“Ich verdiene mein Geld mit Worten, ich traue ihnen nicht”
“Wohin du auch ziehst/ich höre, wie die Flügel schlagen/im Sturzflug schlagen/Ich bin sprachlos/weil du neben mir aufgeschlagen bist/weil deine Wimpern/Rippen winziger zerbrechlicher Tiere sind.”
So ist Das Lieblingsspiel: voll unergründlicher Sprachbilder, poetisch, wirr, opulent. Die Geschichte nachzuerzählen, ist beinahe unmöglich, denn einen Faden gibt es nicht, weder in Rot noch in einer anderen Farbe. Der Protagonist ist Lawrence Breavman, Sohn reicher Juden, der sich als empfindsamen Dichter sieht. In New York lernt er Shell kennen, er verliebt sich. Ihr erzählt er von allen Frauen zuvor, von den Mädchen, mit denen er heranwuchs, von ersten Küssen und sexuellen Erlebnissen. Lisa, Tamara, Bertha – sie kamen und gingen. Wird Shell bleiben? Wird Breavman bei Shell bleiben? Es ist unklar, er hängt in seinem eigenen Leben in der Luft. Mit seinem Freund Krantz führt er tiefsinnige, absurde Dialoge, sie geilen sich auf an ihren eigenen Worten, sie wären so gern etwas Besonderes.
“Du weißt ja, Breavman, dass du die Stadt nicht durch dein Leiden erlösen musst.”
“Oh doch, das muss ich. Kannst du mich nicht sehen, gekreuzigt auf dem Mount Royal, an einem Ahornbaum? Es geht schon los mit den Wundern.”
Leonard Cohen ist ein Meister, seine Musik, so heißt es, wird abends in guten Wohnzimmern gespielt. Das Lieblingsspiel ist sein autobiografisch angehauchter Debütroman, erschienen 1963 und jetzt neu übersetzt, er gilt als einer der zehn besten kanadischen Romane des 20. Jahrhunderts. Cohen ist einer, der mit der Sprache spielt, der sie verdreht und bis in ihr Innerstes schaut. Ob das alles Sinn ergibt, ob es verständlich ist – das kümmert ihn nicht. Und so entstehen unnachahmliche Formulierungen wie “Bäume, so zerbrechlich wie die Läufe horchender Rehe” oder “Sie schloss die Augen vor Sehnsucht (…) nach einem Menschen, der sie in ihre eigene Haut zurückstecken würde”. Um in meinen Augen als Roman zu bestehen, dazu hat Das Lieblingsspiel zu wenig Struktur. Ich frage mich mehr als einmal, ob das noch genial oder schon wahnsinnig ist. Cohen wechselt in der Zeit und in der Perspektive (und nein, ich werde das nie leiden können), er lässt nicht zu, dass man ihm folgen kann. Somit ist dieses Buch eine Sammlung von Stimmungen und Gedanken, von Ideen und Gefühlen – und vor allem ein Beweis eines großen Sprachtalents.
“Was die Körper betrifft, die Breavman abhanden gekommen sind – kein Detektiv wird sie finden. Er hat sie im Zustand höchster, vollkommener Schönheit aus den Augen verloren. Es sind:
eine Ratte
ein Frosch
ein schlafendes Mädchen
ein Mann auf einem Berg
der Mond”
Was das bedeuten soll? Ich habe keine Ahnung. Aber es klingt so schön.