Taiye Selasi: Ghana must go
Welt-Bestseller! Was wurde nicht schon alles über dieses Buch geschrieben. Weil: Afrika. Weil: Migration. Weil: amerikanischer Traum und so. Mich hat es völlig erdrückt und angestrengt. Diese Traurigkeit. Diese unglaubliche, wahnsinnige, alles zerfressende Traurigkeit. Eine Welle der Traurigkeit, die hin und her schwappt, über mir zusammenschlägt, mein Gott, ich, die melancholische Bücher liebt, ich konnte nicht mehr atmen.
… as if for a moment she’d ceased to exist: some new odd sort of sadness, part grief, part compassion, a helium sadness, too airless to bear.
Der Roman handelt von einer sechsköpfigen Familie, im ersten Teil stirbt der Vater Kweku Sai. Sehr lange stirbt er vor sich hin, dann ist er tot, und die anderen kommen zur Beerdigung, kommen nach Ghana, wo die Kinder (bis auf eine Ausnahme) noch nie waren: Olu, Taiwo, Kehinde, Sadie und Ex-Frau Fola. Keiner von ihnen hat überwunden, was geschehen ist, als Kweku die Familie verlassen hat. Jeder von ihnen kreist um sich selbst, um seine eigene Trauer, um die Gründe, aus denen die Beziehung zu den Geschwistern nicht funktioniert. Sie sind alle zerbrochen, die Familie als Ganzes und jeder als Einzelner. Das Buch ist eine Innenlebenstudie mal sechs, mit einer fast schon perversen Gefühlsgenauigkeit. Allen sechs Figuren geht es schlecht, sie haben einander und haben sich doch nicht, sie lieben ins Leere, alles schmerzt und nichts verheilt, es ist überaus deprimierend. Mir war das schlicht und ergreifend too much sadness.
Nicola Karlsson: Tessa
Tessa hat ein Problem: Sie trinkt. Sie nimmt außerdem Kokain und lässt sich, weil sie sich im Rausch nicht wehren kann, fast schon regelmäßig vergewaltigen. Eigentlich hat Tessa einen Freund namens Niki, aber die Beziehung ist krank und verzerrt, was an Tessas extremen Selbstzweifeln und ihrem irrationalen Verhalten liegt. Sie treibt Niki in den Wahnsinn, will seine Anerkennung, stößt ihn fort, sucht seine Nähe, schreit ihn an, schmeißt ihn raus, nur um ihm dann wieder nachzuweinen … Tessas einziger Lebensinhalt ist sie selbst, sie hat kein Geld und keine Jobs, sie rutscht immer weiter ab, verrennt sich in irgendeinen Scheiß. Ich aber frage mich: Woher kommt das? Was ist passiert? Von einer schlimmen Kindheit ist keine Rede, von anderen Traumata auch nicht, von gar keinem möglichen Grund. Die Autorin bietet mir keine Erklärung für den Hieb ihrer Protagonistin. Whatever happend? Und wohin soll das führen? Einen Weg, einen Konflikthöhepunkt, eine Lösung gibt es ebenfalls nicht. Das gesamte Buch läuft nach Schema F ab: Tessa wacht auf, hat einen schlimmen Kater, ihr ist schwarz vor Augen, der Geschmack in ihrem Mund ist pelzig (wie sonst), sie schwört sich, nie wieder zu saufen, dann treibt sie es zum Beispiel mit einem verheirateten Kerl, der nicht sofort nach dem Sex seine Frau verlässt, deshalb muss sie leider ausflippen und wieder trinken, und alles beginnt von vorn. Joah. Hätte nach dreimal schon gereicht, geht aber permanent weiter. Dieses Porträt zeigt eine erschreckende Abwärtsschleife, es kann als Warnung dienen, die Story an sich ist völlig sinnlos.
Macht wieder Spaß.
Wie schmeckt denn “pelzig”? Nach Bisamratte oder muss ich mir ein Schublade ganz weit unten dafür aufmachen?
I dont’ f… know! Anscheinend hat man, wenn man mit einem Kater aufwacht, einen pelzigen Geschmack im Mund? Kannst du das bestätigen?