Bücherwurmloch

Charlotte McConaghy: Zugvögel

„Sie erinnern sich nur wieder daran, wie es ist, ein Lebewesen zu lieben, das kein Mensch ist“

„Und wie kommst du wieder zurück?“
„Zurück wohin?“
„Nach Galway. In dein Leben. Ist das nicht dort?“
Ich weiß nicht, was ich darauf antworten soll. Eigentlich hätte ich gedacht, mein Leben sei genau hier, bei mir.

Und so verhält sie sich auch: Franny ist eigenwillig, unabhängig, wie ein ungezähmter Fuchs. Sie hat schon als Kind stets den Drang verspürt, einfach loszugehen, weiterzuwandern, nie an einem Ort zu bleiben. Und am liebsten ist sie am Meer. Nein, nicht nur am Meer, sondern im Meer, im Wasser, in der Kälte. Das ist ihr Element. Umso passender, dass Franny sich auf dem Weg in die Antarktis befindet, sie folgt den letzten noch lebenden Küstenseeschwalben. Auf einem Schiff, das sie nicht mitnehmen wollte und das gar nicht mehr in diesen Gewässern fahren darf, hat sie nichts anderes im Kopf als diese wunderschönen Vögel, die ihrem eigenen Aussterben nicht entkommen können – denn der Mensch hat schon so gut wie alle Tiere ausgerottet. Franny ist auf der Reise, auch in die eigene Vergangenheit: Warum war sie im Gefängnis? Wo ist ihr Mann, dem sie Briefe schreibt, der sie und ihre Wanderfüße aber nicht halten konnte? Und was ist mit ihrem Kind geschehen?

Charlotte McConaghy hat den wohl berührendsten Roman dieses Bücherherbsts geschrieben: Ich habe geweint. Und zwar nicht nur ein bisschen. Am Ende der Lektüre war ich tränenüberströmt. Nicht nur wegen der traurigen Ereignisse im Leben der Protagonistin, sondern auch wegen der schrecklich trostlosen Lage der Tiere, die in diesem Buch bereits Realität ist – und es auch bald wirklich sein könnte. Es geht um Umweltschutz in Zugvögel, um die Schönheit der Natur und die Grausamkeit der Menschen, es geht um eine mutige, sture Frau und ihre Weigerung, so zu sein wie alle anderen, es geht um Zusammenhalt innerhalb einer Crew und vor allem geht es um die Liebe. Ich habe sogar jetzt, während ich diese Zeilen schreibe, wieder eine Gänsehaut. Zugvögel hat mich richtig unerwartet erwischt, ich mochte alles daran: den Ton, das Raue, Kalte, die Cliffhanger, das perfekt gewebte Ende, die Sprache. Großartig und unbedingt lesenswert!

Zugvögel von Charlotte McConaghy ist erschienen bei S. Fischer.

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