„Kannst du glücklich sein, wenn alle dich für unglücklich halten?“
„Mutter bleibt man ein Leben lang, sagt meine Mutter. Du hörst nie auf, Mutter zu sein. Vom Tag deiner Geburt bis zu dem Tag, an dem ich sterbe, werde ich immer deine Mutter gewesen sein.“
Die Ich-Erzählerin möchte keine Kinder. Das ist eine Tatsache, sie weiß das schon früh, sie sagt es ihrem Partner auch gleich am Anfang, sie spielt mit offenen Karten. Und eigentlich sollte das okay sein so, eigentlich könnte die Geschichte hier wieder zu Ende sein. Ist sie aber nicht, denn in der Gesellschaft findet das niemand okay: die Familie nicht, die Freund:innen nicht, und am Ende auch der Partner der Erzählerin nicht mehr. Bei ihm kippt es nämlich plötzlich doch Richtung „wäre doch ganz schön“ und „willst du etwa ganz allein sein im Alter“? Bei ihm passiert, was alle erwarten, dass auch bei der Erzählerin passiert: dass sie sich umentscheidet. Doch warum sollte sie? Wieso ist es für uns normal, davon auszugehen, eine erwachsene Frau wüsste nicht, was sie will? Ganz ehrlich, ich hasse es, dass wir jede einzelne Frau zum Kinderkriegen nötigen wollen, ich hasse das so sehr. Es hat uns nicht zu interessieren, wie eine Frau ihr Leben verbringen möchte, und sie wird durch Mutterschaft nicht mehr zur FRAU. Das ist so ein krasser patriachalischer Bullshit, und dagegen schreibt Linn Strømsborg an.
„Normalerweise denke ich nicht daran, es fällt mir erst auf, wenn mich jemand darauf anspricht. Und ich werde die ganze Zeit darauf angesprochen, verdammte Scheiße. Die ganze Zeit.“
Es ist wichtig, dass sie das tut, und allein dafür feiere ich dieses Buch. Wir brauchen mehr solche Geschichten, mehr Verständnis, mehr Normalität für den kinderlosen Lebensentwurf, der nicht gerechtfertigt werden muss. Aus diesem Grund sind mir die letzten drei Seiten des Romans sauer aufgestoßen, die hätte ich nicht gebraucht, die haben für mich alles zuvor Gesagte widerrufen. Zudem, aber das ist natürlich meine subjektive Sicht als Mutter, habe ich ein Problem damit, dass „wir“ wiederum ständig so dargestellt werden, als wären wir NUR NOCH Mütter. Wir sind nichts anderes mehr, keine eigenständigen Wesen, Freundinnen schon gar nicht. Die beste Freundin im Buch wird schwanger, wird instrumentalisiert zum Gegenentwurf, zum „so will ich nicht werden“, sagt Sätze wie:
„Ich bin Mutter, und es fühlt sich an, als wäre ich nichts anderes mehr, als würde ich nicht mehr für mich, sondern nur noch für Ella atmen.“
Aber warum muss es eine solche Gegenposition überhaupt geben? Wieso darf sich die Protagonistin nicht gegen Kinder entscheiden, einfach, weil sie das WILL? Da gilt es aus meiner Sicht noch nachzujustieren: Nie nie nie ist ein Anfang, ein sehr guter Anfang, und wir bekommen hoffentlich in den nächsten mehr Bücher wie dieses. Dann vielleicht sogar, ohne weiter Stereotype zu befeuern und mit einer differenzierteren Sicht auf Weiblichkeit, die immer gleich viel wert ist – ob mit Kinder oder ohne.
Nie nie nie von Linda Strømsborg ist erschienen bei Dumont.