Für Gourmets: 5 Sterne, Snacks für zwischendurch

PackerSnack für zwischendurch – Kurzrezension

Worum geht‘s?
Carrie und Mike sind eines jener Pärchen, die zusammen sind, seit sie 16 waren und gemeinsam die Highschool besuchten. Für Mike ist die Sache klar: Er will mit Carrie zusammenziehen und sie heiraten. Carrie dagegen hat Zweifel. Kann das alles gewesen sein? Wird sie für immer in der Kleinstadt bleiben und in der Bibliothek arbeiten? Ihr Freiheitsdrang wächst, doch sie bringt es nicht übers Herz, Mike zu verlassen. Dann ändert ein Unfall alles: Bei einem Sprung in zu seichtes Wasser bricht Mike sich das Genick und ist fortan vom Hals abwärts gelähmt. Nun stellt sich für Carrie die Frage, ob sie aus Loyalität an Mikes Seite bleiben soll, obwohl sie ihn nicht mehr liebt, oder ob sie rücksichtslos sein und ihr eigenes Glück suchen darf.

Hat’s gemundet?
Absolut! The dive from Clausen’s Pier habe ich über einen Tipp in der New York Times entdeckt – und war schwer beeindruckt von der klugen, fesselnden, nachdenklich stimmenden Geschichte über ein tragisches Geschehnis, das alles auf den Kopf stellt, über die Erwartungen der anderen und über das Bedürfnis, egoistisch zu sein. Die Ausgangssituation bietet viel Stoff für Konflikte und moralische Pattsituationen, und Ann Packer hat dies glänzend umgesetzt. Ihre Protagonistin beschäftigt mich mit ihren Gedanken, Gefühlen, Entscheidungen und Aussichten so sehr, dass ich ständig an das Buch denken muss und es, wenn mir die Zeit zum Lesen fehlt, vermisse. Die Figuren im Buch sind sehr jung und verfügen über wenig Lebenserfahrung, doch das, was sie umtreibt, ist gültig für alle Altersklassen, denn es ist zutiefst menschlich. Zwar bin ich mit dem Ende nicht unbedingt einverstanden, doch insgesamt ist dies ein faszinierender, intelligenter Roman über Verpflichtungen und Schuld, über die Halbwertszeit der Liebe und die Fähigkeit zu verzeihen. Und sprachlich ist er wundervoll.


Wer soll’s lesen?

Alle, unbedingt!

Für Gourmets: 5 Sterne, Snacks für zwischendurch

FrischmuthSnack für zwischendurch – Kurzrezension

Worum geht’s?
Um Ada, eine junge Künstlerin, die in Istanbul geboren und an einem österreichischen See aufgewachsen ist, die auf ihren großen Durchbruch hofft und ihre Jugendliebe Jonas wiedertrifft sowie dessen drei Kinder. Um Olli, Adas Zwillingsbruder, der homosexuell ist und eine Galerie führt. Um Martha, die Mutter der Zwillinge, die ihre große Liebe Robin in Istanbul unter mysteriösen Umständen verloren hat. Und um Lilofee, Marthas Tante, die ihnen das Seehaus vererbt hat und die ihr Leben lang um jenen Mann trauerte, den die grausigen Umstände des Krieges ihr geraubt haben. „Wir alle werden vom Schacht der Zeit verschluckt, unsere Lebensgeschichten, unsere Schicksale, unsere Erinnerungen zerfallen in Daten und in Vergessen, nur das wenigste wird zu Geschichte verarbeitet – und wenn, dann anonym – oder zu großen Erzählungen recycelt.“ Dies ist eine dieser großen Erzählungen.

Hat’s gemundet?
Sehr. Barbara Frischmuth hat einen hervorragenden, schlichten, sehr schönen Roman geschrieben über die Liebe und den Tod, das Älterwerden und Vergessen, über den Krieg und das Schweigen darüber und über all die Kleinigkeiten, die das Leben ausmachen. Drei Frauen stehen im Mittelpunkt, Lilofee, Martha und Ada, wobei Lilofee keine eigene Stimme bekommt und ihre Geschichte anhand der überaus authentischen und amüsanten Dorftratschereien erzählt wird. Ich fühle mich aufgehoben in der Romankulisse, die so sehr meiner eigenen Umgebung ähnelt, und in der österreichischen Sprache, die in ganz feinen Nuancen den Schrecken, die Giftigkeit und die Gehässigkeit transportiert, die mit den Erinnerungen an die Nazizeit einhergehen. Am meisten fiebere ich mit Ada mit, die so wunderbar hilflos ist in ihrer Verliebtheit, und auch die Erinnerungen von Martha an ihren Mann sind sehr detailliert und liebevoll geschrieben. Barbara Frischmuth ist eine erfahrene Schriftstellerin, die weiß, was sie tut – und mich damit absolut begeistert hat.

Wer soll’s lesen?
Alle, die gute Literatur schätzen.

