Zwei Schwestern und die Gefahren des Lebens
“I’m Kate, muimui, little sister. I’m not supposed to have my own secrets, my own needs, my own desires. I’m supposed to be swamped with hers. There’s not enough room for both of us.” Die stille Kate ist 13 und steht im Schatten ihrer promiskuitiven 15-jährigen Schwester Frankie, sie ist die Hüterin von Frankies Geheimnissen. Während der Vater als Kriegsfotograf in Vietnam die Gräuel des Todes festhält, leben Kate und Frankie mit ihrer Mutter in Hongkong zur Zeit von Mao. Sie geraten bei einem Aufstand selbst in die Schusslinie, was jedoch keiner bemerkt. Kate zerbricht fast an der Last auf ihrer Seele, über die sie mit niemandem sprechen kann, mit ihren Eltern nicht, auch nicht mit dem stummen Jungen, in den sie verliebt ist, und schon gar nicht mit der egozentrischen Frankie, die stets um Aufmerksamkeit buhlt: “More crucial, do we love Frankie? Do we love her enough? Can we? Do I? Does my father? My mother? She isn’t sure. That’s why she throws herself at men: George, my father’s friends. That’s why she runs after the Red Guards. She wants to see if we can stop her.” Je exhibitionistischer sich Frankie verhält, umso verschlossener wird Kate. Und während die Mutter ahnungslos ihre Landschaftsbilder malt, steuert die Familie auf eine Katastrophe zu …
Gwaimui, white ghost girls, nennt die Haushälterin Ah Bing die ungleichen Schwestern. In dieser Bezeichnung schwingt das Unheilvolle mit, das diesen Roman auszeichnet, das Traurige, Tragische. In einer sehr reduzierten Sprache erzählt Alice Greenway von einem Mädchen, das sich bewusst der Gefahr aussetzt, um etwas zu fühlen, um gerettet zu werden, und seiner Schwester, die dem Schicksal letztlich nichts entgegenzusetzen hat. White Ghost Girls ist ein ebenso zärtliches wie grausames Buch, eine Erzählung, die mit leichten Worten daherkommt und mit Wucht zuschlägt. Sparsam und klug gesetzt sind die Formulierungen, treffsicher die Metaphern: “That night I dream of blue swallowtail butterflies. They hover in the air like a kaleidoscope, alight on my body, drinking sweat from my skin.” Wunderschön.
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