Bücherwurmloch

Andrea Petković: Zwischen Ruhm und Ehre liegt die Nacht

„Die Abwesenheit von Einsamkeit“
Es gibt Menschen, bei denen denkt man: Wow. Sie sind doppelt, nein, dreifach gesegnet, sie haben Talent bekommen, dazu noch gutes Aussehen, ein Modelgesicht, einen makellosen Körper, eine Engelsstimme, Biss. Sie haben die nötigen Beziehungen und das nötige Durchhaltevermögen. Man beneidet sie, aber immer mit einer Spur Ehrfurcht im Inneren, man begegnet ihnen mit Gefühl: Die agieren auf einer anderen Ebene, die sind aus einer anderen Welt. Sie sind nicht nahbar, sie sind nicht wie du und ich. Andrea Petković ist einer dieser Menschen: Sie sie ist schön, sie ist schlau, sie spielt Tennis in einer Liga, die nur wenige, sehr wenige Sportlerinnen jemals erreichen, sie hat Geld und Ansehen, Ruhm und Ehre. Aber sie macht sich nahbar. Denn sie hat ein Buch geschrieben, in dem sie davon erzählt, wie es ist, ein solcher Mensch zu sein. In dem sie sich verletzbar und verletzt zeigt, in dem sie fühlbar macht, wie nahe Sieg und Niederlage beieinander liegen, wie weh es tut, so viel allein zu sein, in fremden Städten, in leeren Hotelzimmern, was für eine starke Antriebskraft Ehrgeiz ist und wie erbarmungslos man sich selbst kritisieren kann.

Zwischen Ruhm und Ehre liegt die Nacht ist ein Buch mit autobiografischen Erzählungen, die chronologisch beginnen, mit Andrea als Kind, es aber nicht bleiben. Als Tochter serbischer Einwanderer in Darmstadt aufgewachsen, konzentriert Andrea sich früh auf eine Tenniskarriere, unermüdlich spielt sie sich nach oben – und dazu braucht es viel Zeit auf dem Platz, viele Opfer. In einem leichten Ton, der nie an Selbstironie verliert, berichtet sie von einer Jugend mit dem Schläger in der Hand, vom dringend benötigten Preisgeld, das nie hoch war, vom Umgang mit dem eigenen Körper, der sich verändert und bei einer Spitzensportlerin verlässlich funktionieren muss. Immer begleitet Andrea dabei die Literatur: Sie liest mit ebensolcher Hartnäckigkeit, mit der Tennis spielt, Bücher. Vor allem David Foster Wallace hat es ihr angetan, und auch hier offenbart sie mit heiterer Selbstreflexion, wie sie sich ein literarisches Werk nach dem anderen erarbeitet hat und manche ihr Lebenswegweiser geworden sind.

Brillant werden diese Erzählungen dadurch, dass Andrea Petković sich selbst nicht ernst nimmt und zugleich doch. Sie weiß, was sie kann. Sie weiß, was sie geleistet hat. Aber sie setzt es in Relation. Zu der harten Arbeit, die dahintersteckt. Zu dem Glück, das man manchmal braucht. Zu der haardünnen Linie zwischen Berühmtheit und Bedeutungslosigkeit, von der man vielleicht nie ergründen kann, wo genau sie überschritten wird. Man mag überrascht sein davon, dass Andrea Petković nicht nur auf höchstem Niveau Tennis spielen, sondern auch gut schreiben kann. Aber manche Menschen sind eben doppelt und dreifach gesegnet – und wissen mit ihren Talenten zu arbeiten. Chapeau!

Zwischen Ruhm und Ehre liegt die Nacht von Andrea Petković ist erschienen bei Kiepenheuer & Witsch.

 

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