Ein Akt der Menschlichkeit
Hans ist am Arsch. Er ist arbeitslos, alt, er wohnt in einer verdreckten Wohnung voller Müll, er stinkt, und zu seinen Kindern sowie zu seiner Ex-Frau hat er keinen Kontakt mehr. Hans hat kein Ziel und keinen Antrieb im Leben, seine Tage vergehen mit Fernsehen und Bier. Allein den Müll runterzubringen, verlangt unendlich viel Anstrengung. Aber dann findet Hans im Müllcontainer ein Baby. Und ein Baby, das weggeworfen wurde, ist definitiv noch mehr am Arsch als er, also nimmt Hans es mit. Er nennt das Baby Felizia und krempelt innerhalb kürzester Zeit sein Leben komplett um, damit er der Kleinen ein Zuhause bieten kann. Dabei kommt ihm zugute, dass er früher seine zwei Kinder hütete, während seine Frau arbeiten ging, und er erhält überraschend Hilfe aus der Nachbarschaft. Bald kümmert sich eine bunte Truppe Menschen um Felizia. Doch die Polizei hat die Mutter bereits verhaftet und sucht fieberhaft nach der Babyleiche …
Steven Uhlys Roman Glückskind ist 2012 erschienen, vielfach besprochen und inzwischen sogar verfilmt worden. Da Sarah von Pinkfisch so beharrlich von diesem Buch geschwärmt hat, war ich irgendwann doch weichgekocht und wollte es lesen – obwohl mich die Thematik nicht so gereizt hat. Aber – Überraschung – Sarah hatte Recht: Dies ist ein ganz besonderes Kleinod von Roman. So einer, der ganz unprätentiös und schlicht daherkommt, der keine großen Reden schwingt und keine melodischen Metaphern bemüht, sondern einfach eine Geschichte erzählt. Und zwar eine richtig gute. Eine Geschichte von ein bisschen Menschlichkeit in einem versifften Wohnblock, von Nachbarn, die einander plötzlich in die Augen schauen, von der Erkenntnis, dass man sich selbst die Fehler der Vergangenheit verzeihen muss.
Steven Uhly hat seinen Protagonisten Hans mit Gefühl, aber auch mit der nötigen Schärfe gezeichnet und präsentiert einen Mann am Rand des Abgrunds, der im letzten Moment einen Schritt zurück macht – weil jemand ihn braucht. Wenn man Hans und Felizia anschaut, weiß man nicht, wer hier eigentlich wen gerettet hat. Und das ist ebenso anrührend wie schön, ohne dabei allzu kitschig zu werden. Denn so simpel der Roman sprachlich auch ist, im Handlungsverlauf lässt er mich mit verblüffenden Wendungen aufhorchen und endet ganz anders, als ich es erwartet hätte. Ein Lesegenuss, ein Vergnügen, ein Buch fürs Herz.
Glückskind von Steven Uhly ist als Taschenbuch erschienen im btb Verlag (ISBN 978-3-442-74612-5, 288 Seiten, 9,99 Euro).
Steht (noch) ungelesen vor mir. Fällt mir bislang schwer vorzustellen, dass die Geschichte einen unerwarteten Verlauf nimmt. Deshalb bin ich noch so zögerlich, angesichts der vielen anderen ungelesen Bücher, die daneben stehen. Danke für den Kick.
Zumindest ein bisschen unerwartet! Jedenfalls für mich, aber vielleicht hab ich auch nur zu straight gedacht?
Ich habe es ebenfalls sehr gerne gelesen.
Das klingt sehr facettenreich und tief! Könnte in mein Beuteschema fallen 🙂
Danke für den Tipp!! Muss mal ein bisschen recherchieren gehen!
Also “tief” würde ich nicht unbedingt unterschreiben…oder je nachdem, wie du das meinst. Vom Thema her eher als vom Stil 😉
Ich meinte die Gedanken, die es mir bescheren würde 😉
Ah! Dann JA!