„Mit seiner Kochkunst hatte er uns süchtig gemacht“
Sie nennen ihn den Hund und erzählen sich über ihn, er habe in einem Erdloch im Kosovo gehaust, vergittert, ohne Tageslicht, habe dort seinen Geschmackssinn auf übermenschliche Art geschärft. Jetzt kocht er wie kein Zweiter, gesellschaftsfähig ist er nicht. Mit eisernem Willen verschafft der Hund sich eine Stelle in der Küche des El Cion, des teuersten und edelsten Lokals am Platz:
„Das eigentliche Geheimnis des El Cion war nie der reine Geschmack des Essens. Wenn man ehrlich war, schmeckten nur die Allerwenigsten den Unterschied zwischen einem Kobe- und einem Charolais-Rind, oder einem Vierzigeuro- und einem Vierhunderteurowein. Kaum einer erkannte den Unterschied am Geschmack, sondern nur an der zusätzlichen Null hinten, am Ende des Preises.“
Gemeinsam mit dem namenlosen Ich-Erzähler, der den Hund in einer Dönerbude kennengelernt hat, erkämpft er sich bei Chef Valentino einen Namen in dieser brüllend heißen, von Adrenalin und Panik erfüllten Küche, in der sich niemand auch nur den kleinsten Fehler leisten darf, wenn er seinen Job behalten will.
„Wenn es tatsächlich einen Gott des Geschmacks gäbe, einen bockfüßigen, dauergeilen, hakennasigen, nackten Gott, dem dralle Frauen mit dicken Titten ohne Unterbrechung Weintrauben in den Mund stopften, während sie auf seinem Gesicht ritten, dann würde er jetzt zu uns heruntergrinsen.“
Valentino ist ein aufbrausender Mann, ein Spitzenkoch, der bereits wegen Körperverletzung im Gefängnis war.
„Seine Augen waren müde und aggressiv und getrieben von einer rastlosen Suche nach tiefer Ruhe. Er hatte die Ausstrahlung eines Menschen, der mehr erlebt hat, als ihm noch Zeit bleibt, davon zu erzählen, und sein kalter Blick schien jedem in seiner Nähe die Schuld dafür zu geben, dass er keinen Frieden fand.“
Und als dieser Valentino erkennt, welches Ausnahmetalent der Hund ist, wie rettungslos verzaubert die Leute sind, wenn sie seine Gerichte kosten, nimmt das Schicksal seinen Lauf.
„Es sei gefährlich, sagte sie, die Menschen würden sich selbst erkennen in ihrer Schönheit und ihrer Hässlichkeit, in ihrer Verzweiflung und ihrer Sehnsucht, und es würde süchtig machen, sie habe Menschen erlebt, die hätten an seinem Essen gehangen wie andere an der Nadel.“
Dieses Buch ist geil, und zwar im wahrsten Sinn des Wortes: Es ist vulgär, lüstern, sinnlich, triebhaft, ein wenig abstoßend, irgendwie erregend. Der Regisseur und Drehbuchautor Akiz erzählt darin von einem, der nicht zu dieser Welt zu gehören scheint, der sich allen Regeln des Miteinanders entzieht, der Gerichte kocht, die aussehen wie etwas, das auf der Straße überfahren wurde – und der damit die Menschen so erleuchtet, dass es sich anfühlt, als würde sich der Himmel über ihnen öffnen und sie mit Geschmack übergießen. Der Ton ist rau und krass, der Ich-Erzähler ist ein gnadenloser Schläger, die Sprache passt hervorragend zum hektischen Tempo in der Spitzengastronomie. Ein Buch, das mit Geruch und Geschmack spielt, muss sich freilich den Vergleich mit dem Alltime-Klassiker Das Parfum gefallen lassen, und natürlich erinnert Der Hund daran. Vor allem, weil auch Akiz eine Geschichte erdacht hat, in der Menschen etwas schmecken, das ihre Sinne sprengt und sie wahnsinnig werden lässt. Gier, Leidenschaft, Neid und die endlosen Möglichkeiten, die Gaumenknospen aufzugeilen, sind der Kern dieser verrückten, mitreißenden, überbordenden Story über einen, der am Rand der Gesellschaft steht und sie genau aus dieser Position heraus entlarven und zum Bersten bringen kann. Überspitzt, klug konstruiert, mit einem unausweichlichen Ende: ausgezeichnetes Buch!
Der Hund von Akiz ist erschienen bei hanserblau.