Kleine Köstlichkeiten: 4 Sterne

Niemandsland von Rhidian Brook„Irgendwie war es einfacher, einen Menschen zu lieben, der nicht da war“
„Gleich werden Sie einem fremden Volk in einem fremden, feindlichen Land begegnen. Halten Sie sich unbedingt von den Deutschen fern. Gehen Sie auf der Straße nicht neben ihnen, schütteln Sie ihnen nicht die Hand, besuchen Sie sie nicht in ihren Wohnungen.“ So lauten die Anweisungen, die Rachael und die anderen Gattinnen der britischen Offiziere erhalten, als sie kurz nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland eintreffen – zum Zweck der Familienzusammenführung. Rachael kommt mit ihrem jüngeren Sohn Edmund zu ihrem Mann Lewis nach Hamburg – ihr älterer Sohn Michael ist durch deutsche Bomben gestorben, und Rachael ist sehr labil. Es behagt ihr gar nicht, dass der tolerante Colonel Lewis ein eigenartiges Arrangement getroffen hat: Da das Haus an der Elbe, in dem die britische Familie einquartiert wird, derart groß ist, lässt er den deutschen Besitzer Stefan Lubert und seine Tochter Frida auch darin wohnen. Die Ehe ist nach all der Zeit, die Rachael und Lewis getrennt verbracht haben, und all den Strapazen, die sie im Krieg erdulden mussten, stark belastet – die beiden finden keinen Weg, miteinander zu reden. Doch da gibt es ja einen anderen Mann in Rachaels Nähe: den Deutschen Stefan Lubert. Und Lewis bekommt eine attraktive neue Übersetzerin …

Rhidian Brook versetzt mich mit seinem Roman Niemandsland genau dorthin: in ein Land, das zur Gänze zerstört ist, zerbombt, zermürbt, in dem nur noch Gespenster leben und das von Fremden beherrscht wird. Diese Fremden – im vorliegenden Fall die Engländer in der britischen Besatzungszone – stehen im Fokus des Buchs. Der Krieg ist vorbei und die britischen Soldaten versuchen ihr Möglichstes, um Herr über das Chaos zu werden, das sie in Deutschland vorfinden. Wer war ein Nazi, wer ein Mitläufer, wer ein Opfer? Und wie sollen sie es erkennen? Auch in ihren eigenen Reihen ist die Vorgehensweise umstritten. Colonel Lewis Morgan gehört zu jenen, die den Deutschen möglichst schnell ihre Souveränität und ihr Land zurückgeben wollen. Er redet mit den Deutschen, obwohl er das nicht soll, gibt den bettelnden, halb verhungerten Kindern Zigaretten und lässt den Besitzer seines besetzten Hauses weiterhin darin wohnen. Damit macht er sich keine Freunde bei den anderen Soldaten. Und auch mit seiner Frau, die er jahrelang vermisst hat, läuft es alles andere als rosig: Sie haben sich völlig voneinander entfremdet. Dieses Gefühl, fremd zu sein in allen Belangen, hat Rhidian Brook bestens eingefangen: Er porträtiert Rachael und Lewis, lässt sie abwechselnd erzählen und zeigt, wie einsam und verloren sie sind – mitten im Niemandsland.

Dies ist ein recht episches, gut geschriebenes, aber stellenweise auch sehr konstruiertes Buch. Es soll, so sagt es der Klappentext, von Ridley Scott verfilmt werden – und das kann ich mir gut vorstellen. Es wirkt zum Teil schon wie ein Film, mit in sich geschlossenen Szenen und verträumten Bildern. Das soll freilich kein Nachteil sein, schien mir aber beim Lesen manchmal ein wenig hölzern und nicht so lebendig, wie es hätte sein können. Generell aber gibt es an Niemandsland nichts auszusetzen. Es ist ein atmosphärischer, leicht zu lesender und sehr gefühlvoller Roman, der sich in eine Zeit einklinkt, in der alles tot und begraben war und in der die Menschen ihr Leben neu aufbauen mussten. Da steckt freilich viel Pathos und viel Potenzial für dramatische Momente drin, was Rhidian Brook teilweise voll ausnutzt und teilweise elegant umschifft. Sein Vater und Onkel haben die Besatzungszeit in Deutschland selbst miterlebt, ihre Erlebnisse lieferten die Basis für das Buch: Rhidian Brooks Großvater hat tatsächlich mit einem Deutschen in einer konfiszierten Villa gelebt. Aus dieser wahren Geschichte hat der Autor einen sehr lesenswerten und authentischen Schmöker gemacht.

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Niemandsland von Rhidian Brook ist erschienen im Bertelsmann Verlag (ISBN 978-3-570-10128-5, 384 Seiten, 19,99 Euro).

Was ihr tun könnt:
Ein Video mit dem Autor anschauen.
Eine sehr positive Besprechung in der Zeit lesen.
In dieser Rezension einiges über die Hintergründe und Brooks eigene Familiengeschichte erfahren.
Das Buch bei ocelot.de bestellen.

