„Gegen Körperunterdrückung, Fatshaming und Körperhass zu kämpfen, mag trivial klingen, ist es aber nicht.“
Die bekannte britische Psychotherapeutin Susie Orbach hat ihr bahnbrechendes Sachbuch aus dem Jahr 2009 überarbeitet und neu aufgelegt, herausgekommen ist ein wahnsinnig interessantes und informatives Werk, das sich eingehend mit Körperdiktatur und ihren Zwängen auseinandersetzt. Vor der Lektüre habe ich mich gefragt, ob ich da noch was Neues lernen kann, wo ich mich doch nun schon so ausführlich mit Körperlichkeit beschäftigt habe, nach der Lektüre kann ich nur laut rufen: Ja, sehr viel! Susie Orbachs Herangehensweise und Zugang haben mich überrascht und neugierig gemacht. Sie berichtet aus ihrer Praxis, erzählt von einzelnen Fallgeschichten, etwa von Menschen, die sich dringend wünschen, ihnen mögen die eigentlich gesunden Beine abgenommen werden, und stellt relevante Verbindungen her zwischen dem Leidensweg der Individuen und dem systemischen Missbrauch der (weiblichen) Körper im gesamtgesellschaftlichen Kontext. Gut finde ich, wie ehrlich sie zugibt, dass sie heute einen anderen Blick auf trans Menschen hat als Jahrzehnte zuvor, dass sie dazugelernt und ihre Einstellung geändert hat.
„… wird klar, wie verletzlich Frauen gerade dort sind, wo sie am sichersten sein sollten: im eigenen Körper.“
Susie Orbach zeigt, dass unser Körperbild immer schon kulturell beeinflusst war und bis heute ist – und welche Ausprägungen der aktuelle Optimierungswahn hat. Gegen Ende des Buchs bezieht sie sich auf künstliche Intelligenz, Hormone, lebensverlängernde Produkte und alle Mechanismen einer Industrie, die in erster Linie Geld verdienen will (und es auch tut). Ihrer Meinung nach gehören wir zu den letzten Menschen, die noch einen Körper haben, wie wir ihn kennen, in der Zukunft wird das nicht mehr der Fall sein. Ich habe dieses Buch und auch das Vorwort von Margarete Stokowski regelrecht inhaliert, so spannend ist es aufbereitet – ich möchte es euch auf jeden Fall empfehlen.