„Nur weil zwei Leute heiraten, heißt das noch lange nicht, dass sie einander alles sagen“
Drei Buben, ein Mädchen: Das ist der Sommer in Apulien, das ist jeder Sommer in Apulien, wo Teresa ihre Ferien verbringt. Sie stammt aus Turin und kommt mit dem Vater, jedes Jahr, und sie ist fasziniert von Bern, Tommaso und Nicola, die auf einem Hof aufwachsen, eigentlich keine Brüder sind, aber irgendwie doch, sie leben streng religiös und arbeiten hart. Besonders für Bern interessiert Teresa sich, und aus diesem Interesse wird eine erste große Liebe, wird die vielleicht einzige große Liebe. Doch die beiden werden es nicht leicht miteinander haben in den Jahren, die folgen, sie werden sich, bei aller Liebe, wieder und wieder verletzen, verlieren, erneut finden, bis es nichts mehr zu finden gibt.
Das klingt nach einer guten Geschichte, nicht wahr? Ist es nur leider nicht. Paolo Giordano kann schreiben, keine Frage, sehr gut kann er das, und es gibt Szenen in Den Himmel stürmen, die sind getragen von seinem typischen Ton, die sind ausgezeichnet formuliert. Nur die Story, die Handlung, ist derart unstimmig, zerfasert, unglaubwürdig, dass ich mich ständig frage: Paolo, warum? Was hast du getan? Die Richtung, in die das Buch sich entwickelt, die die gesamte Geschichte einnimmt, ist dröge und unromantisch, sehr seltsam auch: Das Paar verstrickt sich in eine Obsession, plagt sich, müht sich ab, die Liebe geht in kürzester Zeit verloren und ja – das mag so sein im Alltag. Ich verstehe das, ich mache mir keine Illusionen. Aber dadurch wird es ein ganz anderes Buch, als die Rahmenhandlung glauben machen will, als Titel und Aufmachung und Klappentext sagen, ein nüchternes, schwieriges Buch. Es ist keine Lovestory. Es ist kein Roman von zweien, die sich als Jugendliche kennenlernen und über Widrigkeiten hinweg abstoßen und anziehen. Es ist vielmehr ein Roman darüber, dass Menschen sich manchmal einbilden, sie müssten etwas haben, etwas bekommen – und dann, wenn sie es nicht erreichen können, alles hinwerfen, das ihnen etwas bedeutet.
Am wenigsten mag ich die Zeitsprünge, die mir zu abrupt sind und deren Sinn sich mir nicht erschließt. Weshalb erzählt Hauptfigur Teresa ab und zu – völlig aus dem Zusammenhang und ohne erkennbare Dramaturgie – von einem Zeitpunkt fünfzehn Jahre später, warum zerstört Paolo Giordano durch diese Einschübe jegliche Spannung, jegliches Rätselraten, was geschehen wird mit Teresa und Bern? Wieso ist Teresa so erschreckend passiv, blass, unzugänglich? Manchmal habe ich den Eindruck, und das ist vielleicht das Schlimmste, dass es sich so anhört, wenn ein Mann sich vorstellt, wie eine Frau sich fühlt. Und ich mich beim Lesen winde, laut rufen möchte: So nicht, so ist es nicht! Alle Figuren im Buch sind ständig genervt. Diese jungen Menschen, die den Hof später besetzen und selbst bewirtschaften, die unabhängig sein wollen und revolutionär, sind allesamt unglücklich mit ihrem eigenen Lebensentwurf. Sie scheinen zu denken: Das hätte was werden können, das haben wir uns so gut vorgestellt, warum klappt es nicht? Und genau so geht es mir mit diesem Buch.
Den Himmel stürmen von Paolo Giordano ist erschienen bei Rowohlt (ISBN 978-3-498-02533-5, 528 Seiten, 22 Euro).
Sie erzählt von hinten so habe ich es verstanden, am Bett ihres betrunkenen Freundes und wenigstens am Anfang habe ich die Teresa als sehr starke Frau empfunden, am Ende wird es phantastisch übertrieben, hab ich mir auch gedacht, aber das ÖKÖ Leben habe ich gut nachvollziehen können und hat mich an meine Zeit als junge Mutter vor dreißig Jahren erinnert, liebe Grüße aus Wien beziehungsweise Harland bei St. Pölten
https://literaturgefluester.wordpress.com/2019/01/12/den-himmel-stuermen/