„Das Patriarchat war schon immer halbwegs einfallsreich darin, mannigfaltige Erklärungen dafür zu finden, warum das Kümmern eine weibliche Aufgabe sein solle“
„Die drei in diesem Buch beschriebenen Figuren sind historisch gewachsen. (…) Sie liefern das Fundament dafür, dass Frauen schlechter bezahlt werden und wie selbstverständlich die Drecksarbeit machen, dass sie zugleich als sexuell vulnerabel und verfügbar gelten, dass ihnen weiterhin weniger Kompetenz und Mündigkeit zugestanden wird.“
Diese drei Figuren sind Ann-Kristin Tlusty zufolge die sanfte, die süße und die zarte Frau. Die sanfte Frau ist die gebende, niemals fordernde Frau. Sie kümmert sich, sie erledigt still die ihr auferlegten Arbeiten, und das sind viele. Sie ist die hinterherwischende Frau, deren Arbeit für selbstverständlich gehalten und ständig abgewertet wird. Die süße Frau ist die sexuell aktive und gefügige Frau, die oft zumindest nur halb gewollten Sex hat (den ich gern Cat Person Sex nenne) und deren Konsens die Antwort auf sämtliche sexualpolitische Fragen sein soll. Die zarte Frau dagegen ist harmlos und abhängig, lieblich und ein bisschen hilflos. Sie ist die zentrale Figur Tausender RomComs und Liebesromane, kurz gesagt die Frau, die vom Mann gerettet werden muss.
Was ich sehr spannend finde: wie junge Frauen feministische Themen wahrnehmen und einordnen. Ann-Kristin Tlusty ist 1994 geboren, zehn Jahre später als ich, sie hat also einen großen Vorsprung mir gegenüber. Ihr Buch zu lesen, war insofern interessant, weil ich über alle diese Informationen bereits verfüge – sie von ihr aber auf sehr reflektierte und gut aufgeschlüsselte Weise aufbereitet worden sind. Ich halte ihr Buch deshalb für außerordentlich wichtig, es ist klug, voller Wut, aber auch Weitblick, mit den Fakten, die man oft genug für Diskussionen benötigt. Hier stehen sie drin, und sie sind so eingebettet, dass wirklich jeder sie verstehen und verarbeiten kann. Nicht zuletzt deshalb ist „Süß“ natürlich ein Buch, das Männer lesen sollten. Aber in erster Linie richtet es sich an Frauen. Denn wie hat meine Lektorin letztens zu mir gesagt? „Vergiss die Männer. Die Veränderung muss von den Frauen ausgehen.“ Und ich denke, da hat sie Recht.
„Wir werden weder das Problem ungleich verteilter Sorgearbeit lösen noch unsere Sexualität befreien oder allen Menschen gleichermaßen viel Mündigkeit zutrauen können, wenn wir unsere Gesellschaft nicht fundamental verändern.“
Süß. Eine feministische Kritik von Ann-Kristin Tlusty ist erschienen bei Hanser.