Kleine Köstlichkeiten: 4 Sterne

SchollUnd gäbe es Barmherzigkeit!
Emma hat’s ja wirklich nicht so leicht. Ihr Leben lang hat sie den langweiligen Job beim Notar Wiesel ertragen, damit ihr Hansi studieren konnte, dann wurde sie in die Pension genötigt, von ihrem Georg wegen einer anderen verlassen – und jetzt kriegt ihr Hansi auch noch ein Kind mit einer Türkin! „Ein Türkenbankert und noch dazu unehelich.“ Was sollen die Nachbarn sagen? Und erst der Friseur? „Eine schöne Familie ist das – die Enkeltochter in Italien und der Sohn isst Döner und wohnt zwischen lauter Teppichen. Nein, so hat sie sich das nicht vorgestellt, damals, im Stadionbad, als sie den schönen Georg schmachten hat lassen – weil man ja schließlich auf sich gehalten und nicht gleich nachgegeben hat, nur weil einer fesch war und Muskeln hatte.“ In Wahrheit aber hat Emma nicht die geringste Ahnung, was es bedeutet, wenn man es wirklich nicht leicht hat. Sarema schon. In ihrer Heimat Tschetschenien herrscht willkürliche Gewalt. Sie lässt sich von ihrem zukünftigen Ehemann entführen, um ihn heiraten zu können, und bekommt zwei Söhne, von denen einer durch eine verirrte Kugel stirbt. Die Tochter, die sie tief unter der Erde in einem Schutzkeller zur Welt bringt, hat keine Überlebenschance. Alle sterben, alle, werden erschossen, abgeholt, gefoltert. Auch Saremas Schwester Lisa verliert ihren Mann und ihr ungeborenes Kind. „Und so saßen die Schwestern in der Küche, und ihre Tränen liefen wie ein unendlicher Fluss, der sich nicht kümmert um das, was den Menschen geschieht.“ Als auch Lisa verschwindet, bleibt Sarema und ihrem einzigen Sohn nur die Flucht: Nach einer lebensbedrohlichen Reise landen sie in Österreich – wo keiner ihnen glaubt. Und keiner sie haben will. Als Emma bei einem Sturz verletzt wird, helfen Sarema und Schamil ihr und stehen ihr in den Wochen der Genesung bei. Als es jedoch darauf ankommt, brauchen sie im Gegenzug bei der verbohrten alten Frau nicht auf Hilfe zu hoffen …

Emma schweigt ist ein bitterer, realistischer Roman über das Elend von Asylbewerbern und die Vorurteile der fetten, intoleranten Österreicher. Die ehemalige ORF-Korrespondentin Susanne Scholl, die für ihre journalistische Arbeit und ihr menschenrechtliches Engagement ausgezeichnet wurde, schildert das Leid der Menschen in Tschetschenien derart schnörkellos, klar und eindringlich, dass mir teilweise die Luft wegbleibt. Das ist ein Leben, das mir fremd ist: voller Angst, Trauer und Gefahr. Denn ich habe das Glück, in Österreich geboren zu sein, Insel der Seligen, behütet, gut situiert, in Sicherheit. Susanne Scholl entwirft zwei Welten und lässt sie aufeinander krachen: Sarema, schweigsam, schwer traumatisiert, hilflos und allein, trifft auf Emma, deren vermeintliche Probleme gar keine sind. Die türkische Schwiegertochter passt ihr nicht, und ihren Ex-Mann Georg, den ein gerechter Schlaganfall ins Pflegeheim gebracht hat, besucht sie nur aus Rachsucht. Emma lässt sich von Sarema helfen, bekochen, waschen – und dankt es ihr mit Unfreundlichkeit und Vorurteilen. Am meisten voreingenommen gegenüber Sarema ist, wie es oft geschieht, ausgerechnet die türkische Freundin von Hansi. Der kleine Schamil, der schnell Deutsch lernt und ein ausgezeichneter Schüler ist, ist ebenso unerwünscht in diesem reichen Land wie seine Mutter und alle anderen im Asylantenheim.

Als ich mit der Lektüre von Emma schweigt beginne, tut’s einen lauten Juchizer. Das ist mein österreichisches Seelchen, das sich so freut über den Schreibstil der Autorin, der mir sofort zuspricht. Weil ich die Wiener Wörter so mag, den Badewaschel, das Bankert, weil es ihr perfekt gelingt, die Gesinnung der Österreicher in Sprache zu fassen, weil ich mich halt daheim fühl in dieser Art zu erzählen. Auch inhaltlich gelingt es Susanne Scholl gleich, mich zu packen – in Österreich wie in Tschetschenien, wobei sich die Schicksale der beiden Frauen im Buch nicht stärker unterscheiden könnten. Ich schäme mich für die Politiker, für all die Leute, die so dumm sind in ihrer Ausländerfeindlichkeit, für die schrecklichen Bedingungen, unter denen Asylbewerber bei uns leben müssen. Die Autorin klagt jedoch nicht mit erhobenem Zeigefinger an, das ist auch nicht notwendig. Es ist ausreichend, zu erzählen – die Wahrheit ist anklagend genug. Ein sehr charmantes, gleichzeitig sehr aufwühlendes, berührendes, schmerzvolles Buch, eine Mischung aus Wiener Schmäh und herzzerreißender Resignation. Sehr lesenswert.

