Kleine Köstlichkeiten: 4 Sterne

Ziegler„Jede Generation glaubt, die Rollen erfunden zu haben, in die sie schlüpft“
Wir schreiben 1984, und Marleen ist bereit für die große weite Welt. Oder erst mal für Kassel. Dort macht sie bei einem traditionellen Buchdrucker ein Praktikum, denn sie will sich dem großen Mysterium der Schrift nähern. Das Ziel: einst selbst eine Schrift zu entwerfen, und zwar eine, die absolut perfekt ist. Marleen kommt aus einem ursprünglich soliden Elternhaus, hat zwei Schwestern und einen Bruder – nur der Vater, ein erfolgreicher Werber, ist der Familie irgendwann abhandengekommen. Von einer beruflichen Indienreise kehrte er nicht zurück, sondern lebte fortan in einem Ashram. Über diese Abwesenheit wird zwischen den Geschwistern tunlichst geschwiegen. Nach dem Praktikum folgt für Marleen ein Studium, bei dem sie das Geheimnis der Buchstaben und Franziskus zu ergründen versucht. Ohne es jemals zu sagen, liebt sie ihn, und das lässt sie auch Jahre später in Paris und Amerika nicht los …

Der deutsche Schriftsteller Ulf Erdmann Ziegler hat mit Nichts Weißes das Porträt einer Frau und gleichzeitig eine Studie über den Aufbruch ins Computerzeitalter, wie wir es heute kennen, geschrieben – festgemacht an den Faktoren Buch und Schrift, die sich völlig verändert haben. Seine Protagonistin Marleen ist ein ernstes kleines Persönchen, zugleich aber lieb, unbedarft und schüchtern. Sie ist naiv und folgt ihrem Schöpfer aufs Wort, hat aber nichtsdestotrotz etwas Sympathisches, und ihr Weg gleicht einer Abenteuerjagd. Ich weiß nie, welche Steine Ulf Erdmann Ziegler ihr als Nächstes in den Weg legen wird, und mit dem Ende überrascht er mich dann doch.

Nichts Weißes, das für den Deutschen Buchpreis nominiert war, hat einen absolut angenehmen Lesefluss, es plätschert ohne größere Wasserfälle geruhsam dahin. Es ist intelligent, interessant und unterhaltsam, sehr zurückhaltend und ohne Herausforderungen. Die Rückschläge, die Heldin Marleen einstecken muss, sind nicht unbedingt originell, dafür aber passend. Den großen Konflikten, die mit den Männern einhergehen – ihrem Vater und Franziskus – weicht sie ganz einfach aus. Was bei all diesem Lob der Negativpunkt ist? Gar keiner. Ihr könnt es getrost lesen.

Banner

Nichts Weißes von Ulf Erdmann Ziegler ist als Taschenbuch erschienen bei Suhrkamp (ISBN 978-3-518-46472-4, 255 Seiten, 9,99 Euro).

Noch mehr Futter:
– „Ebenso klar ist, dass  Nichts Weißes dem rätselhaften Titel zum Trotz kein intellektueller Essay ist, sondern ein Roman mit richtigen Figuren und vielen Geschichten, die von der Beinahe-Gegenwart bis in die unmittelbare Nachkriegszeit und manchmal darüber hinaus zurückreichen: ein Familien-, Gesellschafts-, Entwicklungsroman“, heißt es auf zeit.de.
– „So entfaltet sich in Nicht Weißes in wenigen, entscheidenden Szenen ein gesellschaftspolitisches Panorama der westdeutschen Nachkriegszeit, das, anders im typisch bundesrepublikanischen Gesellschaftsroman, nicht vom Großen auf das Kleine schließt, sondern vom Kleinen auf das Große“, schreibt spiegel.de.
– „Der Roman funktioniert insgesamt wie die Abkürzung für eine Entwicklung, eine Epoche, eine Generation. Der Blick wird auf etwas so Universales gelenkt wie die Schrift, was überaus erhellend wirkt, da Buchstaben uns gewöhnlich kaum auffallen“, schwärmt faz.net.

Kleine Köstlichkeiten: 4 Sterne

UhlyEin Akt der Menschlichkeit
Hans ist am Arsch. Er ist arbeitslos, alt, er wohnt in einer verdreckten Wohnung voller Müll, er stinkt, und zu seinen Kindern sowie zu seiner Ex-Frau hat er keinen Kontakt mehr. Hans hat kein Ziel und keinen Antrieb im Leben, seine Tage vergehen mit Fernsehen und Bier. Allein den Müll runterzubringen, verlangt unendlich viel Anstrengung. Aber dann findet Hans im Müllcontainer ein Baby. Und ein Baby, das weggeworfen wurde, ist definitiv noch mehr am Arsch als er, also nimmt Hans es mit. Er nennt das Baby Felizia und krempelt innerhalb kürzester Zeit sein Leben komplett um, damit er der Kleinen ein Zuhause bieten kann. Dabei kommt ihm zugute, dass er früher seine zwei Kinder hütete, während seine Frau arbeiten ging, und er erhält überraschend Hilfe aus der Nachbarschaft. Bald kümmert sich eine bunte Truppe Menschen um Felizia. Doch die Polizei hat die Mutter bereits verhaftet und sucht fieberhaft nach der Babyleiche …

