Netter Versuch: 2 Sterne

J. R. Bechtle: Hotel van Gogh

BechtleRätselraten um einen Toten in van Goghs Sterbezimmer
Theo van Gogh, Bruder des später weltberühmten Malers, hat sich zeit seines Lebens bemüht, Vincents Werken jene Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, die ihnen gebührt. Aber seine Versuche sind gescheitert, die Kunstwelt ist nicht bereit, er hat den Bruder all die Zeit finanziell unterstützt und den Zorn seiner Frau auf sich gezogen – vergebens. Vincent, der seit einiger Zeit in Auvers in ärztlicher Behandlung ist, hat genug: Er schießt auf sich selbst und stirbt nach einer letzten Nacht, in der Theo an seiner Seite wacht. 2003 wird die Anwältin Sabine Bucher, die gerade zum Urlaub mit ihrem Geliebten auf Sylt aufbrechen wollte, nach Auvers zitiert: Ihr Onkel wurde tot aufgefunden – ausgerechnet in van Goghs Sterbezimmer. Sabine hatte kaum Kontakt zu ihrem Onkel, der zehn Jahre zuvor seine Firma verkaufte und nach Paris zog, um auf seine alten Tage doch noch Schriftsteller zu werden. Die Polizei geht von einem Selbstmord aus, doch der Onkel stand kurz davor, sein erstes Buch zu veröffentlichen, und es befindet sich keine Waffe bei ihm. Sabine wird ungewollt zur Ermittlerin und versucht, die wahren Umstände hinter diesem Todesfall aufzuklären.

J. R. Bechtle hat in seinem Debütroman historische Ereignisse und eine Krimigeschichte gekoppelt. Zusammen mit ihm springe ich zwischen 1890 und 2003 umher. 1890 geht es in erster Linie um van Goghs Vermächtnis und das Bemühen seiner Verwandten, ihn berühmt zu machen. 2003 sucht Sabine Bucher nach möglichen Ursachen für den Tod ihres Onkels, den sie kaum kannte. Die zwei Erzählstränge haben nichts miteinander zu tun und werden auch am Ende nicht miteinander verknüpft. Es ist heiß in J. R. Bechtles Roman, und es geht auch heiß her: Die Polizei nimmt in Auvers vermeintliche iranische Terroristen fest, Politik, Mord und Totschlag vermischen sich. Der deutsche Autor hat ein spannendes Szenario entworfen, und er hat sich wirklich sehr bemüht, ein gutes Buch zu schreiben – leider. Denn dieses Bemühen macht sich stets bemerkbar, und kein Satz wirkt so, als sei er ihm leicht gefallen. Der Lesefluss ist holprig und stockt, sprachlich steckt der Roman zum Großteil in Kinderschuhen – als sei er eine Schreibübung, bei der man sagen möchte: Gut, weiter so, das kannst du noch besser. Bei der Figurenzeichnung zeigt J. R. Bechtle nicht unbedingt ein glückliches Händchen, Polizisten und Verlagsmitarbeiter sind stereotyp und verhalten sich völlig irrational, Sabine ist zutiefst langweilig und unsympathisch. Einzig der historischen Figur des schwitzenden, trauernden Theo kann ich etwas abgewinnen.

Natürlich ist es nicht die feine Art, ein Werk zu kritisieren, in das jemand so viel Herzblut gesteckt hat wie J. R. Bechtle in sein Debüt. Er hatte eine glänzende Idee für eine gute Geschichte, er hat sie ohne Frage bestens strukturiert und mit einem stimmigen Ende ausgestattet, das zwar recht konstruiert ist, aber das bringt ein Krimi eben mit sich. Er hat gut recherchiert und sich in das Thema van Gogh hineingekniet, und ich glaube auch nicht, dass er nicht schreiben kann – es ist ihm nur nicht gelungen, einen sprachlichen Zauber zu wirken, die Wörter zum Singen zu bringen. Sie tanzen nicht für ihn, sondern bleiben plakativ und eindimensional. Wer aber gern das Rätsel um einen Mordfall löst und sich obendrein für van Gogh interessiert, verbringt mit diesem Roman sicher ein paar unterhaltsame Lesestunden.

Durchgekaut und einverleibt. Von diesem Buch bleibt …
… fürs Auge:
ein passendes, aber eher langweiliges Cover.
… fürs Hirn: na, wer war der Mörder?
… fürs Herz: zwei Liebesgeschichten, aber eher am Rande.
… fürs Gedächtnis: für mich leider nichts.

Hotel van Gogh von J. R. Bechtle ist erschienen in der Frankfurter Verlagsanstalt (ISBN 978-3-627-00190-2, 320 Seiten, 19,90 Euro).

0 Comments to “J. R. Bechtle: Hotel van Gogh”

  1. Schade, dass dir das Buch nicht so gut gefallen hat. Aber ich finde Kritik trotzdem immer gut, denn das gibt dem Autor die Möglichkeit, es das nächste Mal besser zu machen.

    LG Michaela

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    1. Mariki Author

      Ich tu mich ja schwer mit Kritik, wenn ich merke, dass sich da jemand wirklich sehr bemüht hat … ich möchte nicht gemein sein, aber ich bin natürlich ehrlich.

      Reply

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