„Für ein Kind braucht man keine männliche Lust“
Es ist eines der meistdiskutierten Bücher in diesem Herbst: weil Mieko Kawakami vom Leben japanischer Frauen erzählt, ohne etwas zu beschönigen. Sie widmet sich Themen wie sexualisierte Gewalt, (Un)Gleichberechtigung, Schönheits-OPs, Kinderlosigkeit und finanzielle Abhängigkeit mit scharfem Blick. Nun ist es natürlich so, dass diesem Roman die japanische Gesellschaft als Basis dient, so weit entfernt davon sind wir aber hierzulande nicht: Alle diese Themen beschäftigen und bewegen uns ebenfalls. In vielen Rezensionen wird betont, dass die Japanerinnen ihre Männer mit „Meister“ ansprechen, als könnten wir aus einer erhöhten Position darüber urteilen, doch das ist nicht der Fall: Gleichberechtigung haben auch wir nicht. Sexismus dafür aber sehr wohl.
Das Großartige an Brüste und Eier ist, dass es sich kompromisslos den Frauen widmet. Besonders im ersten Teil kommt keine einzige männliche Figur vor, da wird höchstens einmal kurz über einen Ex-Mann gesprochen, im zweiten Teil werden die Männer auf ihre Funktion des Samenspendens reduziert. Und das feiere ich sehr. Mieko Kawakami erzählt, womit Frauen zu kämpfen haben, sei es der Beginn des Frauwerdens an sich (Natsukos Nichte Midoriko), der Wunsch, schön zu sein (Natsukos Schwester Makiko) oder die Frage, wie man sich eigentlich als Frau positioniert und definiert, wenn es ums Kinderkriegen geht (Natsuko selbst). Herrlich tabulos schreibt sie von Menstruation und Brüsten, von Schwangerschaft und Sexlosigkeit, alles ist sehr körperlich. Aber nicht nur, denn es geht auch um die gesellschaftlichen Normen dahinter, um alles, was den Frauen abverlangt wird. Schwierig zu lesen war dieses Buch dennoch, weil es stellenweise wirklich sehr, sehr langatmig ist. Die Erkenntnisse zu den oben genannten Themen muss man sich mühsam zusammenklauben, dazwischen gibt es sehr viele vermeintlich banale Gespräche, Hunderte eher ereignislose Seiten, besonders der zweite Teil ist arg zäh. Es kann aber natürlich sein, dass diese Gespräche nur mir banal erscheinen, weil ich zu wenig Einblick in die japanische Kultur habe – es ist mir nicht möglich, das zu beurteilen. Ich hätte aber mehr als einmal fast aufgehört zu lesen, nur der feministische Leitgedanke hat mich gehalten. Ich weiß aber von vielen Leser:innen, dass es ihnen ebenso ging, und finde das insgesamt schade: In einer verknappten, pointierteren Form hätte dieses Buch mit seinen wichtigen Themen vielleicht mehr Menschen erreicht.
Brüste und Eier von Mieko Kawakami ist erschienen bei Dumont.