„Schon vor langer Zeit hatte ich ein Naturgesetz entdeckt: Wenn man etwas Schönes erlebte, passierte immer gleich etwas entsprechend Schreckliches“
Vor dem Tscho hat er Respekt, unser dreizehnjähriger Held, denn „sogar von seinen Schritten fühlte man sich zusammengeschissen“. Er bewundert ihn für seine 70er-Jahre-Coolness und für die Autos, die er repariert, fährt, verkauft. Außerdem bewundert er den Tscho für seine Frau, die er eines Tages auf der Tankstelle, an der er in den Ferien arbeitet, durch das Autofenster sieht.
Dieses Lächeln sympathisierte in einer Weise mit mir, dass ich nicht anders konnte, als mit diesem Lächeln ebenfalls zu sympathisieren. Aber Sympathisieren wäre vielleicht noch in Ordnung gewesen. Mein Leben wäre normal weitergegangen, wenn ich nur sympathisiert hätte. Wenn ich mich nicht augenblicklich um den Verstand verliebt hätte.
Da hilft nur eins: Er muss an diese Frau heran. Dazu muss er aber erst einmal abnehmen, weil er zu dick ist. Zu jung eigentlich auch, doch das spielt in Sachen Liebe ja keine Rolle. Also geht er auf Diät, was seine Mutter schrecklich findet. Der Vater verbringt seine Zeit auf Entzug in der Landesnervenklinik, wo er sich, weil er seine Ruhe hat, ganz wohl fühlt. Durch einen „Zufall“ landet unser Held bei der schönen Frau zuhause – Fernfahrer Tscho ist mal wieder unterwegs –, und sie scheint sich für ihn zu interessieren, zumindest auf eine süße, leicht herablassende Art. Der Dreizehnjährige ist entflammt:
Mein Gesicht war so heiß, dass mir der Kaffee leidtat, als er sich an meinen Lippen verbrannte.
Doch ab da fangen die Überraschungen erst an.
Die Bücher von Wolf Haas sind österreichische Seele zwischen zwei Buchdeckeln. Hochkonzentriertes Österreichischsein sind sie, wie eine Kapsel mit konzentriertem Schmäh drin, die muss man nur noch drücken und genießen. Ich liebe das. Ich liebe es so sehr, man kann gar nicht Österreicher sein und das nicht lieben – Wolf Haas ist in der Literatur wie Rainhard Fendrich in der Musik, und was wären wir ohne unser „I am from Austria“? Eben. Für diesen Roman, der im Salzburger Pinzgau spielt, bin ich fast ein bisserl zu jung, in den Siebzigern waren meine Eltern gerade erst Volksschulkinder, aber: Da steckt so viel Nostalgie drin, auch für mich, die ich direkt im Grenzgebiet aufgewachsen bin und das noch bestens kenne, und schon ewig habe ich das Wort „schätzomativ“ nicht mehr gehört, das in meiner Kindheit gebräuchlich war. So wunderwunderschön und lustig und großartig ist diese literarische Reise in die Vergangenheit, ich bin innerhalb von zwei Stunden durchgerauscht, weil ich nicht aufhören konnte, mich zu freuen. Vor allem über die grandiosen Dialoge, in denen der dreizehnjährige Held sich als schlagfertig und witzig hervortut.
„Ich werd sicher nicht Pfarrer.“
„Wieso nicht? Da hast immer eine sichere Stelle. Und Weiber hast mehr als jeder andere.“
Dieses Buch ist eine Wohltat. Weil es nicht exaltiert daherkommt, weil es nichts verlangt und nichts will – außer zu unterhalten. Und das gelingt hervorragend, auf durch und durch österreichisch schmähvolle Weise. Ein echter Haas eben. Ich bin begeistert!
Junger Mann von Wolf Haas ist erschienen bei Hoffmann & Campe (ISBN 978-3-455-00388-8, 240 Seiten, 22 Euro).