Für Gourmets: 5 Sterne, Snacks für zwischendurch

SempleSnack für zwischendurch – Kurzrezension

Worum geht‘s?
Bee ist 15, eine ausgezeichnete Schülerin, die mit ihren Eltern – der Papa ein hohes Tier bei Microsoft, die Mama eine ehemalige, preisgekrönte Architektin – in Seattle lebt und bald in ein Elite-Internat gehen darf. Es könnte also alles gut sein – würde Bees Mum Bernadette nicht zwei Tage vor Weihnachten spurlos verschwinden. Was ist passiert? Das versucht Bee zu rekonstruieren, und zwar anhand boshafter E-Mails zwischen Bernadette und ihrer Nachbarin Audrey, ratloser Nachrichten ihres Vaters, aufschlussreicher Schulberichte, eigener Erlebnisse und handgeschriebener Notizen eines Gärtners, der die Heidelbeeren in Bernadettes Garten ausgerissen hat. Alles begann damit, dass Bee sich eine Reise in die Antarktis wünschte, die Bernadette wegen ihrer Sozialphobie nicht antreten wollte. Bee deckt auf, was die Erwachsenen verbergen wollten: Einsamkeit, Tablettenmissbrauch, Ehebruch kommen ans Tageslicht, und als auch die russische Mafia mitmischt, gerät alles endgültig außer Kontrolle. Um Bernadette zu finden, muss Bee weit über jegliche Grenzen hinausgehen.

Hat’s gemundet?
Oh jaaaa! Dieses Buch ist mit Abstand das lustigste, das ich seit Langem gelesen habe. Bernadette ist als Charakter „superbitchy“, sehr fies, gehässig, sarkastisch und absolut hinreißend. Zwar verstecken sich hinter ihrer „Talk to my hand“-Attitüde schwerwiegende Probleme, aber diese Kurve kriegt die amerikanische Autorin Maria Semple so hervorragend, dass sich selbst darin noch Ironie erkennen lässt. Das Buch ist dank der vielen verschiedenen Erzählmethoden – darunter E-Mails, Briefe, Notizen, Berichte – absolut originell und sehr lebendig. Die Ereignisse selbst sind unfassbar absurd, im Kleinen, etwa als Nachbarschaftsstreit, wie im Großen, wenn es um die ganze Familie und ihren Zusammenhalt geht. Nichts davon wirkt glaubwürdig, aber gleichzeitig ist die ganze Handlung so stimmig, dass sie trotzdem funktioniert. Bis zum Ende hat Maria Semple das Rätsel um Bernadette aufrechtgehalten, und ich habe mich über jeden ihrer kreativen Einfälle sehr amüsiert. „Please step aside because I’m about to kick the shit out of life“ – das ist Humor von seiner besten Seite!

Wer soll’s lesen?
Jeder! Unbedingt!

Für Gourmets: 5 Sterne, Snacks für zwischendurch

ZiefleSnack für zwischendurch – Kurzrezension

Worum geht’s?
Sieben Nächte, dann wird Luisa mit ihrer Familie in die Türkei reisen, um ihre Verwandten kennenzulernen, die sie nie gesehen hat. Und in diesen sieben Nächten erzählt sie ihrer Tochter, die nicht schlafen will, die Geschichte ihrer Herkunft, die sie erst aufgrund dieser Schlaflosigkeit erforscht hat. Sie berichtet von zufälligen Begegnungen und den Schwierigkeiten, in der Fremde zu leben, von Adoption und dem Gefühl der Verlorenheit. Viele Menschen haben einen Verlust erlitten in dieser Familiengeschichte, und es braucht erst ein kleines Kind, das keine Wurzeln hat, um endlich alle und alles zusammenzuführen. „Wo kann ich hin, wenn ich nicht weiß, wo ich herkomme?“, ist die zentrale Frage in Pia Ziefles Roman.

Hat’s gemundet?
Ein Buch für Gourmets. Denn es gibt sie, diese Bücher, bei denen einfach alles stimmt. Die Worte fallen an die richtigen Stellen und ergeben lebendige Bilder, die Geschichte ist melancholisch, traurig, lebensnah und schön. Ich fühle mich aufgehoben in diesem Buch, begleitet und geführt – dies ist einer jener Romane, den man einfach mögen muss, wie auch die unzähligen begeisterten Kritikerstimmen bezeugen. Es gibt nichts daran auszusetzen, Pia Ziefle schreibt sehr anschaulich, voller Begeisterung, mit Gefühl für die Verschiedenheit der Menschen und für das, was sie letztlich alle verbindet. Schade, dass es nur sieben Nächte sind – ich wäre auch noch länger mit diesem Buch wach geblieben.

Wer soll’s lesen?
Alle.