Steven Uhlys Roman Glückskind ist 2012 erschienen, vielfach besprochen und inzwischen sogar verfilmt worden. Da Sarah von Pinkfisch so beharrlich von diesem Buch geschwärmt hat, war ich irgendwann doch weichgekocht und wollte es lesen – obwohl mich die Thematik nicht so gereizt hat. Aber – Überraschung – Sarah hatte Recht: Dies ist ein ganz besonderes Kleinod von Roman. So einer, der ganz unprätentiös und schlicht daherkommt, der keine großen Reden schwingt und keine melodischen Metaphern bemüht, sondern einfach eine Geschichte erzählt. Und zwar eine richtig gute. Eine Geschichte von ein bisschen Menschlichkeit in einem versifften Wohnblock, von Nachbarn, die einander plötzlich in die Augen schauen, von der Erkenntnis, dass man sich selbst die Fehler der Vergangenheit verzeihen muss.

Steven Uhly hat seinen Protagonisten Hans mit Gefühl, aber auch mit der nötigen Schärfe gezeichnet und präsentiert einen Mann am Rand des Abgrunds, der im letzten Moment einen Schritt zurück macht – weil jemand ihn braucht. Wenn man Hans und Felizia anschaut, weiß man nicht, wer hier eigentlich wen gerettet hat. Und das ist ebenso anrührend wie schön, ohne dabei allzu kitschig zu werden. Denn so simpel der Roman sprachlich auch ist, im Handlungsverlauf lässt er mich mit verblüffenden Wendungen aufhorchen und endet ganz anders, als ich es erwartet hätte. Ein Lesegenuss, ein Vergnügen, ein Buch fürs Herz.

Banner

Glückskind von Steven Uhly ist als Taschenbuch erschienen im btb Verlag (ISBN 978-3-442-74612-5, 288 Seiten, 9,99 Euro).

Kleine Köstlichkeiten: 4 Sterne

GaimanVon den endlosen Schrecken der Kinderfantasie
Ein Junge, der erst sieben Jahre alt ist. Seine Nachbarin vom Ende der Straße, Lettie Hampstock, elf Jahre alt, aber unendlich weise und furchtlos. Ihre Mutter und ihre Großmutter, die Hexen sein könnten oder Hellseherinnen. Ein Teich, der eigentlich ein Ozean ist, sowie eine Zwischenwelt, aus der unheimliche Wesen herüberkommen können. Und eine Frau namens Ursula, der niemand ansieht, wie gefährlich sie ist. Niemand außer einem siebenjährigen Jungen …

Das sind die Zutaten, aus denen der britische Autor Neil Gaiman ein geradezu erstaunliches Buch gemixt hat. Ein Buch, so düster wie ein Alptraum, gleichzeitig aber klug, vorsichtig und sprachlich ausbalanciert. Ich hatte letztes Jahr im Herbst am Rande mitbekommen, dass Der Ozean am Ende der Straße erschienen ist, hatte aber keine Ahnung, worum es dabei ging, und kannte auch den Autor nicht – und das, obwohl er, wie der Klappentext mir verrät, über 20 Bücher geschrieben und allerlei Preise eingeheimst hat. Nun ist es so, dass ihr bestimmt – genau wie ich – schon viele Romane gelesen habt, in denen der Protagonist als Erwachsener in seinen Heimatort zurückkehrt, wie etwa in diesem Fall anlässlich einer Beerdigung, und sich dann an seine Kindheit erinnert. Aber glaubt mir: So habt ihr diese Geschichte garantiert noch nie gelesen.

Denn Neil Gaiman lässt seinen kleinen Helden Dinge erleben, die man sich nicht mal vorstellen kann: schwarze Vögel, die das Böse aus der Welt löschen können, indem sie es zerfetzen, eine Großmutter, die Geschehnisse aus der Zeit schneidet, und einen gruseligen Wurm, der sich in seinem Fuß versteckt. Von all diesen unwahrscheinlichen Ereignissen erzählt der Autor mit nonchalanter Selbstverständlichkeit, als sei das alles ganz normal. Da ich wie immer komplett planlos an die Lektüre herangegangen bin, mich nicht über den Autor informiert habe und nicht mit einer solchen Portion Fantasy gerechnet habe, bin ich erst mal genauso baff wie der siebenjährige Ich-Erzähler. Ich könnte ja jetzt auch nicht behaupten, ein Fantasy-Fan zu sein. Aber: Der Ozean am Ende der Straße ist richtig gut. Es macht Spaß, dieses Buch zu lesen, es ist gruselig, unheimlich, unglaubwürdig, atemlos, dabei aber höchst liebenswert und zauberhaft. Ein Roman über Freundschaft, Vertrauen und die Unzuverlässigkeit von Erinnerungen. Absolute Empfehlung!