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Emma schweigt von Susanne Scholl ist erschienen im Residenz Verlag (ISBN 9783701716234, 180 Seiten, 19,99 Euro).

Was ihr tun könnt:
Einen Bericht über die Festnahme von Susanne Scholl in Tschetschenien lesen.
Susanne Scholl auf Twitter folgen.
Euch die Rezension von Die Presse zu Gemüte führen.
Das Buch auf ocelot.de bestellen.

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Kleine Köstlichkeiten: 4 Sterne

Mohamed„Ich finde ja, die Verrückten sind besonders schön“

Drei Frauen:
Kawsar ist alt und trauert um ihren verstorbenen Mann und ihre tote Tochter.
Filsan ist Soldatin mit großen Plänen.
Deqo ist noch ein Kind und stammt aus dem Flüchtlingslager.

Ein Ereignis:
Eine politische Veranstaltung der Regierung in einem Stadion in Hargeisa in Somalia.

Ein Zwischenfall:
Deqo gehört zu einer Gruppe kleiner Flüchtlingsmädchen, die im Stadion tanzen. Als sie von den Wachen misshandelt wird, geht Kawsar dazwischen, um sie zu schützen. Deqo flieht in die fremde Stadt, Kawsar wird ins Gefängnis gebracht, wo Filsan sie verhört und niederschlägt – wobei Kawsar sich die Hüfte bricht.

Die Folgen:
Deqo genießt die neue Freiheit und schlägt sich erstaunlich gut durch, muss aber stets um ihr Leben fürchten. Sie wird von freundlichen Prostituierten aufgenommen, die allerdings flüchten, weil die Panzer näher rücken. Als der Bürgerkrieg ausbricht, ist Deqo auf sich gestellt. Kawsar liegt bewegungsunfähig mit gebrochener Hüfte und wunden Stellen in ihrem Bungalow. Sie hat den Gedanken an ihren Mann und ihre Tochter nichts entgegenzusetzen. Ihre Nachbarinnen und Freundinnen versorgen sie, müssen sie jedoch im Stich lassen, als die Soldaten kommen. Kawsar will nicht mitgetragen werden, sondern zuhause sterben. Filsan, die treue Soldatin, die von ihrem Vater von klein auf militärisch gedrillt wurde, tötet bei einem Einsatz drei unschuldige Männer – und verliert in der Folge zunehmend die Kontrolle. Brutal und ohne Gnade schlägt das Militär jeden Aufstand nieder, und Filsan steckt mittendrin.

Und dann …
… als der Krieg beginnt, stehen sich die drei Frauen überraschend gegenüber.

Nadifa Mohamed schreibt in Der Garten der verlorenen Seelen über ihre Heimat: Sie ist in Hargeisa geboren. Aufgewachsen ist sie jedoch in London, studiert hat sie in Oxford, und ihr erster Roman Black Mamba Boy wurde mit Preisen bedacht. Ihr zweites Buch ging aus den Geschichten ihrer Mutter hervor, und ich will es authentisch nennen, denn ich habe ihr jedes Wort geglaubt. Nadifa Mohamed erweckt mit Worten ein Land zum Leben, das ich nur aus den Nachrichten kenne, besetzt mit den Schlagworten Hunger, Krieg und Tod. Davon handelt dieser Roman auch – aber nicht nur. Weil die somalischen Frauen in erster Linie dasselbe suchen wie alle Frauen weltweit: Liebe, Anerkennung, Zufriedenheit. Allerdings sind die Hindernisse für sie so gut wie unüberwindbar. Die Ausgangssperre, die Willkür des Militärs und die ständig gegenwärtige Bedrohung lähmen die Menschen in Hargeisa. Man fällt als Frau sehr schnell in Ungnade in der somalischen Gesellschaft – Kawsar hat einen grausam beschnittenen, unfruchtbaren Schoß, Deqo darf als Mädchen nicht einmal einen Laden betreten, um sich etwas zu essen zu kaufen, und als Filsan die Avancen eines Vorgesetzten abwehrt, ist ihre Karriere beinahe vorbei. Gefährlich, kräftezehrend und herausfordernd ist das Leben in Somalia – vor allem für die Frauen.

Das vorherrschende Gefühl bei der Lektüre von Der Garten der verlorenen Seelen ist bei mir das grenzenlose Glück, im fetten, reichen Europa geboren zu sein, in dem es für mich als Frau selbstverständlich ist, zu studieren, zu entscheiden, zu tun, was ich will. Die Diskrepanz könnte größer kaum sein – Deqo, Filsan und Kawsar haben keine dieser Möglichkeiten. Natürlich ist dieser Roman ein politischer, alle Ereignisse sind beherrscht vom beginnenden Bürgerkrieg. Gleichzeitig tut sich eine versteckte Welt im Alltäglichen auf, und Nadifa Mohamed zieht mich mit auf den Markt, ins Flüchtlingslager, in die überfüllten Arrestzellen, zu den duftenden, mit Schmuck behängten Huren. Ein schillernder Kosmos, in dem alle versuchen, das Beste aus dem wenigen zu machen, das sie haben. Und Nadifa Mohamed hat definitiv das Beste aus dem gemacht, was sie hat: großes schriftstellerisches Talent, Hintergrundwissen über ein mir fremdes Land, eine authentische Erzählstimme. Es ist ihr gelungen, die Atmosphäre Hargeisas mit ihren Geräuschen, Gerüchen und Gefahren in meinem Wohnzimmer heraufzubeschwören, sie hat ihren Roman perfekt strukturiert, und sie hat sich dankenswerterweise in Sachen Pathos zurückgehalten, sodass das Buch – bis auf das Ende vielleicht, aber da drücke ich schnell ein Auge zu – nicht überaus kitschig ist. Sondern traurig, dramatisch, sehr berührend und literarisch ausgereift. Ausgezeichnet!

