„Ihr Alltag ist viel härter als erwartet“
Adélaïde ist 46 Jahre alt, eine gutaussehende, erfolgreiche Frau, die gerade ihren letzten Ehemann verlassen hat und nun allein lebt. Das soll nicht lange so bleiben, bestimmt wird sie bald einen Neuen finden, denkt sie. Doch dann erlebt Adélaïde, dass Frauen ihres Alters offenbar unsichtbar sind – eine Enttäuschung reiht sich an die nächste, dazwischen lauert die bittere Einsamkeit. Während sie in ihrem Job als Verlagspressefrau brilliert und auf Partys glänzt, sieht es im Privaten ganz anders aus: Adélaïde ist unfähig, ohne einen Mann zu leben, sie hat das „Heiratsjucken“, definiert sich ausschließlich über ihren Beziehungsstatus. Ihre drei engen Freundinnen erleben teilweise dasselbe, und zusammen können sie sich immerhin mit einer Line Kokain trösten. Aber dieser Trost hält nie lange an: Wer ist die Frau ohne einen Mann?
Chloé Delaume ist in Frankreich eine große Nummer als Autorin und Musikerin, dies ist der erste Roman von ihr, der nun von Claudia Steinitz ins Deutsche übersetzt wurde. Sie schreibt elegant und vollkommen nüchtern, mit einer fast schon befremdlichen, beinahe spöttischen Distanz zu ihrer Protagonistin, die so ahnungslos durchs Singledasein taumelt. Subtil ist an diesem Buch nichts, tatsächlich gibt Delaume jedes Gefühl und jeden Gedanken sehr präzise vor. Das hat mich teilweise sehr gestört, dann wieder ist das Ganze aber auf so böse Art witzig, dass ich wieder versöhnt war. Eine kluge, entlarvende Sichtweise auf das Leben von Frauen, die nicht mehr ganz jung sind, ein Blick auf das patriarchale System dahinter, das Adélaïde selbst nicht durchschaut, und die große Frage, wie eine Frau sich positionieren soll, wenn sie darauf gedrillt wurde, nur für den male gaze zur Verfügung zu stehen und der aber plötzlich nicht mehr in ihre Richtung geht – das ist „Das synthetische Herz“. Ein schmales Buch, das zum Nachdenken anregt.
Das synthetische Herz von Chloé Delaume ist erschienen bei Liebeskind.