Banner

Der Ozean am Ende der Straße von Neil Gaiman ist erschienen bei Eichborn (ISBN 978-3-8479-0579-0, 238 Seiten, 18 Euro).

Noch mehr Futter:
– Einen sehr lesenswerten Bericht über ein Gespräch mit Neil Gaiman findet ihr auf welt.de.
– „Neil Gaiman erzählt mit diesem Roman eine übersinnliche, eine eigentlich ziemlich gruselige Geschichte, die rasch an Spannung gewinnt. Was ganz normal und wenig abseitig beginnt, mausert sich schließlich zu einem Buch voller Unerklärlichkeiten und Monstern verschiedenster Couleur“, schreibt Sophie von Literaturen.

Kleine Köstlichkeiten: 4 Sterne

Montanaro„Wenn dich ein Buch beeindruckt, dann deshalb, weil es mit dem Herzen geschrieben ist, mit Demut und Schlichtheit“
„Eigentlich gibt es doch niemanden, der keine Geschichte hat. Meinen Sie nicht auch? Jeder erfährt die Liebe, die Nacht, die Stille, und jeder erfährt auch die Unzuverlässigkeit der wünschenswerten guten oder schönen Dinge.“ Dieses Buch ist ein Brief, ein langer, sehr persönlicher Brief, den die junge Teresa an Monsieur van Gogh schreibt. Sie wächst ohne Eltern in einem ganz besonderen Dorf auf, im flandrischen Geel, wo die Geisteskranken ganz normal mit den Gesunden zusammenleben. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts taucht hier ein halb verwahrloster Mann auf, von dem man nicht weiß, ob er zu den Gesunden oder zu den Verrückten gehört, und in den Teresa sich verliebt. Sie erkennt in ihm den Maler, von dem er selbst noch nicht viel weiß, und besorgt ihm Farben. Doch das Glück ist nur von minimal kurzer Dauer, denn van Gogh verschwindet – und Teresas Leben nimmt eine dramatische Wendung.

Es gibt diese Bücher, die sind einfach nur schön. Leicht. Klug. Lebendig. Alle Farben der Welt von Giovanni Montanaro gehört dazu. Der junge italienische Autor, der in Venedig lebt, wurde vielfach ausgezeichnet – unter anderem mit dem Premio Campiello – und verwebt in seinem dritten Roman sehr meisterhaft Realität und Fiktion. Van Gogh hat tatsächlich gelebt, er war wirklich Maler und er bewegte sich nah am Rand zum Wahnsinn. Ob er jemals in Geel war, lässt sich nicht beweisen. Möglich ist es. Mit seiner Ich-Erzählerin Teresa hat Giovanni Montanaro ein zartes, hilfloses und letztlich sehr verletztes Wesen geschaffen, das für seine Andersartigkeit einen hohen Preis bezahlt. Er findet sanfte, ruhige Worte, die trotzdem viel Gefühl, Sehnsucht, Wut und Traurigkeit transportieren. Um im Bild zu bleiben: Er malt mit wenigen, sehr klaren Strichen, die in überraschend kurzer Zeit ein wunderschönes Gesamtbild ergeben. Es geht um Verlorenheit in diesem Buch, um unerfüllte Wünsche, um die Kunst und um die brutalen, unmenschlichen Methoden in den Irrenhäusern jener Zeit, denen niemand entkommen konnte, der einmal drin war. Dies ist ein Roman, der in allen Farben funkelt, ein Juwel, das leuchtet, bunt und klein und schlicht und wundervoll. Er sollte unbedingt einen Platz in eurem Bücherregal finden!

Banner

Alle Farben der Welt von Giovanni Montanaro ist erschienen in der DVA (ISBN 978-3-421-04587-4, 176 Seiten, 16,99 Euro).

Noch mehr Futter:
– Sehr schön besprochen wird der Roman auf buecherrezensionen.org, wo er auch in der Liste der Lieblingsbücher im Herbst 2013 steht.
– Auch lesefieber.ch ist ein Fan des Buchs.
– Drei Rezensionen zum Roman sind auf wasliestdu.de versammelt.
– „Ein bezauberndes Buch mit ungewöhnlichen Protagonisten, das den Leser berührt und zeigt, welche Macht Farben haben können“, heißt es auf vonmainbergsbuechertipps.wordpress.com.

Kleine Köstlichkeiten: 4 Sterne

IMG_7963„Der Tod kommt, wenn die Seele ihn ruft“
Moritz und Alfred sind Brüder. Sie sind jüdisch. Und sie sind alt. Zusammen wohnen sie in einem Haus in Frankfurt und gehen einander gründlich auf die Nerven. Genauso wie ihrer Haushälterin, die deshalb urplötzlich ihre Schürze hinschmeißt und auszieht. Moritz ist emeritierter Professor für Psychologie, Alfred hat als „Freddy Clay“ eine mittelmäßige Karriere als Schauspieler gemacht – vor allem mit Vampirfilmen. Das heißt: Beide haben keine Ahnung von Putzen, Kochen und Wäschewaschen. Sie brauchen jemanden, der ihnen hilft, und stellen Zamira ein. Sie ist jung, schön, geduldig – und Palästinenserin. Die Konflikte sind unvermeidlich, es wird gestritten und diskutiert, geflirtet und in der Vergangenheit gewühlt. Das ist ebenso anstrengend wie unterhaltsam – und bringt die zwei älteren Herren auf Trab.

