„Wir geben vor, Dinge zu wollen, die wir nicht wollen, damit niemand sieht, dass wir nicht bekommen, was wir brauchen“
Lisa Taddeo hat drei Frauen begleitet, befragt und porträtiert, anhand von Berichten, Tagebucheinträgen und Erzählungen anderer. Es fällt mir schwer, zu beurteilen, wie dicht das an der Wahrheit sein kann, stellenweise wirkt es authentisch, dann wieder völlig überzogen und in seinem Voyeurismus unangenehm. Dies ist nicht, wie es heißt, ein Buch über das weibliche Begehren, es ist ein Buch über das männliche Begehren. Die drei Frauen agieren nicht, sie reagieren. Sie sind zutiefst passiv, keine einzige der sexuellen Aktivitäten, die so detailreich beschrieben werden, geschieht aus ihrem Wollen heraus. Stattdessen sind sie auf die Männer ausgerichtet, machen sich klein, sind Opfer, Marionetten. Und diese Darstellung geschieht nicht auf einer reflexiven Ebene: Niemandem scheint aufzufallen, dass sie nur innerhalb des patriarchalischen Käfigs handeln, weder den Frauen noch der Autorin. Ja, Maggie ist zu jung, um zu merken, dass der wesentlich ältere Highschool-Lehrer sie manipuliert und benutzt. Sloane redet sich ein, dass es eine Bestätigung für ihr Ego ist, dass ihr Mann sie jeden Tag ficken will und sehen möchte, wie sie es mit anderen treibt. Und Lina bettelt Aidan um ein Fitzelchen Aufmerksamkeit an, erniedrigt sich, gibt sich mit heimlichem Sex im Auto zufrieden, obwohl sie sich eigentlich Liebe wünscht. Wo ist das emanzipiert, wo ist das feministisch? Welcher Definition zufolge sind das „starke“ Frauen, die „aufbegehren“? Sie werden vergewaltigt. Sie werden betrogen. Sie sind nie selbstbestimmt und schon gar nicht glücklich.
Mir wurde bei #dunkelgrünfastschwarz vorgeworfen, ich hätte „zu wenig emanzipierte Frauenfiguren“ geschrieben, doch der Roman spielt zum Großteil in den Achtzigern und zeigt ein Geflecht aus Abhängigkeit und Manipulation auf. Zudem ist alles daran fiktiv. Ich habe nie gesagt: Seht her, so sind wir Frauen, wir richten uns an Männern aus, wir unterwerfen uns ihnen, wir wollen nichts anderes. Lisa Taddeo tut genau das. Warum hat sie ausgerechnet diese Frauen ausgesucht und porträtiert? Wieso hat sie drei gewählt, die sich so ähnlich sind, warum hat sie null Diversität gesucht? Was ist die Botschaft des Buchs? Wollte sie zum Ausdruck bringen, wie abhängig Frauen sind, wie wenig sie ihre Sexualität ohne männlichen Filter wahrnehmen, entdecken, ausleben, genießen? Ich hätte phasenweise vor Wut schreien mögen. Und eine Antwort auf all diese Fragen habe ich auch nicht gefunden. Lest das Buch gerne, wenn es euch interessiert, aber bitte nicht mit dem Anspruch, es stelle das weibliche Begehren dar – mit Sicherheit ist das, was hier beschrieben wird, ein Teil davon. Aber da gibt es noch so viel mehr. Und es wird Zeit, dass auch davon endlich erzählt wird.
„Ein Mann lässt einen nie ganz in die Hölle hinabfallen. Er fängt einen auf, kurz bevor man aufprallt, sodass man ihm nicht die Schuld dafür geben kann, dass er einen auf direktem Weg dorthin geschickt hat. Stattdessen lässt er einen in einer restaurantähnlichen Vorhölle sitzen, wo man wartet und hofft und Anweisungen entgegennimmt wie ein Kellner seine Bestellungen.“
Three Women/Drei Frauen von Lisa Taddeo ist erschienen im Piper Verlag.
Liebe Mareike,
ich mag deine offene und ehrliche Rezension sehr. „Three Woman“ scheint vielen böse aufzustoßen – da wurde wohl auf ein komplett falsches Marketing gesetzt, denn das was du beschreibst, hat kaum etwas mit starken Frauen zutun (vielleicht hätte das Buch besser funktioniert, wenn man es nicht als feministisches Meisterwerk angepriesen hätte – dann wären zumindest die Erwartungshaltungen nicht so groß gewesen).
Bei mir liegt es aktuell noch zu Hause rum und wartet darauf, gelesen zu werden – ich bin wirklich gespannt wie es mir gefallen wird. Ich befürchte allerdings, dass es mir ähnlich wie dir ergehen wird.
Liebe Grüße
Isa
Ich bin gespannt … du musst mir dann unbedingt berichten!