„Diese Erinnerung ist die mächtigste Zauberformel, die ich kenne: Du wirst zu Erde und mein Herz zu Glas“
„An jenem Tag mit dir habe ich den Goldtopf gefunden, versteckt in deinen Augen, die unermüdlich lachten“ – doch kurze Zeit später war es vorbei: Alessandras Mutter ist an Krebs gestorben. Der Tag, an dem sie nach dem Ende des Regenbogens suchten, gehört zu den letzten schönen Erinnerungen der 17-Jährigen. Als sie mit ihrer Trauer zurück an die Schule kommt, findet sie sich zwischen ihren pubertierenden Freundinnen und deren oberflächlichen Problemen nicht mehr zurecht und setzt sich spontan in die hinterste Bank neben den Klassenfreak, der Zero genannt wird. Er bringt für Alessandra genauso wenig Interesse auf wie für alles andere, das im Klassenzimmer vor sich geht. Wenn er nicht schwänzt, nimmt er kaum am Unterricht teil und zeichnet nur. Die Matura steht kurz bevor, und Alessandra hat schwer zu kämpfen mit den vielen Gefühlen in ihrem Inneren: Sie vermisst ihre Mutter, würde ihren Kummer gern in Alkohol und Sex ertränken und kann gleichzeitig nicht verhindern, dass der geheimnisvolle Zero ihre Neugier weckt. Das, was zwischen den beiden entsteht, ist irgendwie kompliziert – und dabei doch eigentlich ganz einfach.
Die italienische Buchhändlerin Paola Predicatori schüttet mit ihrem ersten Roman Der Regen in deinem Zimmer einen Kübel Eiswasser über mir aus. Der erste Schwall Traurigkeit lässt mich bibbern und frieren, und der 17-jährige Alessandra fließt all mein Mitgefühl zu. Ihre Erinnerungen an die Mutter – die sie im Buch mit „du“ anspricht – sind bittersüß und schwer und schön, ihre Verlorenheit spricht aus jedem Satz. Sie ist orientierungslos, findet bei ihrer Großmutter, die selbst trauert, und ihren Freundinnen, die sich nur für Jungs interessieren, keine Unterstützung – und sucht ausgerechnet bei jemandem Halt, der selbst nicht im Gleichgewicht ist: Zero, der eigentlich Gabriele heißt. Zwei Jugendliche, die verletzt und einsam sind, die dringend Zuflucht brauchen, denen es aber mit all ihrem Schmerz im Gepäck nicht gelingt, sich einander zu öffnen, finden zusammen. Paola Predicatori erzählt sehr behutsam und mit dem nötigen Ernst eine Geschichte, die mir mehr als einmal die Tränen in die Augen treibt, weil sie zutiefst menschlich und melancholisch ist.
Zwar habe ich oftmals Probleme mit jugendlichen Erzählern, da Bücher mit jungen Protagonisten oft in einem naiv-banalen Tagebuchstil geschrieben sind. Das ist hier nicht oder nur selten der Fall bzw. Paola Predicatori bügelt eventuelle Erzählperspektivenmankos mit stilistischen Höchstleistungen aus. Sie hat für dieses berührende Debüt genau den richtigen Ton gefunden, was bei einem so sensiblen Thema, das schnell kitschig werden kann, sicher nicht einfach ist. Am Ende bin ich glücklich, nach all der Kälte ins Warme zu kommen, und zuversichtlich, dass Alessandra zurechtkommen wird – und dass Paola Predicatori eine Autorin ist, die noch von sich hören lassen wird. Hervorragend!
Durchgekaut und einverleibt. Von diesem Buch bleibt …
… fürs Auge: ein sehr schönes Cover, allerdings hätte ich auch gern weniger von der Schrift und mehr von dem Bild gesehen.
… fürs Hirn: Erwachsenwerden, erste Liebe, Schulabschluss, tiefe Trauer plus pubertäre Unsicherheit – eine wilde Mischung.
… fürs Herz: das Herz wird ordentlich malträtiert.
… fürs Gedächtnis: der klingende, poetische Erzählton.
Der Regen in deinem Zimmer von Paola Predicatori ist erschienen im Aufbau Verlag (ISBN 978-3-351-03520-4, 238 Seiten, 16,99 Euro).
Eine Lektorin hat mir dieses Buch vor einiger Zeit sehr ans Herz gelegt, da war es noch gar nicht in Deutschland erschienen. Seither schlummert es auf meiner Wunschliste. Dies ist nun die erste Besprechung, die ich dazu lese, und ich freue mich, dass das Buch auch dich begeistern konnte. Klingt ganz so, als müsste ich es mir unbedingt besorgen. Vielleicht frage ich mal lieb bei Aufbau an 😉 – obwohl ich ja eigentlich lieber zum Original greifen würde…
Ich glaube, dass die Lektorin dir da was ans Herz gelegt hat, das dir wirklich gefallen würde! Ob Original oder Deutsch ist schwierig, die Übersetzung ist sehr gelungen, aber im Italienischen “klingt” die Poesie vermutlich noch mehr …
Wohl wahr. Die Sprache an sich ist ja schon reine Poesie :).
Eben, eben! Hach. Aber es ist auch auf Deutsch sehr gut, obwohl es da etwas schwieriger ist mit dem poetischen Klang 😉
Wer ist denn der Übersetzer? (Ich könnte natürlich selbst nachschauen, bin aber gerade zu bequem dazu.)
Verena von Koskull, sagt dir das was?
Ja, der Name sagt mir was. Sie hat schon einiges für Aufbau gemacht, ich habe aber bisher keine ihrer Übersetzungen gelesen.
Na dann los 😉
Oh toll, das Buch liegt hier schon und es scheint so, als könnte ich mich auf eine tolle Lektüre freuen! 🙂
Da bin ich schon neugierig auf deine Meinung!