„Warum sehen die Frauen hier nicht satt und zufrieden aus, sondern wie Opfer einer großen Müdigkeit?“
„Man kann ihm keinen Vorwurf machen, ihm nicht und den meisten Männern nicht, sie sehen die Angelegenheit mit den Wohnungen und Küchen und Kindern nur aus der Zuschauerperspektive, sie schaffen den Sprung auf die Bühne nicht, sie applaudieren gerne und sie zahlen den Eintritt, aber wenn die Bühne leer bleibt, sehen sie sich um und werden nervös, bis eine Mutter oder Schwiegermutter den Mama-Part übernimmt, man muss als Mutter schon sterben oder langfristig verschwinden, damit so ein Mann wahrhaftig an die Stelle einer Mutter tritt, mit hängenden Schultern und viel Empathie aus dem Publikum.“
Wenn jemand treffend über Mutterschaft und Frausein, über Emanzipation und die fehlende Gleichberechtigung schreiben kann, dann Gertraud Klemm. Sie ist die – zu Recht vielfach ausgezeichnete – Godmother of Austrian feminist literature, die Grande Dame der weiblichen Wutrede. Ich liebe alle ihre Bücher und habe das Gefühl: Sie ist eine der Wegbereiterinnen für Autorinnen wie mich. Alles, was ich mache, macht sie schon lange – und sie macht es sehr gut.
In Aberland erzählt Gertraud Klemm von Elisabeth und Franziska, Mutter und Tochter. Die eine ist fast sechzig, die andere Mitte dreißig, Elisabeths Kinder sind längst aus dem Haus, sie hält sich fit und achtet auf ihre Figur, weil es sehr wichtig ist, was andere denken, Franziskas Kind ist noch klein und sie will eigentlich kein zweites. Es geht in diesem Roman, herrlich bös und entlarvend und österreichisch, wie alles aus Gertrauds Feder, um das Gefühl, sich zufrieden gegeben zu haben und nicht mehr auszukönnen, obwohl man gar nicht da sein will, wo man ist. Es geht um Affären und Rollenbilder, um den leidigen Alltag als Mutter, die Reibereien zwischen Eltern. Mehr als einmal hab ich genickt und geschmunzelt, hab mich abgeholt gefühlt und bestätigt. Schlimm ist nur, dass Gertraud Klemms Werk eines deutlich macht: dass sich nichts verändert. Die Missstände, gegen die sie anschreibt, bessern sich nicht. Aber aufgeben ist auch keine Option. Deswegen hüpf ich zu ihr ins Boot und rudere mit. Gegen die Misogynie und die Ungerechtigkeit, gegen die Unterdrückung der Frauen und gegen den Hass.
Aberland von Gertraud Klemm ist erschienen bei Droschl.