„Wir sind da, damit wir geschrieben werden. Damit wir verewigt sind“
„Später folgte ich ihnen mit wenigen Schritten Abstand durch die Straßen im Zentrum und dachte, dass es manchmal rein gar nichts auszusetzen gibt an der Welt, wo doch selbst die Schrulligsten einander lieben können.“
Camila ist eine trans Frau aus der Provinz. Von zuhause ist sie geflüchtet, die Eltern haben sie abgelehnt und misshandelt. In Córdoba stößt sie auf Gleichgesinnte: die Frauen der Nacht. Sie schlafen nicht, sie fangen an zu arbeiten, wenn es finster wird. Sie legen Parfum auf und Schmuck an, sie zwängen sich in hohe Hacken und wagen sich hinaus in die Gefahr.
„Ich bin eine Prostituierte, gehe nachts durch die Straßen, wenn Frauen meines Alters eigentlich im Bett liegen und schlafen. Auf meinem Weg durch die Straßen bin ich vorgesehen in Plänen, die von Gewalt, aber auch in solchen, die vom Begehren handeln.“
Im Haus von Tía Encarna finden sie Zuflucht, die Tía Encarna nimmt sie auf. Hier haben sie ein Bett, ein Zimmer, hier gibt es Essen und Gespräche und Verständnis. Die Frauen halten zusammen, trösten einander, retten sich aus der größten Scheiße. Denn niemand, wirklich niemand behandelt sie gut, die trans Frauen von Córdoba. Sie werden ausgeraubt und vergewaltigt, zusammengeschlagen und gewürgt, sie werden verspottet und beschimpft, von der Polizei verfolgt. Die Einzigen, die sie beschützen, sind sie selbst.
„Jede Unverschämtheit der Leute ist wie Kopfweh, das tagelang anhält. Eine starke, durch nichts zu lindernde Migräne. Den ganzen Tag Beleidigungen, Spott. Die ganze Zeit Herzlosigkeit, Mangel an Respekt.“
Und doch: Es geht eine unheimliche Faszination von ihnen aus. Männer liegen ihnen zu Füßen, Männer umgarnen sie, kaufen ihnen Dinge, können nicht von ihnen lassen. Betteln um Sex und Aufmerksamkeit, wollen mit ihnen zusammen sein, nur um sich selbst – und die trans Frauen –hinterher für dieses Begehren zu bestrafen.
„Das schaffen wir: dass die ganze Welt uns betrachtet. Niemand kann sich dem Zauber eines Mannes in Frauenkleidern entziehen, diesen Schwulen, die zu weit gehen, dieses Abschaums, der alles Schauen an sich reißt.“
Camila Sosa Villada hat ein prächtiges, farbenfrohes, sprachmächtiges Buch geschrieben, das von innen heraus erzählt, wie es ist, eine trans Frau unter trans Frauen zu sein. Wie sie einander lieben und hassen, wie sie einander retten und umbringen. Eine richtige Handlung hat dieser Roman nicht, vielmehr besteht er aus einer Aneinanderreihung von Gegebenheiten und Rückblenden. Er ist eine ebenso berechtigte wie laute Anklage und erzählt von Ausgrenzung, Gewalt, der ewigen Suche nach Liebe. Die Sprachbilder sind großartig, und auch wenn Klischees nicht ausgelassen werden, ist dies eine der vielen schönen diversen Stimmen, die einen ganz einzigartigen, bisher kaum gehörten Klang haben. Ich feiere es sehr, dass sie jetzt in all ihrem Glanz und ihrer Traurigkeit ertönen.
„Wer uns heute auf der Wiese liegen sieht, in der Sonne Mate trinkend, mit Coca-Cola eingerieben und gefärbt wie flüssiges Karamell, der wird träumen von unseren Körpern und unserem Lachen, unerträglich wird unser Anblick sein, als schaute man Gott.“
Im Park der prächtigen Schwestern von Carmen Sosa Villada ist erschienen bei Suhrkamp.