Mit Herr Klee und Herr Feld habe ich 2013 ein sehr amüsantes Buch unter den Christbaum gelegt bekommen. Dass es das Ende einer Trilogie markiert und dass ihm die beiden Romane Die Teilacher und Machloikes vorausgehen, hab ich zu diesem Zeitpunkt nicht gewusst. Für die Lektüre spielte das aber keine Rolle, da man den dritten Teil sehr gut getrennt von den anderen lesen kann, er ist in sich geschlossen. Michel Bergmann, der als Kind jüdischer Eltern in einem Internierungslager geboren wurde und seit über 20 Jahren Drehbücher schreibt, hat mit Moritz und Alfred zwei kauzige, liebenswerte Figuren geschaffen, die den ganzen Tag miteinander „hacheln“ und dabei nie zugeben wollen, wie sehr sie aneinander hängen. Das Alte geht ihnen auf den Sack, sie trauern ihrer Jugend nach, und die Einsamkeit quält sie sehr. Mit der bildhübschen Zamira kommt Leben in die Bude – und zwar in jeder Hinsicht: Die Palästinenserin muss koscher kochen, und neben dem politischen Zündstoff und den vielen historischen Exkursen entsteht eine ungewöhnliche Freundschaft zwischen den dreien. Und als Zamira in Bedrängnis gerät, stehen die zwei wackeren Charmeure ihr tapfer bei.

Herr Klee und Herr Feld ist ein kluges Buch, rührend und witzig. Michel Bergmann füllt Seiten mit Hintergrundinfos über den israelisch-palästinensischen Konflikt und die deutsche Vergangenheit, und dazwischen liefern sich die beiden Hitzköpfe Moritz und Alfred einen Schlagabtausch nach dem anderen, sodass der Roman sehr lebendig ist und kein staubiger historischer Schinken. Seine zwei Helden erinnern sich, an Höhenflüge und Verfehlungen, an alles, was sie getan, und alles, was sie geleistet haben. Wehmut legt sich über alles, aber auch Einsicht und Frieden. Ich mochte das Buch von der ersten bis zur letzten Seite. Sehr empfehlenswert!

Banner

Herr Klee und Herr Feld von Michel Bergmann ist erschienen im Arche Verlag (ISBN 978-3-7160-2693-9, 384  Seiten, 19,95 Euro).

Kleine Köstlichkeiten: 4 Sterne

IMG_7742Süß, süß, oh, so herrlich süß!
„Es gibt im Leben besondere Momente. Momente, von denen man im Augenblick des Geschehens denkt, dass man den Klang oder die Farbe, den Geschmack oder das Gefühl für immer festhalten möchte. Aber man vergisst sie trotzdem. Manche Momente allerdings sorgen von selbst dafür, dass sie nicht verblassen, auch wenn das Bühnenbild gar nicht aufwendig ist. Warum? Weil sich in ihnen vielleicht in aller Einfachheit und nur für einen kurzen Moment die ganze Weite des Lebens zeigt.“ Einen solchen besonderen Augenblick erleben Carlotta Goldkorn und Gösta Johansson, als sie sich zum ersten Mal begegnen. Carlotta arbeitet in einem höchst ungewöhnlichen Museum, in dem August Gayette 1895 alles nebeneinander stellte, was er interessant und schön fand: Saurierskelette, Gemälde, Schmuck, Kostüme. Gösta ist der Urenkel des Males Jasper Johansson und bringt ein Bild von ihm aus Schweden als Leihgabe für das Museum. Carlotta und Gösta verlieben sich auf den ersten Blick. So weit, so einfach. Doch dann gibt es da noch die halbwüchsigen Kinder der beiden, die wild pubertieren, eine Kunstfälscherin, einen kleinen Jungen, der Hilfe braucht, ein verstecktes Wandbild in Schweden und ein geheimnisvolles Tagebuch aus längst vergangenen Zeiten … und ein verrücktes Abenteuer beginnt.

Wer im Bücherwurmloch mitliest, weiß: Hier geht es meistens eher düster zu. Melancholisch. Deprimierend. Doch als mir Die Liebe zu so ziemlich allem von Christine Vogeley angeboten wurde, hatte ich so richtig Lust drauf. Ich habe mir dieses Buch wie ein zuckersüßes, buntes, glasiertes Törtchen vorgestellt, klebrig, kalorienreich, ein bisschen verboten. Und das Herrliche ist: Genau so hat es geschmeckt! Dieses Buch ist eine gar köstliche Liebesgeschichte zwischen zwei Menschen, die schon einmal gescheitert sind und allerhand Zweifel mitschleppen, und sie entwickelt sich in einem wunderbar kuriosen Umfeld: Ihr Museum hat Christine Vogeley mit viel Liebe zum Detail entworfen und es wirkt so lebendig, dass ich das Gefühl habe, tatsächlich darin herumspazieren zu können. Freilich ist eine so schöne, fröhliche Lovestory mit absurden Wendungen und Zufällen, deren Glaubwürdigkeit wackelt, voller Gefühle, bei denen man ein bisschen die Augen verdrehen will, und voller glücklicher Fügungen, die man dem Schicksal niemals abkaufen würde. Aber manchmal ist das Leben so! Zumindest würde ich es gern glauben.