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Der Garten der verlorenen Seelen von Nadifa Mohamed ist erschienen bei C. H. Beck (ISBN 978-3-406-66313-0, 269 Seiten, 19,95 Euro).

Was ihr tun könnt:
Lesen, was im Perlentaucher zu dem Roman gesagt wird.
Euch die Meinung des Zeit-Rezensenten zu Gemüte führen.
Das Buch bei ocelot.de bestellen.

Welche Bücher mit Bezug zu Afrika ich auch gut fand:
Hundert Tage von Lukas Bärfuss
Little Bee von Chris Cleave
The Long Song von Andrea Levy

Kleine Köstlichkeiten: 4 Sterne

SullivanVon der Macht des Materiellen – und der Liebe
Sie ist eine für ihre Zeit ungewöhnliche Frau: 1947 schreibt Mary Frances Gerety, die als Werbetexterin arbeitet und unverheiratet ist, für den Diamantenproduzenten DeBeers den Slogan „A diamond is forever“. In den darauf folgenden Jahrzehnten gelingt es ihr anhand von gezielten Kampagnen für ihren Arbeitgeber N. W. Ayer, die größte Agentur weltweit, in den Köpfen aller Frauen zu verankern, dass ein Verlobungsring einen Diamanten haben muss – und dass dieser zwei Monatsgehälter kosten soll. Wie stark diese vermeintliche „Tradition“ ist, zeigt sich beispielsweise an Rettungssanitäter James, der 1987 alles Menschenmögliche tut, um seine Familie irgendwie durchzubringen – und der sich ununterbrochen dafür schämt, dass er seiner Frau Sheila seinerzeit keinen größeren Diamanten schenken konnte. Seine Angst, ihr nicht zu genügen, geht sogar so weit, dass er ihr mit dem spärlichen Verdienst lieber einen neuen Ring kauft, anstatt das bedrohliche Loch in ihrem Haus zu reparieren. An Geld mangelt es der Französin Delphine nicht, die 2003 durch einen Zufall gemeinsam mit dem ihr fremden Henri einen antiken Musikladen kauft und weiterführt – aber es mangelt ihr an Leidenschaft. Denn sie heiratet Henri, ohne ihn zu lieben, und entflammt plötzlich für den amerikanischen Geiger PJ, der Henris Stradivari kauft. Wenige Tage später sitzt sie in einem Flugzeug nach New York – mit einem funkelnden Diamanten am Finger. Eine absolute Diamantenhasserin ist Kate, die sich für die Umwelt und gegen die weltweiten Ungerechtigkeiten engagiert, ihr Kind freigeistig und nur mit Bio erziehen will, die Ehe verweigert – und 2012 Trauzeugin ihres Cousins Jeff sein muss, der seinen Freund Toby heiratet. Kate hat ein echtes Problem, und zwar mit allem: mit Nutella, Haarspray, dem sozialen Gefälle und den Blutdiamanten. Trotzdem gerät sie in Panik, als sie kurz vor der Hochzeit einen der diamantenen Eheringe verliert. Panikartig ist auch der Zustand von Evelyn, die im Jahr 1972 partout nicht verstehen kann, warum ihr Sohn die liebreizende Schwiegertochter und die Enkelinnen sitzen lässt, um sich mit einer vulgären Frau aus Kalifornien zusammenzutun. Was all diese Menschen verbindet? Die Suche nach dem Glück, nach der Liebe – und die unheimliche Faszination, die von Diamanten ausgeht.

