Bücherwurmloch

Hannes Köhler: Götterfunken

„Es sah so aus, als ob diese Jungs wirklich in den Krieg ziehen wollten“
Toni, der Spanier, Germain, der Franzose, und Jürgen, der Alemán: Diese drei jungen Männer sind in den 1970er-Jahren in Barcelona Teil einer anarchistischen Gruppe, die gegen das faschistische Franco-Regime kämpft. Doch beim Anschlag auf ein Luxus-Kaufhaus geht so einiges schief, und Toni landet im Gefängnis. Jahrzehnte später meint er den Alemán auf der Hochzeit seiner Tochter zu sehen – ausgerechnet den Mann, den er für den Verräter hält. Ist er es wirklich? Und hat er ihn damals ans Messer geliefert?

Multiperspektivisch und herausfordernd ist Hannes Köhlers neuer Roman. Der deutsche Autor, der mich bereits mit „In Spuren“ und „Ein mögliches Leben“ beeindruckt hat, hat gewaltige Recherchearbeit geleistet: Er präsentiert in diesem Buch ein Stück spanischer und europäischer Geschichte, das bis heute seine Auswirkungen hat. Unglaublich viele Namen, Zeiten und Ortswechsel halten mich anfangs gewaltig auf Trab, aber Hannes schreibt so gut, dass ich ihm das verzeihe, viel mehr noch: dass ich es richtig gerne lese, immer wieder zurückblättere, um alles einordnen zu können, und trotz manchmal auftretender Verwirrung sofort Feuer und Flamme bin. Toni berichtet selbst, Jürgen wird durch seinen Sohn Jonas erzählt, der seine Frau verloren hat, und Germain durch seine Frau Catherine, die in den Revoluzzer-Zeiten bereits an seiner Seite war. Das finde ich klug gemacht und raffiniert konstruiert, mit ausreichend Geduld findet man in dieses Geflecht aus Figuren, Stimmungen, Unterstellungen und Ereignissen hinein, das sich wie ein Netz ausbreitet – und am Ende zeigt sich, wer durch welche Masche geschlüpft ist.

Dies ist ein Roman, den man sich durch seinen historischen und politischen Kontext erarbeiten muss, und diese Arbeit lohnt sich: nicht nur, weil man so einiges dabei lernt, sondern auch, weil das Buch ein großer Lesegenuss ist, stilistisch und formell absolut sicher. Nicht zuletzt ist das ein Titel, der in meinen Augen als Schullektüre taugen würde: Nicht viele Autor:innen sind in der Lage, belegbare Fakten derart lesenswert aufzubereiten und in eine fiktive Story zu verweben. Well done!

Götterfunken von Hannes Köhler ist erschienen bei Ullstein.

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