Christine Vogeley umschifft die Klischees nicht, sie nähert sich ihnen mit Karacho und bleibt dabei sprachlich so klar, eigensinnig und niveauvoll, dass ich nur sagen kann: Treffer, versenkt. Es macht Spaß, dieses Buch zu lesen – und das kann ich bei meiner üblichen Lektürewahl ja nun wirklich nicht oft behaupten. Umso mehr habe ich mich über Die Liebe zu so ziemlich allem gefreut. Wegen der Leichtigkeit und wegen der vielen Küsse, wegen der vielen kleinen bezaubernden Dinge und wegen der erzählerischen Stilsicherheit. Manchmal muss es zwischendurch einfach mal ein Buch sein, dessen Figuren in Glückseligkeit schwelgen. Das tut so richtig gut. Am Ende hab ich mir meine klebrigen Finger abgeschleckt und war rundum zufrieden.

Banner

Die Liebe zu so ziemlich allem von Christine Vogeley ist erschienen bei Droemer Knaur (ISBN 978-3-426-65347-0, 464 Seiten, 19,99 Euro).

Noch mehr Futter:
– „Christine Vogeley schafft es, alle Handlungsbälle leicht und abwechslungsreich zu jonglieren. Den Charakteren ihres Buches merkt man einmal mehr an, dass sie ihre Figuren ernst nimmt und mag“, schreibt Kölner Leselust.
– „So wie das Kästchen auf dem Schutzumschlag eine bunte Mischung an gesammelten Werken – die sicher alle ihre eigene Biografie in Bezug auf ihren Finder haben – zeigt, so füllt die Autorin auch den Inhalt des Romans. Wir begegnen sehr vielen sehr sympathischen Menschen, mit sehr spannenden und rührenden Geschichten“, schwärmt Fantasie und Träumerei.
– „Ich habe mich auf jeden Morgen und Feierabend gefreut, wenn ich im Zug sitzend in diese bunte und liebevoll ausgestattete Story abtauchen konnte“, berichtet readinganddreaming.
– Und hier könnt ihr das Buch bei ocelot.de bestellen.

Kleine Köstlichkeiten: 4 Sterne

Nors„So ist das einfach, erschieß deinen besten Freund“
Einer, der vorher im Außenministerium war, wird zum Buddhisten und zum Chef der Hilfsorganisation Informationen von Volk zu Volk. Nur ein guter Mensch wird er leider nicht. Ein Kind, dessen Eltern sich getrennt haben, zieht von der Mutter zum Vater, dessen neue Freundin auch einen Sohn hat. Eine Putzfrau öffnet dem Lieferanten die Tür, der eine viel zu große Tomate wieder abholen soll – und verbringt mit ihm den Rest des Tages. Ein Mann sitzt abends vor dem Computer und beschäftigt sich mit weiblichen Mörderinnen, während seine Freundin schläft. Und einer Frau, deren Mann sie verlassen hat, bleibt nichts außer den Plänen, die sie nie umsetzen wird.

Dorthe Nors‘ Kurzgeschichtensammlung trägt den Titel Handkantenschlag. Und das passt. Denn die dänische Autorin, die in den USA Erfolge feiert, teilt mit ihren sprachlich präzisen Miniaturen tatsächlich Schläge aus. Sie haut dem Leben ins Gesicht, sie spuckt Kirschkerne, lächelt sardonisch und hat es faustdick hinter den Ohren. Das merkt man aber nur, wenn man genau hineinliest in diese Short Short Storys, die ultrakurz sind. Am Ende jeder Geschichte bin ich verblüfft darüber, dass sie schon aus ist. Ich sitze sprachlos da und lasse das Gelesene nachwirken. Nicht immer verstehe ich es. In diesen kleinen Momentaufnahmen gibt es keine Pointen. Auch ist das Inhaltliche nicht unbedingt eine gewichtige, wertvolle Botschaft. Vielmehr geht es um Alltagsbeobachtungen, winzige Ausschnitte, die man weiterdenken kann und muss.

Dorthe Nors, die zuvor bereits drei Romane veröffentlicht hat, macht sich in ihren Geschichten keine Umstände. Sie lässt mich in ihr Wohnzimmer, wo all ihre Figuren mit ihren Geschichten sitzen, und stellt mir jede von ihnen vor – mit zwei, drei Sätzen. Mehr nicht. Das ist kurios, macht neugierig, und sie kann sich sprachlich hervorragend ausdrücken. Sie verwirrt mich, gibt mir Rätsel auf, schockiert und amüsiert mich. Handkantenschlag hat die Kritiker überzeugt – und mich auch.

