Es ist mal wieder Zeit für #5aus300! Ich besitze nur ein Bücherregal. Und behalte ausschließlich Bücher, die so besonders sind, dass ihnen ein Platz in diesem Regal gebührt. Aber welche sind das? Seht selbst.
Der Hase mit den Bernsteinaugen ist eine stille Anklage, eine Hymne an das Leben, das immer, immer weitergeht, und es ist mit Abstand die emotionalste und daher beste Biografie, die ich je gelesen habe. Der renommierte Keramikkünstler und Professor Edmund de Waal erzählt darin wie ein „melancholischer kunsthistorischer Privatdetektiv“ anhand von 264 Netsuke – kleinen geschnitzten japanischen Figuren, mit denen Lackdosen am Kimonogürtel befestigt wurden – die bewegende Geschichte seiner Vorfahren.
„Möglicherweise muss man verletzt werden, ehe man überhaupt etwas begreift“, heißt es in Paperboy, der Geschichte über zwei Journalisten, die im Jahr 1965 eine große Story aufdecken. Pete Dexter war selbst 15 Jahre lang Zeitungsreporter und hat sich an den alten Grundsatz gehalten, über das zu schreiben, was man kennt. Dieses Buch ist ist wild und rau und ungnädig. Sehr geil ist das Ambiente der 60er, es wird geraucht, gesoffen, geflucht, die Arbeit der Journalisten ist seltsam unstrukturiert und frei, sie sonnen sich noch im Glanz ihres Berufsstands, und so mancher, der sich einen Namen gemacht hat, tut einfach, was er will.
Aquarium ist wie alle Bücher von David Vann wie ein Würgegriff: Dieser Autor verschont niemanden, seine Figuren nicht und seine Leser nicht. Wenn er was sagen will, dann haut er mitten in die Fresse, um den heißen Brei redet er nicht herum. Wo andere wegschauen würden, da greift er voll hinein. Mit seiner zwölfjährigen Protagonistin hat er ein Mädchen erdacht, das für sein geringes Alter vieles erdulden und verstehen muss – und dabei doch so gern einfach nur ein behütetes Kind wäre. Diese tiefe Sehnsucht nach einem intakten Zuhause, die in uns allen schlummert, ist der eigentliche Kern des Romans.
Mein Gott, ich liebe Zoli. Dass dies ein trauriges Buch ist, sagt einem sofort der Inhalt: Es geht um die Roma. Man muss schon ein Herz aus Stein haben, um von diesem Roman nicht getroffen zu werden: In einer eindrucksvollen Sprache mit herrlich schönen Metaphern beschreibt Colum McCann, wie das junge Zigeunermädchen Zoli zur Frau und – weil sie versucht, ihrem Volk eine Stimme zu geben – ausgestoßen und verflucht wird.
Es gibt ein altes Roma-Lied, in dem es heißt, dass wir anderen Menschen kleine Teile unseres Herzens geben, und je weiter wir im Leben voranschreiten, desto weniger vom Herzen bleibt für uns selbst, bis schließlich nicht mehr genug da ist. Man nennt es Reise, man nennt es auch Tod, und weil es uns allen so ergeht, gibt es nichts Gewöhnlicheres als das.
The language of flowers, auch auf Deutsch erschienen, ist so viel besser, als Cover und Titel vermuten lassen. Es handelt von der 18-jährigen Victoria. Sie lebt nach einer Kindheit und Jugend, in der sie von einer Pflegefamilie zur nächsten geschubst und schließlich im Heim untergebracht wurde, obdachlos in einem Park. Dort pflanzt sie einen kleinen Garten, denn Blumen sind das Einzige, was sie liebt, Blumen sind ihr Weg, sich auszudrücken. Auf kluge Weise verwebt die Autorin die längst vergessene Sprache der Blumen mit den Geschehnissen in ihrem Buch, und wie sie Victoria die Möglichkeit gibt, durch Blumen zu kommunizieren, weil ein Leben ohne Liebe und Fürsorge sie verstummen hat lassen, ist ergreifend und schön.
“Die verborgene Sprache der Blumen” gehört auch zu meinen Lieblingsbüchern. Ich habe es bestimmt 100 Mal verkauft und empfehle es heute noch. Colum MacCann liegt mir ohnehin am Herzen,
“Zoli” hat mich wie Dich berührt, und “Der Hase mit den Bernsteinaugen” ist einfach eine begnadete Biografie.
Ah, ich freu mich so über deine Zustimmung!