Für Gourmets: 5 Sterne

Seydlitz„Zum ersten Mal seit langer Zeit habe ich das Gefühl, dass sich etwas mit hoher Geschwindigkeit auf mich zubewegt“
Juno hatte eine Kindheit, die ein bisschen gut und dann ziemlich schlecht war. Der Vater kämpfte gegen eine schwere Depression, und als er diesen Kampf verlor, ließ er Juno und ihre Mutter allein zurück. Während die Mutter dank neuem Mann und neuem Kind nicht allein blieb, fühlt Juno sich auch später noch ziemlich verloren in der Welt. Als sie einen Brief bekommt, dem ein Polaroid-Bild von einem Haus am Meer beiliegt, reist sie spontan nach Frankreich, um herauszufinden, was es mit diesem Haus auf sich hat. Es gehörte dem Vater, und einmal, so erinnert Juno sich, war sie als Kind sogar dort, nur für Minuten jedoch, bevor die Familie sich im einzigen gemeinsamen Urlaub, den es je gab, in einem komfortableren Hotel einmietet. Juno findet das Haus bewohnt vor, die junge Julie hat sich dort eingerichtet, und Jan, ein Architekt aus Deutschland, geht ebenfalls ein und aus. Was weiß Julie über Junos Vater? Und wer ist sie überhaupt? Die Reise in die Bretagne wird für Juno zur Reise in das ungekannte Leben ihres Vaters – und in ihre eigene Vergangenheit.

Es gibt viele, sehr viele Bücher, deren Geschichte geht so: Ein junger Mann/eine junge Frau erbt überraschend ein Haus, das dem Vater/der Mutter gehörte. Irgendwo in der Familie liegt ein altes Geheimnis begraben, und die junge Frau/der junge Mann reist – immer mit einer ordentlichen Portion Melancholie im Gepäck – in das Haus, um dieses Geheimnis zu ergründen. Dort rollt sich dann, meist mithilfe diverser Nebenfiguren, die ganze Kindheit auf, und die Puzzlestücke fügen sich zur Zufriedenheit aller zusammen. Dieses Schema ist nicht neu und absolut nicht originell, aber da ein Buch nicht nur aus der Handlung allein besteht, hat die junge deutsche Autorin Lisa-Marie Seydlitz noch einen Trumpf in der Hand, den sie zu nutzen weiß: die Sprache. Sie kann schreiben, sehr gut sogar. Ihre melodisch-poetische Erzählweise füllt das bekannte 08/15-Schema mit Worten, Sätzen und Metaphern, die alles andere als 08/15 sind. Und das macht dieses Buch so schön.

Es ist viel, sehr viel geschrieben worden über Sommertöchter – und, soweit mir bekannt, nur Gutes. Zu Recht. Lisa-Marie Seydlitz beschwört eine Kindheit herauf, die verdunkelt wurde von einem Schatten, dem Schatten des Vaters bzw. seiner Krankheit. Als Erwachsene muss Juno lernen, dass man solche Schatten nicht abschütteln kann, sondern Frieden mit ihnen schließen muss. Das gelingt ihr in einem langen, seltsam ereignislosen Sommer, in dem sie sich hineinziehen lässt in die Geschichte ihres Vaters, in die Geschichte seines Hauses und in die Geschichte von Jan und Julie. Juno ist wie Treibholz, das angespült wird an der französischen Küste – und dort seine Wurzeln entdeckt. Sommertöchter ist ein kluger, sanfter, trauriger und zugleich sehr hoffnungsfroher Roman über die Schwierigkeit, erwachsen zu werden, wenn man nie ein Kind sein durfte.

Durchgekaut und einverleibt. Von diesem Buch bleibt …
… fürs Auge:
ein sehr stilvolles, gelungenes Cover.
… fürs Hirn: die Frage, was für Menschen unsere Eltern eigentlich wirklich sind oder waren.
… fürs Herz: viele Facetten der Liebe, manche sichtbar, andere nicht.
… fürs Gedächtnis: das beachtliche Talent dieser Autorin.

Für Gourmets: 5 Sterne

Knecht„Und eine größere Sensation als der erste Kuss existiert nun einmal nicht auf der Welt, danach geht es nur noch abwärts“
„Jetzt noch fünf Minuten für mich. Fünf Minuten unter der Bettdecke. Fünf Minuten Autonomie, bevor ich wieder nur Frau und Mutter bin, Mutter und Frau. Fünf Minuten, bevor ein Rudel hipper junger Eltern bei uns einmarschiert, mit denen ich hippe Jung-Eltern-Gespräche führen werde, als wäre ich genauso wie sie. Sie denken, ich sei genauso. Aber das bin ich nicht. Ich bin jemand, der sich jetzt gern irgendwo verkriechen und sündigen Gedanken nachhängen würde.“ Vor allem den Gedanken an ihren Liebhaber: Antonia Pollak hat nämlich eine Affäre, von der ihr Mann Adam und die begüterten Freunde nichts ahnen. Genauso wenig wissen sie über Antonias Vergangenheit Bescheid, die alles andere als glanzvoll ist und mit der lieblosen Mutter und den kriminellen Aktivitäten so gar nicht zu dem sauberen, bürgerlichen Leben passt, das sie heute führt. Antonia versteckt sich in der Sicherheit der Normalität, im Versorgungsalltag mit zwei kleinen Kindern, sie versteckt sich vor den alten Erinnerungen, vor ihrer eigenen Zügellosigkeit und der Gefahr. Als sie jemanden trifft, den sie von früher kennt, hat sie Angst, dass alles auffliegen könnte und ihre Geheimnisse ans Licht kommen. Das muss sie unbedingt verhindern, ohne dabei der Anziehungskraft des Unmoralischen erneut zu erliegen …