BannerHandkantenschlag von Dorthe Nors ist erschienen im Osburg Verlag (ISBN 9783955100704, 170 Seiten, 17,99 Euro).

Noch mehr Futter:
– Sophie von Literaturen hat mit Dorthe Nors ein Interview geführt.
– In diesem Video spricht die Autorin über ihr Buch und erklärt, dass jede Geschichte mit einem Ort zu tun hat, an dem sie gelebt hat.
– Hier könnt ihr das Buch bei ocelot.de bestellen.

Kleine Köstlichkeiten: 4 Sterne

Preiwuß„Eine Umklammerung, die nach außen wie eine Umarmung wirkte, der man den Würgegriff aber nur nicht gleich ansah“
Immer wenn Marianne von der Schule kam, musste ihr Bruder Hans an der Teppichstange Klimmzüge machen. Und weil er dazu zu wenig Kraft hatte, gab es Prügel. Wenn der Vater betrunken war, gab es auch Prügel. Oder wenn er glaubte, die Mutter betrüge ihn. Eigentlich gab es immer Prügel. Er war ein gefährlicher Mann, gewalttätig und verschlagen, er arbeitete in einer Nerzfabrik, züchtete dort die Tiere, tötete und häutete sie. Abends kroch Hans mit seinem wunden Körper in Mariannes Bett. Doch dann fand Marianne eher unfreiwillig einen Ausweg aus der Hölle ihres Elternhauses und zog nach Berlin. Erst jetzt, viele Jahre später, kommt sie nach Hause zurück: weil der Vater beerdigt wird.

Die junge deutsche Autorin Kerstin Preiwuß, die bisher mit Gedichten auf sich aufmerksam machte, erzählt in ihrem Debütroman eine Geschichte, die so deprimierend ist, dass ich mich beim Lesen in Embryostellung einrollen möchte, um irgendwie Trost zu finden. Der prügelnde Vater macht den Protagonisten die Kindheit zum Alptraum, und die Erinnerung daran erweist sich das ganze weitere Leben als Klotz am Bein. Berichtet wird aus der Perspektive der Tochter: In der Gegenwart ist sie das Ich, in der Vergangenheit, als Kind, ist sie Marianne. Nur glücklich ist sie nie – aber wie könnte sie das auch bei all den Erlebnissen voller Gewalt, Alkohol und Hilflosigkeit, die sie mit sich herumschleppt. Kerstin Preiwuß beschreibt eine Familie, in der Angst und Gleichgültigkeit regieren. Der herrische Vater schafft es, auch die Beziehungen zwischen der Mutter und den Kindern sowie zwischen Bruder und Schwester zu beeinträchtigen. Die Mutter, die sich möglichst unsichtbar macht, nie Widerstand leistet oder den Kindern hilft, ist später ständig am Jammern und rechtfertigt sich mit lahmen Ausreden wie „Es war nicht alles schlecht“. Und während die Geschwister einst zusammengehalten haben, haben sie einander jetzt nichts mehr zu sagen: Hans ist ein verbitterter Mann, der im Elternhaus geblieben ist und seine Schwester nicht einmal sehen will.

Kerstin Preiwuß ist Absolventin des Leipziger Literaturinstituts und hat schon in Klagenfurt gelesen. Sie bedient sich der Beiläufigkeit, um große Grausamkeit abzubilden. Sie tut dies so leicht und geschickt, dass man meint, sie erzähle von etwas Schönem – nur dass es in Restwärme nichts Schönes gibt. Missbrauch, Traurigkeit und Schweigen sind vorherrschend. Das muss man aushalten können, und wenn man es kann, wird man mit einem feinen, klugen, ausgezeichnet geschriebenen Roman belohnt, der sich gut liest und eine erschütternde Wirkung hat. Vielerorts wird der Schreibstil als ungewöhnlich und anstrengend bezeichnet, ich habe das allerdings nicht so empfunden. Die Sprache ist poetisch, knallhart und ebenso scharf wie der Inhalt. Zieht euch beim Lesen warm an, denn von Restwärme ist in diesem Buch nichts zu spüren – es hätte eher Eiseskälte heißen sollen. Es macht Gänsehaut im Kopf.

Banner

Restwärme von Kerstin Preiwuß ist erschienen im Berlin Verlag (ISBN 978-3-8270-1231-9, 224 Seiten, 18,99 Euro).

Noch mehr Futter:
– „Umso kraftvoller wirken jedoch die knappen, lakonischen Dialoge, die sie immer wieder einschiebt, sowie die zahlreichen Natur-Metaphern. Ähnlich wie der verrätselte Titel Restwärme sind sie anspielungsreich, aber nicht eindeutig zu entschlüsseln. Es brodelt unter ihrer Oberfläche“, heißt es auf spiegel.de.
– „Es gibt nur wenige tröstliche Stellen in Kerstin Preiwuß’ Roman Restwärme“, meint The daily frown.
– „Immer wieder begegnen einem in Restwärme Bilder, die den Kampf illustrieren, immer wieder siegt der Mächtige über den Schwächeren“, schreibt Sophie auf Literaturen.
– Hier könnt ihr das Buch auf ocelot.de bestellen.

