Bücherwurmloch

Dizz Tate: Wir, wir, wir

„Männer waren uns egal, und wir glaubten nicht an Wunder“

„Wir wissen, welche Mütter beten, welche Mütter niederträchtig reagieren, welche Mütter schon in Tränen ausgebrochen sind und welche Mütter zu viele Fragen stellen. Wir kennen alle Sorten von Müttern.“ 

Zwei Dinge sind wahr: Ich habe dieses Buch nicht verstanden. Und zwar wirklich überhaupt nicht. Ich habe es trotzdem sehr gemocht. Es ist ein bisschen wie bei einem komischen Indie-Film, an dessen Ende man denkt: Hä? Aber auch: Geil. So ist es mir mit „Wir, wir, wir“ ergangen, das schon mal einen großen Stein in meinem Lesebrett hatte, weil ich die erste Form Plural als Erzählform faszinierend finde – und der Titel verrät schon, dass das hier zumindest in einigen Kapiteln der Fall ist. Dieses Wir hat immer eine konspirative Wirkung, zieht mich als Lesende auf die Seite der Erzählenden, schließt mich ein, als wäre ich auch dabei, wenn nach Sammy gesucht wird, die verschwunden ist. Und wer sich an meinen Rant über das Narrativ der toten Mädchen erinnert, kann sich gut vorstellen, dass ich anfangs dachte: Na bitte, nicht schon wieder. Dann ist zwar vieles ähnlich, aber das meiste ganz anders. Eine Gruppe 13-jähriger Mädchen hat eine Obsession für die minimal ältere Sammy entwickelt, die plötzlich nicht mehr nachhause kommt, und sie erzählen später auch aus Erwachsenensicht. Da hab ich noch geglaubt: Gut, am Ende löst sich das auf. Tut es auch und gleichzeitig nicht. An einem gewissen Punkt gibt es einen Stein mit Zähnen. Und wenn ihr das verwirrend findet: fragt mich mal.

Dizz Tate hat bisher Kurzgeschichten veröffentlicht, dies ist ihr erster Roman, übersetzt von Heike Reissig. Er ist sprachgewaltig und schräg und einmalig, irgendwie klebrig und sehr nebulös. Auf Instagram haben mir andere Lesende geschrieben, dass sie ihn ebenfalls nicht verstanden haben, und das hat mich ein wenig getröstet – dass sie ihn aber trotzdem, wie ich, sehr gut fanden. Vielleicht könnt ihr ihn ja lesen und mir hinterher erklären, was das alles soll. Und warum es bei aller Seltsamkeit diese aufwühlende, nachhallende Wirkung hat.

„Wir wissen natürlich, wo Sammy ist. Wir wissen immer, wo Sammy ist.“

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