Was für ein herrlich böses Buch! Ich habe mehr als einmal laut gelacht. Doris Knecht ist mit Besser ein unvergleichlich fieser, sarkastischer Roman gelungen über die schöne Scheinwelt der bessergestellten Jungfamilie: Hinter der Fassade aus Bugaboo-Kinderwagen, veganen Würstchen und Ausflügen in den Märchenpark wird belogen und betrogen, aus Berechnung geheiratet und sich ins beringte Fäustchen gelacht. Die Ich-Erzählerin Antonia ist unglaublich ehrlich und spricht Gedanken aus, die niemand jemals äußern würde: wie es ist, eine gepflegte Affäre zu führen, ganz undramatisch und professionell, dass einem andere junge Eltern entsetzlich auf die Nerven gehen können und dass man als Mutter manchmal fast durchdreht. „Ich habe immer verstanden, warum es vorkommt, dass Eltern ihre schreienden Säuglinge zu Gemüse schütteln. Ich glaube, alle Eltern verstehen es, sie reden nur nicht darüber. Kinder graben etwas aus einem heraus, von dem man nicht wusste, dass es da ist, dass man es hat, aber fast alle, auch wenn sie die superentspannten Mich-bringt-nichts-aus-der-Ruhe-Eltern geben, haben es in sich: die Wut, den einen Schlag, der für Ruhe sorgen wird. Alle haben sie es, mehr oder weniger vergraben.“ Die Wahrheiten, die Antonia so direkt auf den Punkt bringt, sind selbst nicht überraschend – aber die Art und Weise, wie sie so nackt auf den gedeckten Familientisch gepackt werden, ist es. Und überaus amüsant ist sie auch.

Die österreichische Autorin Doris Knecht nutzt ihre Sprache mit großem Können. Bosheit und Verzweiflung, Gleichgültigkeit und die Sehnsucht nach Liebe – sie porträtiert die widersprüchlichsten Gefühle so hervorragend, dass ich sie alle nachempfinden kann. Sprache ist eine Waffe, genau wie Humor, und in der perfekten Kombination zünden sie eine Granate nach der anderen: Selten gibt mir ein Roman die Möglichkeit, mich moralisch so gehen zu lassen und all meine Gehässigkeit heimlich auszuleben, schadenfroh zu sein und innerlich zu nicken, weil es eben genauso ist: Keine Frau kann immer lieb und brav und schön und nett sein, nein, wir sind hinterhältig und perfide und klug, aber meistens nur im Geheimen, sodass es keiner merkt. „Das Schicksal hat mich mit Geheimnissen reich beschenkt, ich weiß gar nicht mehr wohin damit, ich finde in mir schon keine Schrankfächer mehr, in denen ich noch mehr Geheimnisse verstauen und verstecken könnte. Vielleicht sollte ich mal das eine oder andere Geheimnis ausräumen, wegschmeißen, entsorgen. Vielleicht sollte ich endlich auf neue Geheimnisse verzichten, aber offenbar ist auch das eine Sucht, von der ich nicht loskomme.“

Durchgekaut und einverleibt. Von diesem Buch bleibt …
… fürs Auge:
nunja, in der Covergestaltung wäre da noch Luft nach oben gewesen.
… fürs Hirn: ganz wunderbar böser Humor! Eine Persiflage auf das Heile-Welt-Leben der Jungfamilien.
… fürs Herz: eher die dunkle Seite der Gefühle.
… fürs Gedächtnis: die Passage über den ersten Kuss, die sehr wahr und schlau und schön ist.

Für Gourmets: 5 Sterne

Krien„Es gibt Dinge, die können gleich erzählt werden, andere haben ihre Zeit, und manche sind unsagbar“
„Der Henner ist wirklich ein schöner Mann. Letztens im Laden fiel mir das auf: ein grober, massiger Körper, mit einer steten Kraft in den Bewegungen, doch das Gesicht ganz fein. Die Augen tief und ausdrucksvoll und dunkel, kleine Falten rundherum, ein bitterer Zug um den Mund, doch wenn er lächelt, ist davon nichts mehr zu sehen. Man sieht ihm das Trinken nicht an.“ Zu diesem wesentlich älteren Mann fühlt sich die 17-jährige Maria hingezogen. Sie lebt mit ihrem Freund Johannes auf dem Hof seiner Eltern, sie hat es ganz gut dort und lässt sich treiben, sie schwänzt die Schule und wägt ihre Möglichkeiten ab, jetzt, da die Mauer gefallen und die Grenze in den Westen offen ist. Maria liebt Johannes, aber vom Henner ist sie fasziniert, so sehr, dass sie sich ihm immer wieder nähert, obwohl er im Dorf ein Außenseiter ist und die Leute ihm misstrauen. Während Maria mit Johannes die Liebe kennenlernt, zeigt der Henner ihr die Lust: Er ist grob und rücksichtslos, er nimmt sie, tut ihr weh: „‘Mach mit mir, was du willst‘, flüstere ich ihm ins Ohr. Und das tut er dann auch.“ Das Mädchen verstrickt sich in seinen Lügen, sucht immer öfter nach Ausreden, um beim Henner sein zu können, ist ihm hörig. Es ist ein heißer Sommer, der – so liegt es lange schon in der flirrenden Luft – kein gutes Ende nehmen wird.

