„Ich mag dich zu sehr, sagte ich, ungeschickt, aber aufrichtig, und es tut mir nicht gut, dich so sehr zu mögen“
Er ist Amerikaner, unterrichtet jedoch in Sofia, wo er als Expat lebt, wo er die Sprache zwar spricht, aber nicht perfekt, wo er zuhause ist und doch sehr fremd. Auf der Suche nach Sex geht er zu einer öffentlichen Toilette, einem bekannten Treffpunkt für homosexuelle Männer, und dort lernt er Mitko kennen. Was dann beginnt, ist keine Liebesgeschichte, ein reiner Tausch von Geld gegen sexuelle Handlungen ist es aber auch nicht, vielmehr etwas dazwischen, das sich nur schwer oder gar nicht definieren lässt. Das ist in Ordnung, viele Beziehungen entziehen sich der gängigen Definition, und das macht sie anders, macht sie besonders. Die Frage bei der Beziehung in Was zu dir gehört ist nur, ob sie gut tut, ob sie gleichwertig ist und überhaupt sein kann, wo ihre Grenzen verlaufen und wer diese vielleicht längst überschritten hat. Dies ist ein Buch über Anziehungskraft und Abhängigkeit, über Scham und Sehnsucht und Leidenschaft und das, wonach wir alle suchen: diesen einen Moment, in dem wir uns verstanden und sicher und aufgehoben fühlen.
Was zu dir gehört hat mich gefordert. Ich habe es sehr aufmerksam gelesen, neugierig darauf, ob es anders ist zwischen Mann und Mann als zwischen Frau und Mann, wenn es um Macht geht und um Sex – und wenn ja, auf welche Art. Aber selbst nachdem ich es beendet hatte, konnte ich diese Frage für mich nicht beantworten. Ja. Und nein. Wer hat denn die Machtposition inne: der, der das Geld bezahlen kann, damit der andere ihm seinen Körper gibt, oder der, der über diesen Körper verfügt, den der andere so sehr begehrt? Vieles in der homosexuellen Welt ist mir fremd, nicht befremdlich, aber fremd, und vor allem hat der amerikanische Autor – der an der Harvard University und am bekannten Iowa Writers’ Workshop studiert hat – immer dann, wenn es brenzlig wurde und erotisch, ausgeblendet, wie man das eben so macht in Amerika. Dadurch bleibt eine aufgeladene, sehnsuchtsvolle Atmosphäre, ein dichter, schwerer Nebel, in dem ich den einzelnen Handlungen nicht immer ganz folgen konnte. Trotzdem hat die Sprache mich abgeholt, hat der Inhalt mich erschüttert, interessiert, beschäftigt.
Ich denke oft darüber nach, wie es wohl ist, nicht zu entsprechen – in Sachen sexueller Orientierung. Zu merken, dass man nicht heterosexuell ist, als Jugendlicher, als Kind vielleicht schon oder später als Erwachsener, den Erwartungen der Eltern nicht zu entsprechen, ausgegrenzt zu werden, sich zu schämen, sich zu verleugnen. Dazu gibt es in diesem Roman Szenen aus der Jugend des Protagonisten, mit seinem Vater, die sehr intensiv und eindringlich sind. Garth Greenwell hat ein wichtiges Buch geschrieben, das traurig ist und seltsam, verstörend und emotional, ein Buch über Menschen, die uns vorkommen wie die Richtigen und dabei doch die Falschen sind. Das Ende ist in meinen Augen zu dramatisch, ein wenig überzogen, doch nichtsdestotrotz hat Was zu dir gehört mich sehr berührt, mir Einblick gegeben in eine Welt, die gleich neben meiner existiert und vielleicht ja doch nicht so anders ist. Denn diese unstillbare Sehnsucht, die gibt es da wie dort.
Was zu dir gehört ist erschienen bei Hanser Berlin (ISBN 978-3-446-25852-5, 240 Seiten, 22 Euro).
Liebe Mareike
Ich finde so schön, was du über die (unstillbare) Sehnsucht geschrieben hast. Ist es nicht das, was uns im Leben immer wieder antreibt, und zwar nicht nur in Liebesdingen?
Das Buch habe ich mir auf jeden Fall vorgemerkt und hoffe, es bald hier einziehen zu lassen.
Alles Liebe dir
Livia
Ja, das denke ich auch … ich bin gespannt, wie du es findest!