J. Courtney Sullivan, die 2013 mit Sommer in Maine Erfolge feierte, hat mit Die Verlobungen ein Buch geschrieben, das für mich alle Charakteristika eines perfekten Schmökers aufweist: Es ist genial konstruiert – wobei sich die eigentlichen Zusammenhänge erst, und das macht es so gut, am Ende erkennen lassen –, der Stil ist ausschweifend, prall, aufgespeckt mit viel Hintergrundinformation über die Charaktere, die Figuren sind detailgenau und liebevoll gezeichnet, und die Handlung umspannt mehrere Jahrzehnte. Auf knapp 600 Seiten entfaltet sich ein opulenter Roman, in dem es sich so richtig schwelgen lässt. Die verschiedenen Kapitel wirken wie eigenständige Geschichten, werden aber von der thematischen Klammer „Hochzeit, Ehe, Diamantring“ zusammengehalten – und zwar auf indirekte und somit angenehme, aber doch spürbare und sinnvolle Weise. Da ich selbst als Werbetexterin arbeite, hat mich die wahre Story über Mary Frances Gerety und ihren Claim, der in der Agentur auf wenig Begeisterung stieß und später zum „Slogan des Jahrhunderts“ gewählt wurde, ganz besonders fasziniert. J. Courtney Sullivan hat auf interessante Weise herausgearbeitet, wie mit der Werbung der Grundstein für eine „Tradition“ gelegt wurde, die in der Folge so viele Leben und Liebesgeschichten beeinflusst hat – wie die Autorin dann mit den fiktiven Figuren James und Evelyn, Kate und Delphine eindrucksvoll zeigt. Sie schildert auch, wie sich das Heiraten in Amerika im vergangenen Jahrhundert verändert hat, und dass Diamanten nach wie vor als Symbol für die ewige Liebe stehen. Ich muss gestehen, dass ich in Sachen Romantik recht nüchtern bin und man mich mit weißen Täubchen und schimmernden Hochzeitsbillets nicht beeindrucken kann, weshalb mir der Roman stellenweise thematisch bedingt zu kitschig war. Wer aber ein Faible für diese Dinge hat, findet in diesem Buch ganz sicher ausreichend Stoff für romantische Tagträume. Es geht allerdings in Die Verlobungen mitnichten um Glitzer und Glamour, im Gegenteil: J. Courtney Sullivan hat das Leben abgebildet, wie es ist – anstrengend, banal, traurig –, wodurch sich die Sehnsucht nach ein bisschen Glitzer und Glamour erst recht hervorhebt. Sehr gut!

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Die Verlobungen von J. Courtney Sullivan ist erschienen im Deuticke Verlag (ISBN 978-3-552-06244-3, 592 Seiten, 21,90 Euro).

Was ihr tun könnt:
In diesem Interview sehen und hören, warum die Autorin selbst keinen Diamanten trägt.
Auf die Verfilmung gespannt sein, angeblich hat sich Reese Whiterspoon die Rechte gesichert.
Das Buch über ocelot.de bestellen.

Was andere über das Buch denken:
Gut findet es Zoé von lesezeit.
Gut findet es auch Enid von Literaturschock.

Kleine Köstlichkeiten: 4 Sterne

WilliamsChronik eines Lebens
„Als William Stoner sehr jung war, hatte er die Liebe für einen vollkommenen Seinszustand gehalten, zu dem Zugang fand, wer Glück hatte. Als er erwachsen wurde, sagte er sich, die Liebe sei der Himmel einer falschen Religion, dem man mit belustigter Ungläubigkeit, vage vertrauter Verachtung und verlegener Sehnsucht entgegensehen sollte. Nun begann er zu begreifen, dass die Liebe weder ein Gnadenzustand noch eine Illusion war; vielmehr hielt er sie für einen Akt der Menschwerdung, einen Zustand, den wir erschaffen und dem wir uns anpassen von Tag zu Tag, von Augenblick zu Augenblick durch Willenskraft, Klugheit und Herzensgüte.“

Stoner ist ein Farmerjunge, der von seinen schwer arbeitenden, schweigsamen Eltern an die Universität geschickt wird, um etwas über die Landwirtschaft zu lernen. Doch Stoner gerät auf Abwege – jene der Literatur. Er wechselt zu Englisch, liest Shakespeare und Konsorten, bleibt an der Uni und wird Lehrer. Eine bescheidene, aber größtenteils zufriedenstellende Laufbahn als Professor liegt vor ihm. Er lernt Edith kennen und heiratet sie, doch die spärliche Zuneigung zwischen den beiden schlägt bald in pure Abneigung und zeitweise in offenen Hass um. Später wird auch Töchterchen Grace, um das Stoner sich jahrelang wegen Esthers Unpässlichkeiten allein kümmert, in die Ehestreitigkeiten hineingezogen, die Stoner langsam zermürben. Der Erste Weltkrieg verschont ihn und beschäftigt ihn nur aus der Ferne, mehr unmittelbaren Einfluss auf sein Leben haben die universitären Intrigen, die ihn am Weiterkommen hindern. Stoner ist nicht zu glücklich, aber auch nicht zu unglücklich, und dann hält das Leben noch eine Überraschung für ihn bereit: die Liebe.

John Williams‘ 1965 erschienener Roman gilt als verkannter Klassiker, der seit seiner Wiederentdeckung 2002 große Erfolge feiert. Der amerikanische Autor, der wie sein Protagonist englische Literatur lehrte, breitet auf eine erschütternd unerbittliche Art ein Leben vor mir aus, das auf den ersten Blick zäh, anstrengend und ereignislos wirkt. Bezeichnend ist, dass dieses Buch nicht sehr lebendig ist, sondern sehr plakativ erscheint. Beim zweiten Hinsehen fällt mir auf, dass Stoner eigentlich alles hatte, was er sich wünschen konnte: ein Haus, eine Familie, berufliche Anerkennung, eine Leidenschaft – die Literatur. Nichts davon war herausragend, nichts perfekt, aber wann ist es das jemals? Stoner ist still, grau, bedeutungslos, sein Leben ist kein Rausch wie das von Elvis, kein Aufschrei wie das von Luther King, sondern einfach ganz normal. Wie bei uns allen. Dies zeigt der Autor sehr nüchtern, wohlformuliert, wirkungsvoll und überaus lesenswert. Ein Buch, das einem die Augen öffnet für das Gute im Alltag, und zwar auf völlig unesoterische Weise. Sehr gelungen!

