Für Gourmets: 5 Sterne

Louise Erdrich: Das Haus des Windes

ErdrichDer Tanz mit der Rache
Im Jahr 1988 wird in einem Indianerreservat in North Dakota die Mutter des 13-jährigen Joe brutal vergewaltigt und kommt nur knapp mit dem Leben davon. Schwer traumatisiert, schließt sie sich in ihrem Zimmer ein, während für Joe ein Sommer voller Herausforderungen beginnt: Neben pubertären Träumen von den Brüsten seiner Tante Sonja, heimlichem Alkoholkonsum und unheimlichen Geisterbegegnungen ist er besessen von der Mission, den Mann zu finden, der seine Mutter angegriffen hat. Er ist überzeugt, dass sie weiß, wer es war, es aber nicht verrät. Joes Vater, seines Zeichens Stammesrichter, verzweifelt an seiner eigenen Hilflosigkeit und der Untätigkeit der Behörden. Also schwingt Joe sich gemeinsam mit seinem besten Freund Cappy aufs Rad und sucht nach Spuren. Tatsächlich finden sie so einiges: wahnsinnig viel Geld, eine fürchterliche Wahrheit und den Mut, etwas ganz Unglaubliches zu tun.

Louise Erdrich hat indianische Wurzeln und widmet sich in ihrem umfassenden, preisgekrönten Werk der Geschichte und der Lebenswelt dieses gegeißelten Volks. Ihre Romane sind fiktiv, aber getragen von der schmerzvollen Realität. Auch diesem Buch liegt eine dunkle Wahrheit zugrunde: Vergewaltigungen von Indianerfrauen durch Weiße werden sogar heute noch kaum geahndet. Einen gewalttätigen Übergriff macht die amerikanische Schriftstellerin zum Ausgangspunkt für eine Story, die wild, klug, spannend, prickelnd und furchterregend ist – eine Geschichte mit Sogwirkung, die mich atemlos macht, mich durch die Seiten hecheln lässt zusammen mit Joe, auf der Suche nach Gerechtigkeit. Gleich zu Beginn bin ich wie elektrisiert, und ich will nur noch eins: weiterlesen. Mit dem 13-jährigen Joe hat Louise Erdrich einen liebenswerten Helden geschaffen, der stolz ist auf seine Andersartigkeit, aber schwer zu tragen hat am Schicksal der Indianer und der konkreten Ungerechtigkeit, die seiner Familie widerfährt. Er will Rache – aber er will auch Bier und ersten Sex. Er schlüpft gerade aus der Haut eines Kindes und schultert plötzlich eine Verantwortung, der er kaum standhalten kann. Die Politik und der Hass zwischen Indianern und Weißen schwingen stets mit, sind Ursache und erneute Wirkung der Ereignisse.

Louise Erdrich ist mir bereits mit dem Roman Spuren begegnet, den ich unheimlich, faszinierend und sehr fremdartig fand. Das Haus des Windes konzentriert sich nicht so sehr auf die alten Bräuche, Überlieferungen und Naturverbundenheiten der Indianer, obwohl diese Besonderheiten stets im Hintergrund präsent sind – und das macht das Buch so gut. Unter anderem. Denn neben dem originellen und überaus interessanten kulturellen Background gibt es da noch das überragende Talent der Autorin. Und die packende Dramaturgie der Geschichte. Und die sympathischen, lebensnahen Figuren. Und die traurige, knisternde, angespannte Stimmung. Das Haus des Windes ist wie ein Ritt auf einem wilden Mustang – ein Abenteuer, von dem ich nicht weiß, wohin es mich führt, etwas Ungewöhnliches, Unvergessliches. Louise Erdrich ist eine begnadete Erzählerin, und davon abgesehen, dass ihre Bücher politisch und kulturell von Bedeutung sind, sind sie auch einfach gut zu lesen. Ich bin zwar nicht mit jeder Wendung im Roman einverstanden, fühle mich aber seltsam angezogen von dieser verrückten, packenden, sehr gelungenen Geschichte. Hervorragend und absolut empfehlenswert!

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Das Haus des Windes von Louise Erdrich ist erschienen im Aufbau Verlag (ISBN 978-3-351-03579-2, 384 Seiten, 19,99 Euro).

Was ihr tun könnt:
Euch eine Leseprobe dieses Buchs ansehen.
Die Rezension auf ndr.de lesen.
Ein Gespräch mit Louise Erdrich anschauen.
Das Buch bei ocelot.de bestellen.

Andere gute Bücher mit jugendlichen Helden:
Jesmyn Ward: Vor dem Sturm
Paola Predicatori: Der Regen in deinem Zimmer
Jonas T. Bengtsson: Wie keiner sonst

0 Comments to “Louise Erdrich: Das Haus des Windes”

  1. Hallo liebe Mareike,

    ich folge schon lange deinem Blog, weil du wirklich wunderbare Bücher rezensierst. Ich weiß, dir werden sicher viele Anfragen gestellt, aber vielleicht hättest du Lust meinen neuen Fantasy-Roman zu lesen?
    Falls ja, würde ich mich unheimlich freuen, wenn nicht, kann ich es gut verstehen, weil du sicher mit vielen Büchern von Verlagen zugeschüttet wirst.
    Du kannst dich gerne bei mir melden oder findest mich auf meinem Blog! 🙂
    Liebste Grüße
    Mia

    delisaphirblauenaugen.wordpress.com oder mia-bernauer.com

    PS: Das Buch habe ich schon lange auf meiner Wunschliste. 😉

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    1. Mariki Author

      Liebe Mia, danke für deinen Kommentar! Leider lese ich überhaupt kein Fantasy … aber ich wünsche dir mit deinem Roman viel Erfolg!
      Alles Liebe
      Mareike

      Reply
  2. Mir hat bisher fast jedes Buch dieser Autorin gefallen, daher liegt das neue zum Glück auch schon bereit. Nach dieser wirklich sehr gelungenen Rezension freue ich mich noch mehr auf die Lektüre!

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  3. Danke, liebe Mariki, Danke und nochmals Danke, für deine wunderbare Rezension zu diesem grandiosen Buch, das ich dank dir endlich aufgeschlagen und so gern gelesen habe. So schön!

    Alles Liebe,
    Klappentexterin

    Reply
    1. Mariki Author

      Oh, da freu ich mich, dass du es gelesen hast – und vor allem, dass es dir gefallen hat! Es hat mich wirklich sehr gefesselt und beschäftigt.

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