„‘Die Lüge zerfrisst den Menschen inwendig‘, sagt Oma Traudel immer.“ Und trotzdem sind es oft die Lügen, an die wir uns klammern, die wir nicht loslassen, obwohl sie uns zerstören. Das zeigt die deutsche Autorin Daniela Krien in ihrem Debüt Irgendwann werden wir uns alles erzählen auf geradezu meisterhafte Weise. Ihre Ich-Erzählerin, die 17-jährige Maria, ist ein kluges, aber eher antriebsloses Mädchen, das sich auf dem Hof seines ersten Freundes eingenistet hat, um der erdrückenden Traurigkeit der Mutter zu entkommen. An der Schwelle zwischen Kindheit und Weiblichkeit begegnet Maria einem Mann mit tragischer Vergangenheit und mysteriöser Aura – und lässt sich ganz bewusst von ihm gefangen nehmen. Sehr eindringlich und wirkungsvoll erzählt Daniela Krien von diesem Bann, in den Maria gerät, von gewalttätigem Sex, von der Einsamkeit und den Versuchen, sie zu besiegen. Maria sehnt sich, sie sehnt sich so sehr danach, eine Frau zu sein, geliebt zu werden, das eigene Herz zu spüren, jeden Tag. Der Henner ist 23 Jahre älter, ein undurchschaubarer Genosse, den die Autorin in den Halbschatten stellt, sodass man ihn nie klar erkennen kann und das Misstrauen wach bleibt.

Irgendwann werden wir uns alles erzählen ist ein grandios geschriebener Roman, heiß und aufregend wie ein Sommer, brutal und heftig wie ein Gewitter. Ich liebe es, wenn ein Buch mich zu sich saugt und zum Lesen zwingt, wie dieses es getan hat, weil es eigenwillig, spannend, erotisch und verstörend zugleich ist. Die wilde Mischung aus Erwachsenwerden, hartem Sex, Deutschlands Politik und der Suche nach Liebe findet durch die Feder von Daniela Krien eine erstaunlich konsequente, glaubwürdige und interessante Stimme im Gedankenstrom einer Siebzehnjährigen. Figurenzeichnung, Handlung und Stil sind genial, die Atmosphäre ist aufgeladen, es knistert, es stürmt und kracht. Rau und roh und entfesselt ist dieses Buch, das ich jedem ans Herz legen möchte, der sich nicht vor Blitz und Donner fürchtet.

Durchgekaut und einverleibt. Von diesem Buch bleibt …
… fürs Auge:
die drückende Hitze wird auf dem Cover sichtbar.
… fürs Hirn: die Faszination darüber, dass Gefahr so neugierig macht.
… fürs Herz: die berühmte Anziehungskraft der Bad Boys, die Gefühle, eine Mischung aus Gewalt und Zärtlichkeit
… fürs Gedächtnis: Respekt vor der Autorin.

Für Gourmets: 5 Sterne

Bengtsson„Aber wenn man keine Wahl hat, fällt es viel leichter, mutig zu sein“
Sie sind der König und der Prinz, sie sind Vater und Sohn, sie leben ohne Namen und verweilen nie lang an einem Ort. Der Vater nimmt jede Art von Arbeit an und erbettelt sich mit seinem Charme alles, was er braucht, um die Wünsche des Jungen zu erfüllen – bis auf einen: zur Schule gehen zu dürfen. Stattdessen erteilt er ihm selbst Unterricht, vor allem in der Kunst zu überleben. Der Junge ist noch zu klein, um die Probleme des Vaters zu verstehen, er ist viel allein mit sich, seinem Zeichenblock und einer Art Fantasiewelt. Der Vater, der König, ist für ihn ein Held, den er mit der Kraft der Kinder liebt, jener Kraft, die ihn so viel kostet, dass er selbst beinahe untergeht. Auch viele Jahre später, als Vater und Sohn nach einem schrecklichen Ereignis längst getrennt sind und der zum Mann gewordene Junge vom Leben herumgeweht wird wie ein Blatt vom Frühlingswind, ist er noch ausgezehrt von seiner Kindheit. Aber so ist es mit der Liebe: Es ist immer, immer noch ein kleines bisschen davon übrig …