Stoner von John Williams ist erschienen im dtv (ISBN 978-3-423-28015-0, 352 Seiten, 19,90 Euro).

Kleine Köstlichkeiten: 4 Sterne

VelascoAlles ist gut, solange du wild bist
Nini und Jameelah leben in Berlin in derselben Siedlung und sind mit ihren 14 Jahren bereit für die Entjungferung. Deshalb ziehen sie sich Ringelstrümpfe an und lassen sich von den Kurfürsten mitnehmen, um alles zu üben, was mit Sex zu tun hat. Denn wenn sie alles wissen, kann ihnen nichts passieren. Das Geld, das sie dafür bekommen, investieren sie in Milch, Maracujasaft und Mariacron – die Zutaten für Tigermilch. Was sie sonst noch haben wollen, klauen sie. Die Sommerferien dehnen sich endlos vor ihnen aus, Ninis Mutter lebt auf der Couch, Jameelahs Mutter träumt von der Einbürgerung, die Mädchen vertreiben sich die Zeit mit Amir im Freibad und auf Partys, Nino und Lukas sind die Auserwählten für die Entjungferung. Doch als eine Familienfehde rund um die Beziehung zwischen Amirs Schwester Jasna und einem Serben vor den Augen von Nini und Jameelah eskaliert, wird den beiden klar: Man kann nicht alles wissen. Und passieren kann einem trotzdem immer was.

Tigermilch von Stefanie de Velasco ist ein rotzfreches und zugleich tieftrauriges Buch. Die deutsche Autorin lässt in ihrem Debüt mit Ich-Erzählerin Nini ein Mädchen zu Wort kommen, das täglich erlebt, was einen „sozialen Härtefall“ ausmacht: kaputtes Elternhaus, Nachbarn mit Migrationshintergrund, Schuleschwänzen, Alkohol, Kleinkriminalität, Gewalt. Nini hält die Welt auf Distanz mit einem eigenartigen Wurschtigkeitsgefühl, das ihr jedoch abhandenkommt, als in Amirs Familie die Probleme richtig ernst werden. Ihre Freundschaft zu Jameelah ist innig, eine Art Familienersatz, gleichzeitig aber auch ein zweischneidiges Schwert, weil immer viel auf dem Spiel steht, wenn die Gefühle sehr groß sind. Alles gerät aus dem Gleichgewicht, und eine Flut an Emotionen bricht über die Teenager herein: Die Unsicherheit rund um den ersten Sex macht ihnen zu schaffen, Verrat und Schuldgefühle entwickeln eine zerstörerische Macht, und dass sie wissen, was das Richtige wäre, ändert nichts daran, dass sie es nicht tun.

Ich kenne mich in Berlin und mit der Berliner Jugend nüsse aus – doch Stefanie de Velasco schildert mir Ninis und Jameelahs Welt so lebensnah, dass ich mir alles genau vorstellen kann und ihr auch jedes Wort glaube. Der Erzählton schwankt zwischen Sarkasmus und Abgebrühtheit einerseits sowie kindlicher Hilflosigkeit andererseits. Oft wird der Ausdruck verwendet, dass ein Kind zu schnell erwachsen werden muss – hier trifft er zu: Die Protagonistinnen sind allein auf sich gestellt, wissen aber gar nicht, wie das Erwachsensein geht. Fazit: Sehr gut geschrieben, intensiv und lebendig erzählt, ein bisschen mit Klischees behaftet, aber sehr lesenswert!

Kleine Köstlichkeiten: 4 Sterne

Hempel„Alles, was man sich vorstellen kann, geht hier vor sich, und dazu auch noch Dinge, die man sich nicht vorstellen kann“

Big Guys Mutter hat sich erhängt, und seine beste Freundin versucht, ihn von seinem Kummer abzulenken – mit Fizzies und, warum auch nicht, mit dem eigenen Körper. Miss Locey liegt am Halloweenabend mit einer Verletzung im Bett und muss von einer Agentur eine junge Frau mieten, die Süßigkeiten an die Kinder verteilt, damit ihr Haus nicht mit Eiern beworfen wird. Katze Gully bekommt zum Geburtstag Fischstäbchen, und in einem Nachmittagsclub erzählen Frauen einander von ihren Krebserkrankungen und den Verfehlungen ihrer Männer.

Amy Hempel tut mit ihren Geschichten etwas, das mich sehr freut: Sie verblüfft mich. Ich nehme ihr schmales Büchlein abends um acht in die Hand – und lege es um halb zehn ausgelesen zur Seite, mit einem verdatterten Gesichtsausdruck. Was hat diese amerikanische Kurzgeschichtenautorin mit mir gemacht? Sie hat mir Rätsel aufgegeben, mir Storys präsentiert, die sich mir nicht erschließen, und andere erzählt, die mich tief anrühren. Sie hat mir Sätze um die Ohren geschlagen und mich mit anderen an der Wange gestreichelt. Dazu braucht sie nicht viele Worte und auch generell nicht viel Platz, die kürzeste Geschichte hat nicht einmal eine Seite. Umso stärker, mutiger und geschickter ist Amy Hempel aber im Umgang mit diesen Worten – sie sitzen alle dort, wo sie sein sollen, auch wenn ich manchmal nicht verstehe, wie sie dorthin gekommen sind.

