„Sie verfügte über eine neue Macht, wo doch ihr ganzes Wesen – als Frau, als Arme – sie von jeher zur Unterdrückung verurteilt hatte“
Um dieser Unterdrückung zu entgehen, beschließt Sarah, reich zu heiraten. Sie lebt im Armenviertel von Casablanca, doch das darf niemand wissen. Zu Fuß geht sie zwei Stunden zum Gymnasium und zurück, wenn ihr das Geld für ein Taxi fehlt. Dieses Geld kann sie nur von Jungs bekommen, die sie dafür küssen muss oder ein bisschen mehr. Dafür erhält sie Zuwendung und Essen, so funktioniert nun einmal der Austausch. Sarah ist Anfang zwanzig und hübsch, Driss dagegen ist in den Augen aller hässlich – aber reich. Deshalb hat Sarah ihn zum zukünftigen Ehemann auserkoren und setzt alles daran, seine Freundin zu werden.
„Jungs, die lieben, möchten von solchen Dingen nichts wissen, Sarah kannte das schon; sie wollen beschwingt lieben, so wie man eine Blume liebt; und so können sie monatelang lieben, solange sie nichts von den Wurzeln wissen, von der Rückseite der Haut und dem Staub.“
Wie Sarah sich verbiegt, wie Sarah rechnet und aufwiegt, wie sie diesen Handel betreibt von sexuellen Handlungen gegen ein Mittagessen, verfolgt Abigail Assor, selbst in Casablanca geboren, sehr aufmerksam. Ihre Protagonistin ist ein Opfer des Systems, in doppeltem Sinne: Als unverheiratete Frau hat sie im muslimischen Casablanca keinen Stellenwert, darf nicht einmal ein Restaurant betreten, und weil sie arm ist, fehlen ihr die Perspektiven. Sie will nicht enden wie ihre Mutter, die von Männern ausgenutzt und brutal verprügelt wird, und doch tut sich eine Wand vor ihr auf, die unüberwindbar scheint. Denn die Gesellschaft kann nicht zulassen, dass Mädchen wie sie es „nach oben“ schaffen, gehören sie doch der allgemeinen Meinung nach in den Dreck. Das alles ist recht blumig und pathetisch beschrieben, mir persönlich ist der Teil, in dem Sarah täglich auf Kosten von Driss isst, um einiges zu lang, im Endeffekt hat das Buch aber zwei Stärken: zum einen die ungewöhnliche, hitzige Kulisse von Casablanca, die Abigail Assor aufleben lässt, zum anderen die klare Darstellung einer ungeschönten Wahrheit. Dass Frauen im Patriarchat die Verliererinnen sind, in jeder Hinsicht.
So reich wie der König von Abigail Assor ist erschienen bei Insel (Suhrkamp).