Ich bin ein Detektor, ein Spurenleser, ein Trüffelschwein. Ich schnüffle, suche, grabe nach literarischen Perlen und jenen Buchschätzen, die einen Abdruck hinterlassen, die mich erschüttern. Und dann kommt einer wie Jonas T. Bengtsson, legt eine Miniaturbombe in mein Herz – und zündet sie. Der dänische Autor hat mit Wie keiner sonst einen Roman geschrieben, der nicht schmeichelt und streichelt, sondern schneidet. Messerscharf sind die Beobachtungen, schmerzhaft traurig die Geschehnisse. Jonas T. Bengtssons Worte sind schnörkellos und klar, und wenn sie klingen, erinnert ihre Melodie an das Scheppern von zerbrochenem Glas. Das Leben des Ich-Erzählers ist ein Flickwerk, und weil er zu Beginn ein Kind ist, kann er das nicht sehen. Er erklärt sich das Verhalten des Vaters auf seine eigene Art, eine gute, kindliche Art, und er ist getragen von der Liebe des Vaters, die ihn alle Entbehrungen verschmerzen lässt. In Büchern, in denen ein kindlicher Erzähler erwachsen wird, ist stets mit zunehmendem Alter der Zauber verwirkt – so auch hier, doch ich bin gewappnet und wechsle von der Welt der Fantasie zur Realität eines jungen Künstlers, der sagt: „Ich werde die ganze Welt zeichnen, sonst gerät sie aus den Fugen.“

Es gibt Bücher, bei denen warte ich die ganze Zeit nur auf die Auflösung des Geheimnisses, das sie bergen. Und es gibt Bücher wie dieses, bei denen ich von Anfang an weiß, dass ich nie erfahren werde, was passiert ist. Jonas T. Bengtsson spielt mit mir, lässt Streichhölzer in der Dunkelheit aufflammen, die wieder verlöschen, ehe ich wirklich etwas erkennen kann. Das ist in Ordnung, weil es zu diesem verschrobenen, mysteriösen, beklemmenden Roman passt und weil ich das Gefühl habe, dass ich gar nicht alles sehen will. Ich erfahre zumindest genug, um das furchtbare Ganze dahinter zu erahnen. Jonas T. Bengtsson erzählt vom Leben am Rand der Gesellschaft, von Einsamkeit und dem engen Band zwischen einem Vater und seinem Sohn. Die Abhängigkeit des einen ist in jeder Zeile spürbar, die Verrücktheit des anderen blitzt nur gelegentlich auf. Sprachlich gesehen ist der Autor ein Chirurg, der schonungslos seine Figuren seziert und kein Mitleid mit ihnen zeigt. Alles, was geschieht, tut weh, uns allen, und wenn ich könnte, würde ich ihnen ein Königreich bauen, dem Vater und dem Sohn, in dem nur sie beide wohnen dürfen, in dem sie in Sicherheit sind für immer. Dies ist ein Buch, das sich wie ein Splitter in den Leser bohrt, ein großartiges, traurig-schönes, bemerkenswertes Buch, ein Buch wie keines sonst.

Durchgekaut und einverleibt. Von diesem Buch bleibt …
… fürs Auge:
ein wunderschönes, sehr passendes Cover.
… fürs Hirn: Schmerz, Verrat, die Verlorenheit eines Kindes und die allmächtige Gewalt der Realität.
… fürs Herz: die trotzig standhaltende Liebe zwischen Vater und Sohn.
… fürs Gedächtnis: dass dies für mich das bisher beste Buch des Jahres 2013 ist.

Wie keiner sonst von Jonas T. Bengtsson ist erschienen bei Kein & Aber (ISBN 978-3-0369-5668-8, 448 Seiten, 22,90 Euro).

Für Gourmets: 5 Sterne

Johnson„In meinem Land ergibt alles einen klaren, eindeutigen Sinn. Es ist der unkomplizierteste Ort der Welt“
Pak Jun Do – benannt nach einem nordkoreanischen Märtyrerhelden – wächst im Waisenhaus auf, in dem sein Vater Aufseher ist. Hunger und harte Arbeit prägen seine Kindheit, und als er das Waisenhaus verlässt, beginnt eine ebenso abenteuerliche wie verrückte Odyssee: Jun Do wird in völliger Dunkelheit zum Tunnelkämpfer ausgebildet, muss dann auf einem kleinen Schiff wahllos Menschen von der japanischen Küste entführen und eine beliebte Opernsängerin kidnappen, bevor er schließlich auf einem Haifischfängerpiratenboot landet als getarnter Spion, der feindliche Funksprüche abhören soll. Eine wilde, erfundene Geschichte, die die Besatzung erzählt, um sich vor dem Gefängnis zu retten, führt Jun Do gar mit einer nordkoreanischen Delegation nach Texas, und zu guter Letzt findet er sich in einem Strafgefangenenlager wieder, aus dem keiner lebend rauskommt. Jun Do gelingt es allerdings – mit der Identität eines Militärkommandanten, Ehemann von Nordkoreas bekanntester Schauspielerin Sun Moon. Er nimmt den Platz an ihrer Seite ein, er spielt die Rolle in der Farce, zu der sein Leben geworden ist, perfekt. Immer näher kommt er dabei dem Geliebten Führer Kim Jong-Il – und immer gefährlicher wird das für ihn …

