Eine schräge Geschichte mit dem Holocaust im Hintergrund
Darf man genervt sein, wenn der Vater vom KZ erzählt, wenn er weint, wenn er keine Geduld hat für die Probleme seiner Kinder? Das ist die unerwartete Frage, die ich mir zu Beginn des Romans Die Tochter der Niederländerin Jessica Durlacher stelle. Denn ihr Protagonist Max hat die Geschichte satt, die sein Vater mit sich herumschleppt, sein eigenes Mitleid erstickt ihn, er möchte nichts damit zu tun haben. Das ist jedoch nicht so einfach, schon gar nicht, als Sabine in sein Leben tritt, die von der Vergangenheit ihrer und seiner Familie regelrecht besessen ist. Zwischen den beiden ist es alles andere als Liebe auf den ersten Blick, aber Liebe ist es dennoch – sie ziehen sogar zusammen. Max ist glücklich und verliebt. Und dann verschwindet Sabine spurlos.
15 Jahre später hat Max immer noch nicht verwunden, dass Sabine ihn von einem Tag auf den anderen verlassen hat, er hadert damit und kann kaum ernsthafte Beziehungen führen. Doch das Leben wäre nicht das Leben und dieser Roman kaum so spannend, würden sich die Wege von Max und Sabine nicht noch einmal kreuzen. Sie tun es auf überraschende und irritierende Weise – mehr soll nicht verraten werden. Dies ist eine merkwürdige, sehr fesselnde Geschichte, die aufbaut auf den Gräuel der Nazis, von denen die Jungen sich lösen wollen und es doch nicht können. Es geht um Schuld, um Vergangenheitsbewältigung, um Liebe, um Vergebung.
Jessica Durlacher schlägt in Die Tochter einen sehr zynischen, fast schon aggressiven Ton an. Sie schreibt gehetzt, sie treibt den Leser durch die Ereignisse und macht es ihm beinahe unmöglich, das Buch zur Seite zu legen. Sie lässt ihre Figuren leiden, wütend sein, sehr realistisch leben – mit all ihrem Grant und ihrer Verständnislosigkeit für längst Vergangenes. Man muss Max nicht immer sympathisch finden, genauso wenig wie Sabine. Alle gehen in diesem Buch recht grob miteinander um, es fließen viele Tränen. Die Auflösung ist schlüssig, ab einem gewissen Punkt aber recht vorhersehbar. Alles in allem ist Die Tochter ein gut geschriebener, fesselnder Roman, dem der Zweite Weltkrieg als roter Faden dient – auch nach so vielen Jahren.
lieber bücherwurm,
eine perle, dein blog, die mir bisher verborgen blieb… ich freue mich, daß ich ihn endlich mal gefunden habe. Ich habe mir jetzt ein paar deiner schönen besprechungen durchgelesen und will dir bei diesem buch, das sicher nicht allzu häufig gelesen worden ist (das du bei mir aber auch findest), einen ganz lieben gruß hinterlassen.
lg
fs