Kleine Köstlichkeiten: 4 Sterne

ODonnell„Ich lass mir niemals ein Tattoo stechen. Meine Geheimnisse sind sicher in meinem Inneren eingeritzt, und da sollen sie auch bleiben“
An ihrem 15. Geburtstag hebt Marnie mit ihrer jüngeren Schwester Nelly ein Grab aus – für ihre Eltern. Gene wurde mit einem Kissen erstickt, Izzy hat sich aufgehängt. Für die Mädchen macht es keinen großen Unterschied, dass die Eltern tot sind, denn die haben sich vorher auch nie um ihre Kinder gekümmert, sondern sich mit Alkohol und Drogen weggeschossen. Blöd ist nur, dass es jetzt im ganzen Haus nach Verwesung stinkt. Und dass die Mädchen kein Geld haben. Und dass ihnen die Behörden auf die Schliche kommen und die Schwestern ins Heim stecken könnten. Das erste Problem löst Marnie mit Bleiche, das zweite mit einem Job bei Drogendealer Mick, von dem sie sich auch vögeln lässt. Beim dritten Problem setzen die Schwestern auf Zeit. Nachbar Lennie, ein alter, einsamer, homosexueller Mann, merkt bald, dass nebenan etwas faul ist, aber statt Fragen zu stellen, sorgt er für Marnie und Nelly, kocht für sie, lässt sie bei sich schlafen, freut sich über ihre Gesellschaft. Weder in der Schule noch beim Sozialamt merkt jemand, dass Gene und Izzy tot sind, und so glauben die Mädchen, sie könnten bis zu Marnies 16. Geburtstag unentdeckt bleiben, sodass sie das Sorgerecht übernehmen kann. Doch dann taucht Izzys Vater auf, der früher Alkoholiker und ein Schläger war. Jetzt ist er trocken und religiös – und fest entschlossen, seine Tochter zu finden …

Lisa O’Donnell, die in L. A. lebt, hat mit ihrem ersten Roman Bienensterben ein richtig krasses Buch geschrieben. Wenn man es öffnet, fliegt einem sofort die Scheiße um die Ohren. In einem derben, direkten Ton berichten die Ich-Erzählerinnen Marnie und Nelly, was passiert ist, seit sie ihre Eltern im Garten verbuddelt haben. Sie haben Angst. Sie haben Hunger. Und sie sind allein. An all das sind sie seit ihrer frühesten Kindheit gewöhnt, denn Gene und Izzy waren beschissene Eltern. Trotzdem ist es schwierig für die Mädchen, das Geheimnis ihren Freundinnen gegenüber zu wahren, nicht auszuflippen, so zu tun, als sei alles normal: „Wir haben uns in der Bibliothek getroffen und sollten Lerngruppen bilden. Es war voll der Krampf, wir hatten so ungefähr nichts gemeinsam. Ihre Eltern sind Steuerberater und Anwälte, und meine sind im Garten begraben.“ Zur Überraschung ihres Umfelds sind Marnie und Nelly richtig schlau, schreiben gute Noten, hätten gute Zukunftsaussichten. Doch keiner, der aus ihrem Viertel stammt, bringt es zu irgendwas. Gewalt und Drogen prägen hier das Leben der Arbeitslosen, Junkies und Zuwanderer. Lennie, der im Buch ebenfalls eine eigene Perspektive bekommt, gilt als Perverser, ist aber eigentlich eine gute Seele. Was man vom plötzlich auftauchenden Opa nicht behaupten kann – und so sind die Mädchen ständig irgendeiner Gefahr ausgesetzt. Das ist der helle Wahnsinn.

In Bienensterben wird geschrien, geheult, gekotzt und gevögelt. Der Roman ist heftig, schonungslos, bitter. Lisa O’Donnell rückt Existenzen ins grelle Rampenlicht, die für gewöhnlich nur im Schatten stehen. Marnie und Nelly sind tough und verletzlich zugleich, völlig verzweifelt, aber zäh. Sie kämpfen ebenso miteinander wie gegeneinander. Die Autorin skizziert ihre Figuren absolut glaubwürdig und auf sehr ergreifende Weise. Natürlich geht ihr Buch unter die Haut – und zwar wie mit einem Tacker, der losschießt und sich festhakt. Es ist mir kaum möglich, Bienensterben zur Seite zu legen, so sehr fesselt mich diese ungewöhnliche, knallharte Story aus einer Welt, die mir völlig fremd ist. Zum Glück. Absolute Empfehlung!

Bienensterben von Lisa O’Donnell ist erschienen im Dumont Buchverlag (ISBN 978-3-8321-9728-5 , 320 Seiten, 16,99 Euro).