Der amerikanische Autor Adam Johnson hat sich für seinen zweiten Roman so richtig ins Zeug gelegt: Er hat ihn an einen Ort verlegt, der real ist und den noch niemand kennt. Zwar hat er Nordkorea zu Recherchezwecken selbst bereist, doch die Gespräche mit den Nordkoreanern waren aufgrund ihrer Sicherheitsregeln im Umgang mit Amerikanern stark verfälscht. Für Das geraubte Leben des Waisen Jun Do hat er mit Dokumenten, Belegen und eigenen Eindrücken gearbeitet – und mit der Kraft der Fantasie. Er hat sich einen Helden erdacht, ein Waisenkind, einen ruhigen, klugen, starken Mann, dem Dinge passieren, die völlig absurd sind: „Aber meine Geschichte ist so unwahrscheinlich, ich kann sie ja selbst kaum glauben.“ Die Geschichte an sich, das Erleben und Erzählen einer Geschichte, steht im Fokus dieses wilden, atemberaubenden, mitreißenden Romans, denn in Nordkorea, das beherrscht wird von der Meinung des Staats und den Lautsprechern, die diese öffentlich kundtun, hat offiziell niemand eine Geschichte: „Die Geschichten der Leute erzählst nicht du, sondern der Staat. Wenn ein Bürger etwas tut, das erzählt werden sollte, ob gut oder schlecht, dann ist das die Sache des Geliebten Führers und seiner Vertrauten. Nur ihnen steht es zu, Geschichten zu erzählen.“ Strenge Regeln und Angst beherrschen das Leben das Nordkoreaner, das stets bedroht zu sein scheint: „Für wahre Geschichten wie diese, von Menschen erlebte, konnte man im Gefängnis landen, ganz egal, wovon sie handelten.“ Was Adam Johnsons Geschichte betrifft, so glaube ich ihm von Anfang an kein Wort – und weiß doch, dass jedes einzelne wahr sein könnte. Aus diesem Grund verliebe ich mich in sein Buch. Kaum etwas von dem, was er schreibt, kann er wissen, er hat mit dem bekannten Grundsatz gebrochen, nur von dem zu berichten, was man kennt, er ist mutig, verzettelt sich manchmal komplett – und ich bewundere ihn sehr dafür. Vielleicht kann man ihm vorwerfen, dass die Dialoge manchmal allzu amerikanisch klingen, dass sein Geliebter Führer merkwürdig verzerrt vermenschlicht wirkt, dass alle Ereignisse absolut verrückt sind, aber wenn man sich wie ich derart verloren hat in diesem herrlich absurden Buch, wird man es nicht tun. Er selbst sagt dazu richtigerweise: „Wir wissen erst dann, wie man einen Roman schreibt, der in Nordkorea spielt, wenn nordkoreanische Autoren endlich selbst ihre Geschichte erzählen dürfen.“

Das geraubte Leben des Waisen Jun Do hat mich überrumpelt. Wie ein engmaschiges Netz hat Adam Johnson seine Sätze und Buchstaben über mich geworfen, ich kann ihnen nicht entkommen und werde regelrecht überrannt von den fantastischen Geschehnissen rund um Pak Jun Do. Alles ist mir fremd, sein Land, seine Erziehung, sein Hunger, seine Hingabe. Der Vergleich eines Rezensenten der „Zeit“, Jun Do sei der nordkoreanische Forrest Gump, ist unglaublich passend – und ich bin ein überaus großer Fan von Forrest Gump. Dieser Roman ist trotz der Unfreiheit, die das Leben in Nordkorea beherrscht, ungezähmt und unbesiegbar, er zwingt mich nieder mit seiner Flut an Seiten, überraschenden Wendungen und nie gehörten Geschichten. Ich habe ihn verschlungen, es war ein Erlebnis und ein Abenteuer, das mich in jeder Hinsicht überwältig hat: Ich habe mich gefreut und geärgert, ich habe gelitten und geschmunzelt, habe meine Augen über die Zeilen fliegen lassen vor Ungeduld. Wer das Wagnis eingeht, dieses Buch zu lesen, sollte sich warm anziehen – und wird trotzdem schrecklich frieren auf seiner absonderlichen Reise durch ein weit entferntes, unheimliches Land, in dem Menschen unterdrückt werden und Glück vom Staat vorgeschrieben wird. Fulminant!

Durchgekaut und einverleibt. Von diesem Buch bleibt …
… fürs Auge:
cool, schön, ausgezeichnet!
… fürs Hirn: eine grandiose Lügengeschichte, die bis ins Detail wahr sein könnte, denn was wissen wir von Nordkorea?
… fürs Herz: die vielen kleinen herzergreifenden Einzelschicksale.
… fürs Gedächtnis: der gesamte Roman, der wirklich jenes Ereignis ist, als das er verdienterweise gefeiert wird.

