Worunter ich aktuell leide, das ist keine Leseflaute, denn ich lese unvermindert viel, es ist eine Begeisterungsflaute. Das überrascht euch jetzt sicher nicht, gell, ihr kennt mich ja. Im Moment ist es allerdings wieder besonders schlimm: Gestern Nachmittag habe ich neun (!) Bücher angelesen, zehn, zwanzig, dreißig Seiten, einmal sogar siebzig, was ja mehr ist als anlesen, eine echte Chance geben ist das, und bis auf eins hab ich alle entweder entnervt in die Ecke gepfeffert oder enttäuscht fallengelassen. Für das eine, das ich letztlich gelesen habe, hab ich mich aus purer Verzweiflung entschieden, besser als nichts, hab ich gedacht, und es hat ja nur 155 Seiten.
Als ich beschlossen habe, das Herbstprogramm zu boykottieren, bin ich voller Elan zum Bücherregal gegangen. Endlich Zeit, in Ruhe all diese Titel zu lesen, die hier zum Teil schon recht lange stehen, endlich kein innerer Stress mehr, mich beeilen zu müssen, weil bereits die nächsten Leseexemplare eintrudeln. Dieser Elan hat aber schnell einen Dämpfer bekommen, denn in den darauffolgenden Tagen und Wochen hab ich festgestellt, dass mich eigentlich nichts aus meinem Bücherregal interessiert. Über 100 Romane stehen bereit und ich kann mich für keinen erwärmen, was ist das für ein krankes Luxusproblem? Ich finde alles abgelutscht, zu oft gelesen, zu unoriginell und vor allem: unfassbar langweilig. Womit wir mal wieder bei meiner Übersättigung wären, nicht wahr, bei meinen zu hohen Ansprüchen, bei meinem Grundgrant. Ich hasse ja prinzipiell einfach mal alles und jeden, bis er/sie/es, ob Mensch oder Buch, mich vom Gegenteil überzeugt. Und das gelingt halt nur selten.
Das ist auch der Grund, warum hier seit einer Weile keine Besprechung erschienen ist, ich werfe Bücher von mir wie ein Baum fauliges Obst, schüttle den Kopf und murmle Flüche in meinen imaginären Bart. Ich habe nicht viel mehr zu sagen als: stumpfsinnig, ermüdend, fad. Und das erspar ich euch aus Nächstenliebe.
Also, lesende Menschen dieser Welt, vereinigt euch, grabt tief in euren Köpfen nach guten Büchern: Was soll ich lesen? Welchen Roman werde ich ziemlich sicher nicht hassen, welcher wird mich nicht dermaßen anöden, dass mein Herzschlag so langsam wird wie von einem See-Elefant beim Tauchen (nur vier Schläge pro Minute, und ja, das ist die einzige Ähnlichkeit zwischen einem See-Elefanten und mir)?
Ach Mareike, wie kann man dir nur helfen? Dem schwierigen bibliophilen Patienten, der alles schon gelesen zu haben scheint. Kopf hoch, irgendwann kommt auch wieder ein Buch um die Ecke, welches dich begeistern wird und wenn es drin eigenes ist 😁
Liebe Grüße
Marc
Mein eigenes lese ich lieber nicht, am Ende ödet mich das auch noch an 😉
Liebe Mareike, ja, manchmal muss man die Bücher einfach Bücher sein lassen und was anderes machen. Das wird schon wieder. Und manchmal hilft auch ein richtig gutes spannendes Buch weiter… Darum hier drei meiner Lieblingsbücher (bereits mehrmals gelesen und daher absolut nicht neu…):
Donna Tartt: “Die geheime Geschichte”
Dieses Buch begleitet mich schon seit über 20 Jahren und ich habe es bereits mehrfach gelesen. Eine großartige College-Mord-Geschichte mit einem Erzähler, der irgendwie auch nicht weiß, was er will.
Die nachfolgenden Romane von Donna Tartt fand ich dagegen ausgesprochen langweilig und fad.
Marisha Pessl: “Die amerikanische Nacht”
Habe ich auch schon zweimal gelesen und war jedesmal fasziniert, insbesondere auch von der Aufmachung (Internetseiten, Zeitungsausschnitte…). Sehr spannend und ein wenig schaurig.
Richard Yates: “Eine strahlende Zukunft”
So richtig schön deprimierend. Aber manchmal muss das sein.
Vielleicht ist ja was dabei, was dein Interesse wecken kann.
Liebe Grüße
Nola
Liebe Nola, deine Tipps sind wunderbar – alle drei Bücher kenn ich nämlich und fand/finde sie großartig 😉 Falls du noch mehr hast, das mir helfen könnte, immer her damit 😀
Liebe Mareike,
na, so was… das ist ja toll. 🙂
Wie wäre es denn sonst mit Kanae Minato “Geständnisse”. Das Buch hat einen wunderbar bösen Plot. Am Anfang denkt man, was soll da noch kommen und dann wird es tatsächlich mit jedem Kapitel noch spannender. Jedes Kapitel bringt eine neue Facette ins Spiel und immer wenn man denkt, so war das also, kommt wieder was Neues… bis zur letzten Seite.
Ich hoffe, Du kennst es noch nicht. Auf Deinem Blog habe ich jedenfalls nichts dazu gefunden.
Liebe Grüße
Nola
Ui, das sehe ich mir gleich an, ich danke dir!
Liebe Mareike,
ich weiß ganz genau, wie du dich fühlst und ich habe das Gefühl, dass diese Bücher-Übersättigung momentan wirklich viele Leser*innen betrifft. Manchmal gibt es aber Bücher, die einen verlässlich aus einer solchen Krise heraushelfen. Für mich ist es immer Harry Potter. Diese Bücher erneut zu lesen, erinnert mich an früher, an meine Faszination für diese Welt und wie ich stundenlang nachts mit Taschenlampe unter der Bettdecke gelesen habe.
Ansonsten möchte ich dir zwei Bücher ans Herz legen, die mich in der letzten Zeit ganz besonders begeistert haben:
1. “Just Kids” von Patti Smith. Darin erzählt Patti Smith von ihrem Leben in New York in den 70ern und ihrer Freundschaft mit Robert Mapplethorpe. Ich fand es unglaublich inspirierend, zu sehen, wie diese beiden Künstler zu eben jenen Künstlern geworden sind, als die sie heute angesehen werden.
2. “White Tears” von Hari Kunzru. Die Handlung des Romans ist schwer in wenige Worte zu fassen. Es geht um zwei Musikproduzenten in New York, um Rassismus und die Sklaverei in den USA, um kulturelle Aneignung in der Gegenwart. Es ist ein wirklich, wirklich tolles Buch!
Ich hoffe, dass du deine Leseflaute bald überwindest und wieder richtig Lust auf alle deine Bücher verspürst. Vielleicht kann dir ja eins der vorgeschlagenen Bücher dabei helfen (:
Liebste Grüße!
Liebe Cora, vielen Dank für deine konkreten Tipps! Von “Just Kids” hab ich schon viel Positives gehört, da sollte ich wohl doch mal einen Blick reinwerfen. Und mit “White Tears” hast du mich tatsächlich gerade angefixt … ich bin gespannt!