Bücherwurmloch

Meike Stoverock: Female Choice. Vom Anfang und Ende der männlichen Zivilisation

„Die künstliche Bewertung menschlicher Arbeit bringt die Frau in eine ausgesprochen ungünstige Position“
Zuerst einmal: Was bedeutet eigentlich Female Choice? 80 Prozent der Weibchen akzeptieren überhaupt nur 20 Prozent der Männchen. Im Naturreich ist dies die gängigste Methode zur Fortpflanzung, Männchen müssen Leistung erbringen und sich „bewerben“, das Weibchen entscheidet. Es ist kein Naturgesetz, weil es einige wenige Ausnahmen gibt, aber kommt recht nah an eines heran. Umgelegt auf die Menschen, zeigt die Biologin und Evolutionsökologin Meike Stoverock, wie und warum wir vom Zeitpunkt der Sesshaftwerdung bis heute in dem System gelandet sind, in dem wir im Moment leben. Sie schildert Hierarchien und Alpha-Merkmale, bindet religiöse Anschauungen und politisches Machtdenken mit ein. Ihre Ausführungen machen deutlich, aus welchem Grund und auf welche Weise Frauen davon abgehalten wurden und werden, Geld und Besitz zu haben oder über den eigenen Körper zu bestimmen. Diese Heranführungen sind fast zwingend logisch, vieles davon wusste ich bereits, finde es aber sehr gut ausgearbeitet und verständlich erklärt.

Schwieriger wird es dann mit dem hinteren Teil des Buchs bzw. dem Ausblick. Die Schlussfolgerungen, die die Autorin evolutionsgeschichtlich aus dem Zusammenspiel der Hormone, des Sexualtriebs und der männlichen Aggression ableitet, mögen ebenfalls logisch sein, sind aber meiner Meinung nach unmöglich umzusetzen. Und es ist auch fraglich, wie sehr wir auf Pornografie und Prostitution setzen können und wollen – immer den Triebabbau vor Augen – in einem System, das exakt in diesen Bereichen den Frauenhass aufs Schlimmste auslebt. Ich gebe ihr Recht, dass das Problem der heutigen Zivilisation der Androzentrismus ist und die Verdrängung der Frau in den Privathaushalt, ich sehe auch komplett die Vorteile ein, die eine Menschheit ohne Gott hätte (siehe die christofaschistischen Auswüchse aktuell in den USA), halte es aber für mehr als unwahrscheinlich, dass die Menschen zu diesem Erkenntnisschritt gelangen können und mehr noch, dass sie sich daran machen, aktiv zu Female Choice zurückzukehren. Wir sehen ja bereits an den Incels, wie Männer sich verhalten, die tatsächlich nicht von den Frauen für die Fortpflanzung in Betracht gezogen werden. Andererseits ist mir bewusst, dass alles sich permanent verändert und entwickelt, und es ist durchaus möglich, dass die Natur irgendwann erkennt, dass wir im jetzigen System alle leiden, dass es uns schlecht geht, dass wir sterben – und dass es geändert werden muss. Darauf können wir hoffen, miterleben werden wir es sicher nicht. Auf jeden Fall ist Female Choice ein Buch, das aufklärt und anregt – denn manches kann man auch im Kleinen besser machen, wenn man darüber Bescheid weiß.

Female Choice von Meike Stoverock ist erschienen bei Tropen.

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