Kein gutes Buch
“Was mir fehlte, war eine Aussicht, die Überzeugung, dass ich für etwas gebraucht wurde, das Gefühl, dass noch etwas für mich vorgesehen war, dass es ein Leben gab, in das ich gehörte.” Der Deutsche Tom lebt in Philadelphia. Seine Mutter ist Amerikanerin, die auf einer Europareise in Deutschland hängen blieb – und dann sehnsüchtig den Tod der Schwiegermutter erwartete, um in die USA zurückzukehren. Tom arbeitet sporadisch für eine Zeitung, gerade beschäftigt er sich mit den Selbstmorden junger Frauen. Maria, eine Freundin aus Kindertagen, in die Tom einst verliebt war, kommt ihn besuchen, kehrt aber nach einiger Zeit zu ihrem Freund, dem brutalen Schnitzer, zurück. Tom zieht daraufhin unvermittelt mit seiner Nachbarin Terry in einen Vorort. Terry ist Lehrerin und wurde von einem Schüler attackiert; das Haus im Vorort hat sie von ihrer Mutter geerbt. Dort sitzt Tom nun ohne Auto fest und die Perspektiven für seine Zukunft schwinden. Unglücklich ist auch die Deutsche Christiane, die in ihrer neuen Schule wie eine Gefangene gehalten wird und eigentlich nur nach hause will.
Kein fremdes Land ergibt – auf den Punkt gebracht – keinen Sinn. Die Handlungsweise der Figuren ist nicht nachzuvollziehen, die Ereignisse hängen kaum zusammen, ich kenne mich, ich muss es gestehen, teilweise überhaupt nicht aus. Was will Maria von Tom, warum kommt sie nach Philadelphia, warum verschwindet sie wieder? Keine Ahnung. Wie gehören Tom und Terry (ein Schelm, wer jetzt an eine Zeichentrickserie denkt) zusammen? Man weiß es nicht: “Seid ihr ein schönes Paar, Terry und du? Ich zuckte mit den Schultern. Paar ist vielleicht übertrieben.” Die beiden kennen sich eigentlich gar nicht – es ist nicht einmal klar, ob sie sich überhaupt mögen. Was hat es mit den Selbstmorden auf sich? Tom treibt sich in den Häusern herum, von denen jemand gesprungen ist, findet aber nie etwas heraus, forscht im Prinzip auch gar nicht richtig nach. Was soll das, wieso gibt es in diesem Punkt keine Auflösung? Und wie passt die junge Christiane in dieses Buch, deren Alltag wie ein Leben im Gefängnis geschildert wird, obwohl sie jeden Tag mittags nach hause gehen kann? Fragen über Fragen – und keine Antworten. Alles in diesem Roman wirkt überzogen dramatisch – obwohl im Grunde gar nichts geschieht. Ich kann mit Kein fremdes Land nichts anfangen und wundere mich, dass Ricarda Junge eine hochgelobte Nachwuchsschriftstellerin ist, denn auch stilistisch ist dieses Buch in meinen Augen nicht überragend. Zu vernachlässigen!