Die Ernte ist ein Buch voller Kurzgeschichten, die nicht gefällig sein wollen, denen es, glaube ich, sogar ganz egal ist, ob sie gelesen werden und was die Welt von ihnen hält – so cool kommen sie daher. Sie sind rotzfrech, schräg, traurig, unerklärlich, originell und zutiefst verstörend. Gut geht es eigentlich niemandem in diesen Storys, und mir geht es beim Lesen auch nicht gut. Das muss es allerdings auch nicht, denn schließlich will ich etwas spüren bei einem Buch, und hier spüre ich die gesamte Bandbreite der menschlichen Gefühle: Hass, Liebe, Schuld, Einsamkeit, Sehnsucht. Faszination und Verwirrung halten sich die Waage. Der Indie-Verlag luxbooks hat sich vorgenommen, alle zwei Jahre einen weiteren der vier Erzählbände dieser Autorin zu veröffentlichen. Ich kann nur sagen: hervorragende Idee! Und hervorragendes Buch.

Die Ernte von Amy Hempel ist erschienen bei luxbooks (ISBN 978-3-939557-72-2, 113 Seiten, 14,90 Euro).

Kleine Köstlichkeiten: 4 Sterne

Ogawa„Die Ordnung der Zahlen ist deshalb so schön, weil sie im täglichen Leben keinen Nutzen hat“

„Der Professor liebte Primzahlen über alles auf der Welt. Natürlich hatte ich schon einmal von ihrer Existenz gehört, aber es niemals für möglich gehalten, dass sie ein Objekt von so großer Leidenschaft sein könnten. Doch wie exzentrisch das Objekt seiner Liebe auch sein mochte, er war ein hingebungsvoller Liebhaber. Er behandelte sie zärtlich, ließ es nie an Demut fehlen, er hofierte sie und wich niemals von ihrer Seite.“ Als sie dem Professor zugeteilt wird, eröffnet sich der namenlosen Haushälterin eine völlig neue Welt: die Mathematik. Nach einem Unfall im Jahr 1975 währt das Gedächtnis des Professors nur noch achtzig Minuten, weshalb der Umgang mit ihm nicht einfach ist. Viele kleine Zettel an seinem Anzug helfen ihm dabei, sich nach jedem erneuten Gedächtnisausfall zurechtzufinden. Die Haushälterin muss sich jeden Tag mehrmals neu vorstellen, aber sie nimmt all diese Anstrengungen gern auf sich, weil der hilflose, tatterige Professor an ihr Herz rührt. Als er herausfindet, dass sie einen zehnjährigen Sohn hat, nötigt der Professor die Haushälterin, diesen nach der Schule herkommen zu lassen, damit er nicht allein ist. Er tauft ihn Root, weil ihn sein flacher Schädel an das Wurzelzeichen erinnert, das „unendlich vielen Zahlen ein schützendes Dach über dem Kopf bietet“. Langsam entsteht zwischen diesen drei völlig unterschiedlichen Menschen, von denen einer die anderen beiden alle achtzig Minuten wieder komplett vergisst, eine Freundschaft. Das ist jedoch der Schwägerin des Professors ein Dorn im Auge …

Yoko Ogawa schreibt unendlich freundlich und dadurch – in meinen Augen – sehr japanisch. Den Widrigkeiten des Alltags begegnen die drei Protagonisten, wie es für die Japaner üblich sein soll, mit ausgesprochener Höflichkeit. Sie sind beherrscht von gesellschaftlich auferlegter Steifheit und Distanz, und es ist umso schöner zu sehen, wie diese im Lauf des Romans schmelzen. In seiner Ratlosigkeit, wer da eigentlich vor ihm steht, greift der Professor immer wieder zum selben Trick: Er spricht über Zahlen, denn damit kennt er sich aus. Er erzählt der Haushälterin von Primzahlen und befreundeten Zahlen, hilft Root bei den Hausübungen und stellt ihm Aufgaben, und er entführt diese beiden, die sehr bescheiden und einfach leben, in eine Welt, zu der sie bisher keinen Zugang hatten. „In meiner Vorstellung waren die Zahlen immer irgendwie lebendig: Sie umarmten sich oder trugen dieselben Kleider oder standen Hand in Hand nebeneinander“, sagt die Haushälterin.

