„Aber die Träume blieben, und nachts lag sie vor Angst starr im Bett“
Zu Beginn ihres Studiums lernen Max und Katie sich kennen, und nachdem geklärt ist, dass sie nicht miteinander schlafen werden, werden sie beste Freunde. Sie machen alles gemeinsam, verbringen viel Zeit zusammen – und lernen irgendwann die Familie des jeweils anderen kennen. Das ist für Katie verhängnisvoll, denn bei einer Party wird sie, während unten alle feiern, oben in einem Schlafzimmer von Max‘ Cousin Lewis vergewaltigt. Sie erzählt niemandem davon, schließt das Trauma in sich ein und zieht sich immer mehr zurück – auch von Max. Er, der sie so gut kennt, sollte merken, dass etwas mit ihr nicht stimmt, doch letztlich ist er zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Die Einzige, die eines Tages Katies Geheimnis aufdeckt, ist seine Mutter Zara, eine berühmte Regisseurin. Und während der Klappentext behauptet, dass sie dann „etwas Ungeheuerliches tut“, ist das nicht ganz wahr, sondern ein wenig Clickbaiting, denn Zara will Katie helfen.
Rosie Price hat ein Buch über eine Vergewaltigung geschrieben, und ich selbst habe das auch getan, ich finde: Wir brauchen mehr Bücher über sexualisierte Gewalt. Über das, was Frauen geschieht, jeden Tag, überall auf der Welt. Das sind keine erfundenen Geschichten, sie sind real, sie umgeben uns, prägen uns – und müssen Eingang in die Literatur finden. Rosies junge Heldin Katie weiß nicht, wie sie umgehen soll mit dem Erlebten, sie vertraut sich niemandem an, sie reagiert wie viele Vergewaltigungsopfer und sucht die Schuld bei sich, weil sie sich nicht gewehrt hat. Dadurch kann Rosie Price gut ausloten, in welchen Zwiespalt eine Frau gerät, in welchen Abgrund, in welche Verzweiflung: Körperlich ist Katie scheinbar unversehrt, aber ihr Leben gleitet ihr aus den Händen. An manchen Stellen ist mir das ein wenig zu langatmig, auch zu seicht, man hätte straffen und zuspitzen können, aber: Insgesamt ist dies eine wichtige und deshalb eine lesenswerte Geschichte, die sehr deutlich zeigt, dass wir noch viel Arbeit vor uns haben, bis Gewaltakte wie dieser endlich geächtet und bestraft werden – und am besten gar nicht mehr geschehen.
Der rote Faden von Rosie Price ist erschienen bei Rowohlt.