Das geraubte Leben des Waisen Jun Do ist erschienen im Suhrkamp Verlag (ISBN 978-3-518-46425-0, 687 Seiten, 22,90 Euro). Hier gibt es eigene Verlagswebsite zum Buch, und hier findet ihr die lesenswerte Rezension aus der “Zeit”.

Für Gourmets: 5 Sterne

Diffenbaugh„The language of flowers is nonnegotiable“
„It means there’s only one definition, one meaning, for every flower“ – und Victoria kennt sie alle. Die 18-Jährige lebt nach einer Kindheit und Jugend, in der sie von einer Pflegefamilie zur nächsten geschubst und schließlich im Heim untergebracht wurde, obdachlos in einem Park. Dort pflanzt sie einen kleinen Garten, denn Blumen sind das Einzige, was sie liebt, Blumen sind ihr Weg, sich auszudrücken: „I had been loyal to nothing except the language of flowers.“ Die viktorianische Sprache der Blumen – honeysuckle for devotion, azaleas for passion, lavender for mistrust – hat ihr Elizabeth beigebracht, jene Frau, die Victorias Mutter hätte werden können, hätte Victoria damals vor vielen Jahren in ihrer kindlichen Verzweiflung nicht eine Katastrophe ausgelöst, unter der sie heute noch leidet. Es ist ihr größtes Glück, dass sie einen kleinen Aushilfsjob in einem Blumenladen ergattert, wo Renata Victorias Talent erkennt. Auf dem Blumenmarkt lernt sie Grant kennen, einen geheimnisvollen Mann, der zu Victorias großer Überraschung in der Sprache der Blumen mit ihr kommuniziert. Und es stellt sich heraus, dass Grant mehr mit Victorias Vergangenheit zu tun hat, als ihr lieb ist …

Ich habe The language of flowers von Vanessa Diffenbaugh durch Zufall in einer kleinen Buchhandlung in einer dunklen Ecke voller Spinnweben entdeckt – und musste es aus lauter Mitleid retten. Weder vom Roman noch von der Autorin hatte ich je gehört – und umso verblüffter war ich, als ich das Buch öffnete und Vanessa Diffenbaugh mich sofort umgarnte. Mit dem betörenden Duft von Rosen. Mit einer einsamen, vom Leben getretenen jungen Frau, die sich mit scheuem Blick in mein Herz geschlichen hat. Und mit einer spannenden, berührenden Geschichte voll mysteriöser Geheimnisse. Ich liebe an einem Buch das Besondere, ich will Informationen bekommen, die mir neu sind, ich will mit Seemannsgarn umwickelt, mit dem roten Faden gefesselt und mit einer präzisen, melodischen Sprache verführt werden. All dies tut Vanessa Diffenbaugh mir an, und ihre Sprache der Blumen, die uralte viktorianische Bedeutung einer jeden Pflanze, fasziniert mich völlig. Auf kluge Weise verwebt sie diese längst vergessene Art der Kommunikation mit den Geschehnissen in ihrem Buch, und wir sie Victoria die Möglichkeit gibt, durch Blumen zu sprechen, weil ein Leben ohne Liebe und Fürsorge sie verstummen hat lassen, ist ergreifend und schön.

Gegen Ende hin entgleitet der Autorin die Geschichte ab und zu ein wenig, sodass sie immer wieder in den Kitschtopf taucht. Aber das finde ich nicht weiter schlimm, im Gegenteil, ich hoffe so sehr auf ein Stückchen Glück für Victoria, dass ich alles andere gar nicht ertragen könnte. Auf dem Weg zu diesem Stückchen Glück muss Victoria so einiges durchmachen, was ich nicht erwartet hätte, und es ist natürlich ebenso klischeehaft wie logisch, dass sie jede helfende Hand, die ihr geboten wird, beißt. Es kostet die Menschen in ihrem Umfeld viel Kraft, zu Victoria durchzudringen, und ihr verlangt es noch mehr ab, dies zuzulassen. Sagen kann sie das nicht. Außer mit Blumen. The language of flowers ist ein Buch mit Herzblut, eine Hommage an die Schönheit der Blumen und an die Liebe.

Durchgekaut und einverleibt. Von diesem Buch bleibt …
… fürs Auge:
das Cover ist okay, es hat mich zumindest dazu bewogen, das Buch mitzunehmen.
… fürs Hirn: die typische Geschichte eines Heimkinds mit vielen originellen Facetten.
… fürs Herz: sehr berührend ist, dass Victoria in einem winzigen Kämmerchen lebt, in das nicht einmal ein Bett passt und das trotzdem ein Zuhause für sie ist.
… fürs Gedächtnis: das interessante Wissen um die verloren gegangene viktorianische Sprache der Blumen. Wie aufregend muss es gewesen sein, Botschaften zu verschicken, ohne ein Wort zu sagen …

The language of flowers von Vanessa Diffenbaugh ist auf Deutsch unter dem Titel Die verborgene Sprache der Blumen erschienen.