„Bleiben Sie zuhause“, murmelte der Holländer, „Österreicher sind für die große Welt nicht gemacht“
„Dieser Roman enthält das Leben eines Mannes, der es auch selbst aufgeschrieben hat: Joseph Freiherr Hammer von Purgstall.“ Das verrät Dirk Stermann erst im Nachwort, ich verrate es euch schon jetzt. Der deutsche Kabarettist, den wir in Österreich – und das ist das größte Kompliment, das wir einem Deutschen machen können – als einen von uns ansehen, hat einen von Joseph Hammers Autobiografie inspirierten Roman geschrieben, also eine halbfiktionale Biografie. Diesen Hammer hat es wirklich gegeben, gelebt hat er von 1774 bis 1856, und noch heute trägt die Österreichischen Orient-Gesellschaft Hammer-Purgstall seinen Namen. Ich frag mich, wie lange Stermann recherchiert hat für dieses Buch, ich stell mir vor, es waren Stunden, Monate, Jahre. Er hat die Zeit der Türkenkriege akribisch aufbereitet, lässt die Stadt Wien vor allem olfaktorisch lebendig werden, beschreibt sehr anschaulich den Gestank, die Krankheiten, die mangelnde Hygiene. Sein Joseph ist ein Sprachknabe, der viel Talent für die Sprachen des Orients zeigt und keines für die Kunst der Diplomatie. So gut er auch Türkisch, Persisch und viele andere Sprachen spricht, zeit seines Lebens steht er sich mit seiner Überheblichkeit selbst im Weg.
„Und Joseph sah vor sich die Leiter des Erfolgs, viele Sprossen, die bis ganz nach oben zu erklimmen er mehr als bereit war.“
Joseph Hammer ist ein Ehrgeizling, getrieben von Arroganz und einer verblendeten Sicht auf sich selbst. Bei jeder Beförderung wird er übergangen, nie bekommt er die Stelle, die ihm seiner Meinung nach zusteht. Während man als Leser zuerst noch Mitgefühl empfindet, dämmert einem allmählich, dass Joseph ein Ungustl ist.
„Bin einer der wichtigsten Beteiligten, weil sprachlich, historisch und kulturell den handelnden Personen nicht nur ebenbürtig, sondern oft überlegen, schrieb er. Nur damit man in Konstantinopel, aber auch Wien nicht vergaß, welches Juwel man da in den eigenen Reihen hatte.“
Nun habe ich kein Problem mit unsympathischen Protagonisten, im Gegenteil, ich hab selbst einen geschrieben, und die historischen Bezüge in Stermanns Buch finde ich tatsächlich mehr als interessant. Ich habe seinen Roman gelesen wie ein Geschichtsbuch. Dabei ging mir allerdings irgendwann, nach 300 Seiten etwa, ein bisschen die Luft aus. Auf den letzten 150 Seiten hab ich mir sehnsüchtig eine Wendung gewünscht, einen Knaller, eine Watschn. Aber: Was soll da noch kommen, der Stermann kann natürlich seiner realen Figur nichts andichten, was diese Figur nicht getan hat. Und so führt die Handlung ins Leere, endet logischerweise mit Hammers Tod. Ich rechne es Stermann aber erstens hoch an, dass er sich als Autor so variantenreich zeigt, zweitens, dass er diesen schönen ironischen Ton gefunden hat, und drittens, dass er sich an dieses Mammutprojekt herangetraut hat: Von einem Mann zu erzählen, der tatsächlich gelebt hat, in einer Zeit, über die man viel recherchieren muss, und der noch dazu ein Arschloch war, das erfordert Mut.
„Führt ihr Österreicher keine Kriege?“
„Nur wenn die anderen uns dazu zwingen“, sagte Joseph.
„Und zwingen sie euch oft?“
„Leider ja“, antwortete Joseph.
Der Hammer von Dirk Stermann ist erschienen bei Rowohlt.