Das Geheimnis der Eulerschen Formel ist ein Buch, das man umarmen möchte. Weil es so schlicht und klug ist und so lieb dreinschaut. Deshalb kann man damit ganz ausgezeichnet auf der Couch kuscheln. Und sogar noch was lernen: über Primzahlen und ähnliche Zahlen, Wurzeln und Dreieckszahlen. Die Erklärungen versteht – zum Teil, ähem – sogar so ein Mathematikdepp wie ich, und sie fügen sich vor allem ganz perfekt in die Geschichte ein. Dieser anmutige Roman fängt die Rätsel der Mathematik ein und zeigt, dass das Leben selbst ebenso ein Rätsel ist. Drei Menschen, die scheinbar nicht zusammenpassen, tun es letztlich doch und finden im jeweils anderen etwas, das ihnen selbst fehlt. Schön.

Das Geheimnis der Eulerschen Formel von Yoko Ogawa ist als Taschenbuch erschienen im Aufbau Verlag (ISBN 978-3-7466-2944-5, 8,99 Euro, 250 Seiten).

Kleine Köstlichkeiten: 4 Sterne

EngDie Erinnerung als Schmerz

Richterin Yun Ling ist die einzige Überlebende eines Konzentrationslagers, das die Japaner in Malaysia errichtet haben. In jungen Jahren hat sie dort ihre Schwester verloren und ist nie darüber hinweggekommen. Nun ist sie alt, hat den Beruf an den Nagel gehängt und ist zurückgekehrt in ein Haus, in dem sie einmal kurz gelebt hat: das Haus des Japaners Aritomo, Gärtner des japanischen Kaisers. Sein Garten ist ein Meisterwerk, große Kunst, und Yun Ling hat mit ihm daran gearbeitet. Ihr bleibt nicht mehr viel Zeit, um zu tun, was sie noch tun muss – endlich Abschied nehmen. Und dafür sorgen, dass Aritomos Kunst der Nachwelt erhalten bleibt.

The garden of evening mists ist ein undurchdringliches, melancholisches Buch, dessen Story ich nur undeutlich wie durch einen Nebelschleier sehe. Ich weiß nichts über die Geschichte Malaysias, die Gräueltaten der Japaner, die verschiedenen Kolonialherren, eine Bildungslücke tut sich auf. Die Fremdheit beherrscht für mich das ganze Leseerlebnis. Spannend fand ich den Konflikt der Protagonistin, die sich nach den schrecklichen Erfahrungen mit den japanischen Besatzern in einen Japaner verliebt – dessen Geheimnis sie nicht ergründen kann. Dieser Roman ist schön und merkwürdig zugleich, nicht spektakulär, sehr ruhig, wie ein seltsam unklarer Traum. Und damit ihr spüren könnt, was ich meine, soll er selbst sprechen:

„I weighed the envelope on my palm. ‘I thought it would be heavier.’
‘How much words do you need to tell your son you love him?’ he replied.”

“The garden has to reach inside you. It should change your heart, sadden it, uplift it. It has to make you appreciate the impermanence of everything in life. That point in time just as the last leaf is about to drop, as the remaining petal is about to fall, that moment captures everything beautiful and sorrowful about life. Mono no aware, the Japanese call it.”

“I borrow moonlight for this journey of a million miles.”

“A garden borrows from the earth, the sky, and everything around it, but you borrow from time.”

“’The goddess of Memory, I said. Who’s the other woman?’
‘Her twin sister, of course. The goddess of Forgetting.’
‘I don’t recall there’s a goddess for that.’
‘Ah, but doesn’t the fact of your not recalling prove her existence?’

“Everywhere I turn, I hear echoes of sounds made long ago.”

Kleine Köstlichkeiten: 4 Sterne, Snacks für zwischendurch

TruebaSnack für zwischendurch – Kurzrezension

Worum geht’s?
Um die 16-jährige Sylvia, die sich zum ersten Mal verliebt, und zwar in einen jungen Fußballstar aus Argentinien, der leider nicht lang in Madrid bleibt. Abschied nehmen muss auch Sylvias Großvater Leandro, denn seine Frau liegt im Sterben. Ablenkung findet er im Bordell, bei einer jungen, dunkelhäutigen Hure, die sich vor seinem Altmännerkörper ekelt, der er aber dennoch all seine Ersparnisse in den Rachen wirft. Sein Sohn Lorenzo, Sylvias Vater, bei dem sie nach dem Weggang der Mutter lebt, hat ebenfalls finanzielle Probleme: Nach der Pleite des Unternehmens, das er mit Geschäftspartner Pablo führte, bleiben ihm nur Gelegenheitsjobs. Also bringt er in seiner Verzweiflung Pablo einfach um.

Hat’s gemundet?
Jup. Ich hab wegen des Titels und des Covers zu dem Buch gegriffen, von dem ich nie zuvor gehört hatte, und hab den ersten Absatz gelesen – da war ich sofort angetan.
imageDas hat sich zum Glück bis zum Ende aufrechtgehalten. Der Klappentext verwendet die Adjektive „komisch, tieftraurig und anrührend“, was ich absolut bestätigen kann. Ein feines, unterhaltsames, nettes, aber niveauvolles Buch über kleine Fehler und große Geheimnisse. Bis auf die Ähnlichkeit der Namen Leandro und Lorenzo, die ich während der Lektüre dauernd verwechsle, habe ich nichts daran auszusetzen. Sehr gut gemacht, lesenswert!

Wer soll’s lesen?
Freunde von feinsinniger, nicht zu schwerer Unterhaltungsliteratur.