Bücherwurmloch

Teresa Reichl: Muss ich das gelesen haben? Was in unseren Bücherregalen und auf Literaturlisten steht – und wie wir das jetzt ändern

„So wirklich selbst ausgedacht hat Goethe sich die Geschichte nicht“

Es gibt halt so Bücher, die werden gelesen, weil sie auf dem Kanon stehen, und sie stehen auf dem Kanon, weil … ja, warum eigentlich? Teresa Reichl hat diese Frage schon während ihrer Schulzeit gestellt, aber eine Antwort hat sie darauf nie so richtig bekommen. Kein Wunder, will sich doch niemand mit den Hintergründen und der Misogynie des gesamten Schulsystems auseinandersetzen. Genau das macht die studierte Germanistin aber mit diesem Buch, das so naheliegende Fragen thematisiert wie: Warum lesen wir eigentlich? Who the fuck is Faust? Was fehlt in den Literaturlisten? Wie können wir diese jahrhundertealte Misere endlich überwinden? Was ist mit queerer Literatur, mit BiPoC Autor:innen und all den Geschichten, die uns vorenthalten werden?

Ich mag Teresas Zugang und dass sie mit der Art und Weise, wie sie sich Literatur nähert, vor allem für Jugendliche eine Zugänglichkeit schafft, die es sonst so gut wie nie gibt. Die jungen Menschen sind es, die wir erreichen und erneut fürs Lesen begeistern müssen – dass sie nicht lesen wollen, das stimmt überhaupt nicht. Eher sollten wir uns anschauen, WAS genau sie nicht lesen wollen und wieso nicht. Und ob die Kritik, die sie üben, vielleicht berechtigt ist, und ob die Unlust, die sie spüren, vielleicht nachvollziehbar ist. Lesen und Interpretieren und Über-Literatur-Sprechen wird stets als etwas vermittelt, das nur wenige können und dürfen, intellektuelle Leute, die im Elfenbeinturm sitzen, und das ist ein Problem. Diese Deutungshoheit gehört meiner Meinung nach abgeschafft, und ich liebe es, dass Teresa Reichl einen Beitrag dazu leistet. Wie es mir in meiner Schulzeit mit meiner Deutschlehrerin ergangen ist, habe ich an anderer Stelle schon erzählt – sollten sich hier als Deutschlehrer:innen befinden, schaut euch dieses Buch genauer an. Sprecht mit euren Schüler:innen darüber. Und vor allem: hört ihnen zu.

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