Banner

Noch mehr Futter:
– „Bienensterben ist ein ungewöhnliches, ein aufrüttelndes Buch, das uns wieder einmal ins Gedächtnis ruft, wie viel Leid und Hilflosigkeit sich hinter so mancher verschlossener Haustür verbirgt“, schreibt Sophie in ihrer Rezension auf Literaturen.
– „Lisa O’Donnells Debüt Bienensterben beeindruckt mit sprachlicher und erzählerischer Raffinesse“, heißt es im Medienjournal-Blog.
– „Wenn überhaupt, dann ist Bienensterben von Lisa O Donnell die unartige Hänsel-und-Gretel-Rache an einer durch und durch schlechten Erwachsenenwelt“, urteilt Karo von deepread.
– Und hier könnt ihr den Roman auf ocelot.de bestellen.

Kleine Köstlichkeiten: 4 Sterne

Beauman„Es ist mir schon beinahe peinlich, dass ich noch nie jemanden entführt habe. Als wäre man der Letzte in der Klasse, der noch nie an einem Mädchen rumgefingert hat“
Raf leidet an einer seltsamen Schlafstörung, die dazu führt, dass er einen 25-Stunden-Rhythmus hat. Das bedeutet, dass er nie mit den normalen Menschen synchron ist und keiner geregelten Arbeit nachgehen kann. Er führt jeden Tag den Hund aus, der auf einem Dach die Senderbox eines Piratensenders bewacht, und ist ständig im Londoner Nachtleben unterwegs – gemeinsam mit seinem Freund Isaac, der DJ ist und regelmäßig bewusstseinsverändernde Substanzen ausprobiert. Gerade als Raf die neue Modedroge Glow testen will, lernt er die schöne Cherish kennen. Wenig später trifft er sie durch einen vermeintlichen Zufall wieder – und steckt plötzlich mittendrin im Kampf der burmesischen Einwanderer, zu denen Cherish gehört, gegen den skrupellosen Megakonzern Lacebark. Burmesen werden auf offener Straße von geräuschlosen weißen Lieferwagen entführt, Lacebark baut in geheimen Hallen eine täuschend echte Stadt nach, und Raf erfährt nach und nach, was das eine mit dem anderen zu tun hat – und dass für die Herstellung von Glow Fuchsscheiße essenziell ist. Die ganze Sache könnte fast ein bisschen Spaß machen – wäre Rafs Freund Ted nicht schon tot und er selbst in größter Gefahr.

Glow von Ned Beauman ist ein erstaunlich verrücktes Buch. Und dabei erstaunlich wenig anstrengend. Sondern vielmehr rasant, absurd, amüsant und unterhaltsam. Der englische Autor, der als Journalist arbeitet, hat sich für seinen dritten Roman eine reichlich komplizierte Geschichte ausgedacht, in der alles wild durcheinanderwirbelt: Drogen, Freiheitskampf, Entführungen, Agenten, Burmas Dschungel, jede Menge Füchse und die Hormone der Verliebten. Ich verliere bei abstrusen Geschichten, die zu sehr ausufern, schnell die Geduld. Bei Glow ist das aber überhaupt nicht der Fall. Zwar frage ich mich ungefähr auf jeder dritten Seite, was dem Autor wohl noch Unerwartetes einfällt, aber es gelingt ihm, mich trotz aller Verrücktheiten bei der Stange zu halten. Glow verlangt viel Konzentration und Aufmerksamkeit – dann versteht man es auch.

Dieses Buch macht überhaupt keinen Sinn. Nein, okay, ein bisschen schon. Obwohl – eigentlich doch nicht. Glow ist ebenso originell wie verwirrend, lustig, wild und absolut unvorhersehbar. Das Schöne an dem Roman ist, dass er nicht belehren will, dass die Moral nur ab und zu beim Fenster hereinschaut und dass es mehr um das pure Vergnügen an einer fantasievollen Story geht. Raf ist ein sympathischer, planloser junger Kerl, sehr authentisch und glaubwürdig, obwohl nichts von dem, was ihm zustößt, auch nur annähernd wahrscheinlich erscheint. Auf ihn und auf mich warten in diesem Buch jede Menge Überraschungen, und die sind alles andere als positiv. Machen aber umso mehr Spaß beim Lesen. Glow ist – Entschuldigung – ein kleines Glühwürmchen von einem Buch, das herausleuchtet aus der Masse der Neuerscheinungen. Und deshalb solltet ihr es lesen!

BannerGlow von Ned Beauman ist erschienen bei Hoffmann und Campe (ISBN 978-3-455-40454-8, 320 Seiten, 22 Euro).

Noch mehr Futter:
– „Manchmal köstlich, mitunter schwer verdaulich, eindeutig berauschend – auch wenn man zeitweise keine Ahnung hat, was man eigentlich konsumiert”, schreibt diepresse.com.
– „And it is worth taking a moment to celebrate Beauman’s great originality and skill – as a maker of phrase, as a master of simile, as a scrupulous selector of words”, heißt es auf theguardian.com.
– Hier könnt ihr das Buch auf ocelot.de bestellen.