„When can I say your name and have it mean only your name and not what you left behind?“
Als Ocean Vuong diesen Roman schrieb, diesen Brief an seine Mutter, wurde er damit schlagartig über Nacht berühmt. Das liegt mit Sicherheit an der zarten Tragik, die dieses Stück autobiografisches Schweigen durchzieht, denn Ocean Vuongs Mutter kann nicht lesen.
„I only have the nerve to tell you what comes after because the chance this letter finds you is slim – the very impossibility of your reading this is all that makes my telling it possible.“
Es liegt aber auch an seiner poetischen, eingängigen Sprache. An seiner Art, zu teilen, was er gesehen und erlebt hat: die Liebe zur Mutter, die sich abgeschuftet hat in einem Maniküreladen, die streng zu ihm war und ihn oft geschlagen hat, die Fremdheit in Amerika, die Beziehung zur Großmutter, die ihn beschützt, aber auch beschimpft hat, die erste Verliebtheit, der erste Sex. Der Autor, der in Vietnam geboren ist, geht mit Worten um, wie es manchmal nur Menschen können, für die diese Worte nicht ihre Muttersprache sind: sanft und vorsichtig, liebevoll, sie bedeuten ihm alles. Er berichtet nicht chronologisch, springt hin und her, wechselt auch in die dritte Person, immer dann, wenn er sich emotional distanzieren muss von seinem Schmerz.
„In these moments, next to you, I envy words for doing what we can never do – how they can tell all of themselves simply by standing still, simply by being. Imagine I could lie down beside you and my whole body, every cell, radiates a clear, singular meaning.“
Ich habe dieses Buch nun endlich gelesen, und ich habe lange dafür gebraucht. Weil man es nicht inhalieren kann, weil man ihm Respekt schuldet, weil es einem etwas abverlangt. Manche Bücher geben nicht nur, sie nehmen auch: Dieses gehört dazu. Ich fand es eindrucksvoll und melancholisch, mutig und traurig, weil es den Finger in so viele Wunden legt. Weil Ocean Vuong es geschafft hat, seine Mutter im Kern zu erkennen und zu verstehen – und sich gleichzeitig von ihr zu lösen. Es ist gleichermaßen ein Liebesbrief sowie eine Anklage.
„I remember it. I remember it all because how can you forget anything about the day you first found yourself beautiful?“