Bücherwurmloch

Gertraud Klemm: Muttergehäuse

„Ich freue mich mit der Freundin, sage ich mir, ich freue mich mit der Freundin, und schon hat die Freundin das Kind und ich habe Verständnis“

Sie möchten ein Kind, und es kommt nicht. Sie möchten ein Kind, und sie versuchen, eins zu kriegen, sie ernähren sich gesund, machen Sport, gehen zum Arzt, nehmen Tabletten. Die Beziehung leidet darunter ebenso wie die Freundschaften – denn alle anderen sind fruchtbar. Alle anderen wissen es besser. Man ist falsch, wenn man kein Kind bekommen kann, man hat keine Berechtigung.

„Heimlich sammle ich Fehlgeburten. Ich weiß, dass es grundfalsch ist, sich am Unglück anderer zu weiden. Dass der Biss ins Leere geht. Und dass der Schmerz dadurch nicht kleiner wird, weiß ich auch. Das ist mir wurscht.“

In einem bissigen Ton erzählt Gertraud Klemm im ersten Teil von dem Versuch, schwanger zu werden. Lakonisch und bitter ist dieses Beschreiben des Teufelskreises, in dem man steckt – vor allem natürlich als Frau. Sarkasmus und das Elend der Wahrheit gehen dabei Hand in Hand.

„Ich sehe Kindern zu, wie sie ihre Eltern beim täglichen Einander-Hassen beobachten. Ich sehe Kindern beim Traumatisiert-Werden zu. Das ist alles zulässig, denn diese Leute haben ein Recht darauf, ihre Kinder zu zerstören, weil sie sie geschaffen haben.“

Da die gewünschte Schwangerschaft sich nicht einstellt, beschließt das Ehepaar, ein Kind zu adoptieren. Davon handelt der zweite Teil von Muttergehäuse. Und es hagelt weiterhin in Zynismus verpackte Erkenntnisse über die Art, wie Eltern mit ihren Kindern umgehen – und wie sie mit anderen Eltern umgehen. Über die Bosheiten, die sie einander sagen – offen und unterschwellig. Über die Urteile, die sie fällen, wenn eine Familie nicht so ist, wie die Norm es vorgibt. Und was ist schon die Norm? Wer hat das Recht, sie festzulegen, wo ihr doch ohnehin niemand entspricht?

„Es ist immer eine bessere, fürsorglichere, aufopferungsbereitere Mutter in Hörweite.“

Was ich schön an diesem Buch finde: Auch als das Kind dann da ist, als es ein Kind gibt im Leben der Frau, die dadurch Mutter wird, ändert sich der Ton nicht. Sie wird nicht weich, sie wird nicht anders. Sie hat nach wie vor ihren scharfen Blick, ihre Bosheit.

„Ich bin jetzt auch so eine Mutter. Diemütter haben zwei Beine, vier Räder und große Taschen. Diemütter haben Brüste dabei, oder geben sonstwie Milch. Diemütter vergleichen die Rückbildung der Mutterorgane, und manches wird nicht wieder gut. Diemütter sein heißt: Tage enden nicht. Diemütter reden immer über dasselbe.“

Muttergehäuse ist ein entlarvendes, fieses Buch, das nicht mit Klischees aufräumt, wie sollte es das, sondern vielmehr all diese Klischees beschreibt, zum Thema macht, untersucht, ausbreitet. Nichts wird dadurch besser, nichts kann sich dadurch ändern. Es ist nicht lustig, das zu lesen, es tut zu weh. Dies ist ein Buch, das man lesen sollte, bevor man Mutter wird, das man aber erst verstehen kann, wenn man Mutter ist.

Muttergehäuse von Gertraud Klemm ist erschienen bei Kremayr & Scheriau (ISBN 978-3-218-01023-8, 160 Seiten, 19,90 Euro).

 

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