„Man musste kein Psychologe sein, um zu wissen, dass so einer wie der Krutzler keine komplizierte Psyche hatte, weil er gar kein Interesse hatte, eine solche zu entwickeln“
Trotzdem ist rund um den Krutzler alles kompliziert: seine Karriere als Kleinkrimineller zum Beispiel, abrupt unterbrochen von den Nazis, die ihn ins KZ abtransportieren. Wo einer wie der Krutzler aber erst zu seiner wahren Form findet – die er später perfektioniert. Mit dem besonderen Talent für Notwehr etwa, das er hat: Ständig bringt er jemanden um und kommt damit davon. Zu viert wollen der Krutzler, der Wessely, der Sikora und der Praschak sich Wien aufteilen, schon vor dem Krieg, und nachher erst recht. Das gelingt ihnen auch, aber die Sache ist, siehe oben, kompliziert.
„Aber wie sollte man jemanden vor seinem Schicksal bewahren? Das war unnatürlich und fiel auch nicht in seine Zuständigkeit. Jeder musste seine eigene Geschichte fertig erzählen.“
David Schalko ist in Österreicher so etwas wie ein Nationalheld: Verehrt wird er für großartiges Fernsehen wie „Altes Geld“ und „Die Aufschneider“. Böse ist das, was er macht, makaber und schwarz – und göttlich. Das gilt auch für diesen Roman, bei dem ich mir mehr als einmal gedacht hab: Kann der/die Deutsche das überhaupt verstehen? Sprachlich ja, aber so von der Seele her? Es geht dabei nicht nur um die Austriazismen, es geht um den tiefschwingenden Humor, das verschmitzte Lächeln, in dem so viel Herz mitschwingt, dass sogar vom Konzentrationslager erzählt werden kann. Wenn einer das so ehrlich, so ergreifend und dabei so schonungslos darf, dann der Schalko. Das Buch kommt fast zur Gänze ohne direkte Rede aus, alles wird im Konjunktiv erzählt, dieses Fragende, Vage, nicht auf den Punkt zu Bringende hat wiederum selbst etwas arg Österreichisches. Und was dieser Roman auch hat: viel zu viele Seiten. Mit fast 600 ist er einfach zu dick. Das sag ich nicht, weil ich ungern schwere Schinken lese, sondern weil die Geschichte an mehr als einer Stelle ausfasert und verschlankt hätte werden müssen: 150 Seiten weniger hätten es auch getan. So aber gibt es einige Hänger, und das ist schade. Weil ich mich ganz unsterblich in „Schwere Knochen“ verliebt hab (sonst hätt ich die vielen Seiten ja auch nicht gelesen) und es ein wahres Highlight für mich ist. Nicht nur sprachlich, auch von der Seele her.
Schwere Knochen von David Schalko ist erschienen bei Kiepenheuer & Witsch.