – durchaus, lesbar – mit Mühe. Dieses Buch ist ganz sicher anders als die anderen, für mich aber nicht besser.

Wer soll’s lesen?
Menschen mit viel Geduld.

Prost Mahlzeit: 1 Stern, Snacks für zwischendurch

EbmeyerSnack für zwischendurch – Kurzrezension

Worum geht’s?
Um Friederike Soltau, die im Jahr 1869 mit ihrem Bruder Albert auf die erworbene Estancia in Argentinien übersetzt und so der drohenden Einweisung in die Irrenanstalt entgeht. Die Eltern wissen nicht umzugehen mit Friederikes Launen und dem Schatten, von dem sie sich verfolgt fühlt. Sie jedoch findet in Argentinien einen Platz, an den sie zu gehören scheint. 100 Jahre später verkauft Udo Soltau, gerade frisch in zweiter Ehe mit der weitaus jüngeren Sigrid verheiratet, die Familien-Estancia. Und steht ansonsten vor den üblichen Problemen eines ereignislosen Lebens: getrennte Betten, Schimmel im Bad, die Sehnsucht nach der längst verflogenen Verliebtheit. Auf Friederikes Spuren wandelt später Udos Sohn Marco – und zwar in doppelter Hinsicht. Er erforscht ihre Geschichte, und er ist mindestens ebenso verrückt wie sie.

Hat’s gemundet?

Nein. Mein anfängliches Interesse schwindet schnell. Während Friederike mich zu Beginn auf eine spannende Reise mitzunehmen scheint, schläfert der langweilige Udo mich fast ein. Und Marco, der nicht ganz bei Verstand ist, treibt mich mit seiner Sprunghaftigkeit in den Wahnsinn. Zudem weiß ich nicht, was der Roman mir sagen will, und finde auch nichts Spektakuläres in seinem Inhalt. Es gefällt mir, wie Michael Ebmeyer seinen Stil variiert und an die jeweilige Epoche bzw. an den Erzähler anzupassen weiß – aber das ist für mich auch schon das einzig Positive an diesem Buch.

Wer soll’s lesen?
Vielleicht jemand, der mehr Zugang zu Argentinien hat als ich und mehr Geduld mit Protagonisten, die verrückt werden. Ich kann das nämlich nicht leiden, es verwirrt mich zu sehr.

Prost Mahlzeit: 1 Stern, Snacks für zwischendurch

TylerSnack für zwischendurch – Kurzrezension

Worum geht’s?
Zwei Mädchen aus Korea, zwei amerikanische Familien, ein Tag am Flughafen: Als die Amerikaner Brad und Bitsy sowie die iranischen Einwanderer Sami und Ziba ihre koreanischen Adoptivbabys in Empfang nehmen, kommen sie miteinander in Kontakt – und aus der Zufallsbegegnung entsteht eine Art Freundschaft, die viele Jahre andauert, allerdings eher forciert ist und von den Mädchen sogar fast abgelehnt wird. Sehr auffällig im direkten Vergleich sind dabei die Unterschiede der beiden Elternpaare im jeweiligen Umgang mit den Adoptivkindern, die natürlich – aber nicht nur – auf ihre eigene verschiedenartige Herkunft zurückzuführen sind.

Hat’s gemundet?
Nein. Da lese ich endlich mal ein Buch von Anne Tyler, die so hochgepriesen wird, und dann gefällt es mir nicht. Denn während die Romanidee durchaus interessanten Stoff verspricht, ist das Buch alles in allem eine öde Aneinanderreihung vieler verschiedener Speisen, Kleidungsstücke und Erziehungsmaßnahmen. Ständig erzählt die Autorin mir, wer welches Gewand anhat, was die Iraner kochen und was die Amerikaner servieren, dass das eine Mädchen seinen koreanischen Namen behält und das andere nicht, dass das eine in die Vorschule geht und das andere nicht – aber was die Figuren empfinden, wie sie mit der Adoption umgehen, was sie denken und nicht auszusprechen wagen, das sagt sie mir nicht. Dabei hätte mich ja nur das interessiert. Denn dass Bitsy gern handgewebte hellblaue Kittel trägt – das ist mir herzlich wurscht. Genau wie letzten Endes leider auch dieses ganze Buch.

Wer soll’s lesen?

Keiner.

Prost Mahlzeit: 1 Stern

Drei Merkwürdigkeiten
Sie sind Geschwister, und sie haben den Absprung nicht geschafft: Rita und Richard verbringen ihr ganzes Leben zuhause und lassen sich von der grantigen Mutter traktieren. Nach dem Krieg, der ihnen den Vater genommen hat, breitet sich endlose Langeweile vor ihnen aus, die in der Sinnlosigkeit eines Lebens auf einem einsamen Bauernhof mit zwei alten Frauen ihren Höhepunkt findet. Wanda dagegen hat ihren Vater noch: Er ist Deutschprofessor und mehr mit der deutschen Sprache verheiratet als mit seiner Gattin. Wanda kann ihm nur gefallen, wenn sie alles, was er ihr beibringt, brav aufsagt, und fällt beim ersten Mal, da sie Widerstand zeigt, sofort in Ungnade. Ihre Mutter braucht lange, um sich auf die eigenen Beine zu stellen – fast so lange wie Rita –, aber schließlich tut sie es doch.

Drei Geschichten sind in Kerstin Hensels Buch Federspiel versammelt. Warum sie als Liebesnovellen bezeichnet werden, vermag ich nicht nachzuvollziehen, geht es doch eher um Ablösung und Unabhängigkeit von Frauen. Die mittlere Geschichte besteht zudem aus einem einzigen Satz, der sich über 6,5 Seiten schlängelt, und scheint mir auch keine Liebesnovelle zu sein. Wie dem auch sei, Kerstin Hensel hat einen recht ruppigen, widerborstigen Stil, der mich kratzt und ein unangenehmes Gefühl auf meiner Haut hinterlässt. Wie so oft finde ich nicht in ein Buch hinein, in dieses nämlich. Die Handlungsweise der Figuren wirkt auf mich verwirrend und befremdlich, ihr Inneres ergründet sich mir in der Kürze der Zeit nicht. Manchmal kommt es mir sogar vor, als hätte ich entscheidende Informationen überlesen, nur um beim Zurückblättern festzustellen, dass sie gar nicht da sind. Keine der diversen Figuren hat Interesse oder gar Zuneigung in mir ausgelöst, und obwohl ich durchaus gespannt war, wie die Geschichten weiter- und ausgehen, hat es mir letztlich nichts bedeutet, sie gelesen zu haben. Ich kam mir vor wie im Museum, wo man mir etwas zeigt, das Kunst ist, und ich nicht verstehe, warum.

Durchgekaut und einverleibt. Von diesem Buch bleibt …
fürs Auge: ein eher langweiliges Cover.
… fürs Hirn: mal zu versuchen, nicht den Faden zu verlieren bei einem Satz, der über 6 Seiten lang ist.
… fürs Herz: da finde ich nicht viel, alles erscheint mir ein wenig krampfig.
… fürs Gedächtnis: nichts.