„Sie sind spurlos verschwunden, denn die Mühe der armen Leute hinterlässt niemals Spuren“
Ninetto ist arm, sie nennen ihn Pelleossa, Haut und Knochen, so dünn ist er. In seinem Heimatdorf gibt es kaum was zu beißen, und als Ninettos Mutter einen Schlaganfall erleidet, schickt der Vater den Neunjährigen von Sizilien nach Mailand.
„Mailand ist eine Stadt voller Lichter, da ziehen Leute aus ganz Italien hin.“
Ninetto schlägt sich durch, er ist ein kleiner Überlebenskünstler, und meistens ist er allein.
„Ninè, es gibt keine Freunde. Es gibt nur Leute, mit denen man sich die Zeit vertreibt, wenn man nichts zu tun hat und nicht an seine Scheißsorgen denken will.“
Das hat ihm der Vater gesagt, und obwohl Ninetto ab und an bei Erwachsenen Unterschlupf findet – Freunde hat er wirklich keine. Dann verliebt er sich in Maddalena, und als sie fünfzehn sind, heiraten sie.
„Doch schon nach kurzer Zeit haben wir nicht mehr an unsere Träume gedacht. Wir haben vergessen, dass es sie gibt.“
Und so blickt Jahrzehnte später ein alter, resignierter Ninetto zurück auf das, was geschehen ist. Auf das, was er getan hat – und was er falsch gemacht hat.
„Ja, denn wenn ich mich in meinen Geschichten verliere, bin ich nicht mehr Haut, Knochen und Muskeln. Nur noch Seele und Stimme.“
Marco Balzano hat für diesen Roman mit vielen Menschen gesprochen, die in den 1950er- und 1960er-Jahren als Kinder unter zwölf Jahren emigriert sind. Auch seine eigenen Eltern sind Süditaliener, die ihr Glück im Norden gesucht (und offenbar gefunden) haben. Mit seinem Ich-Erzähler Ninetto gibt Marco Balzano in seinem dritten Roman diesen Kindern eine Stimme. Fasziniert war er davon, dass diese gefährliche, entbehrungsreiche Zeit für diese Menschen, die heute etwa siebzig sind, auch ein großes Abenteuer war – im Gegensatz zu den vierzig Jahren abstumpfender Fabriksarbeit, die darauf folgten.
Ich kannte Marco Balzano bereits von seinem wunderbaren Buch Damals, am Meer, das nichts anderes als grandios ist und das ihr unbedingt lesen solltet. Das Leben wartet nicht ist im Vergleich dazu nicht so lebendig, gewitzt und ausgeklügelt, es ist vielmehr ein recht eindimensionaler Erlebnisbericht, das liegt in der Natur der Sache. Für sich genommen, ohne diesen sowieso unnötigen Vergleich, ist dieser Roman die berührende Erzählung eines Zeitzeugen, gefüllt mit den klugen Aussagen derer, die wenig Bildung haben, aber viel Lebensweisheit. Ninetto schwelgt in Erinnerungen, denn im Alter bleibt ihm nichts anderes mehr. Er gehört zum alten Eisen, das keiner mehr will, und er denkt zurück an seine Anfänge. Er hatte vielleicht kein sehr gutes Leben – aber zuhause in Sizilien wäre er vermutlich verhungert. Marco Balzano ist sehr nah dran an seinem Erzähler, er blickt durch seine Augen, fühlt mit seinem Herzen, spricht mit seiner Stimme. Ein sehr besonderes und wichtiges Buch.
Das Leben wartet nicht von Marco Balzano ist erschienen im Diogenes Verlag (ISBN 978-3-257-06983-9, 304 Seiten, 22 Euro). Hier findet ihr die Besprechung von novelero.
Nachdem ich das hier gelesen habe, musste ich es mir bestellen! Danke dafür!
Und liebe Grüße aus dem Neanderthal!
😊😊😊
Ich lese gerade “Damals am Meer” und frage mich, weshalb du so begeistert warst/bist. 😉
Ich bin gespannt ob sich meine Meinung noch ändert.
DU MACHST MICH FERTIG!!!
Passiert da auch noch was?
Ja ok, drei Männer auf Reisen, drei Männer am Meer. Bella Italia… vielleicht ja ganz nett, aber PASSIERT DA AUCH NOCH WAS? 🙂
Ich muss nicht immer eine mega fesselnde Handlung haben, aber auch die Sprache und die Dialoge hauen mich bisher nicht um, *gähn*….
Lass es halt einfach.
Nein, ich hab das letzte schon abgebrochen. 😉 Die restlichen 100 Seiten schaffe ich noch 😉
Ist doch dann auch verschwendete Zeit, wenn du es bis hierher schon so scheiße findest.
Fertig 😛
Manchmal wird man fürs Durchhalten ja auch belohnt, deswegen breche ich ungern Bücher ab.
Diesmal war ich nicht ganz überzeugt, aber die paar Stunden Lebenszeit kann ich verkraften 🙂