Gut und sättigend: 3 Sterne

Markéta Pilátová: Wir müssen uns irgendwie ähnlich sein

Ein tschechisches Geschichtenkarussell
„Ich bin gekommen, weil ich weiß, dass Sie hier in Prag allein sind, der Kommunismus ist vorbei und Yaromir ist tot. Jahrelang haben wir still und über riesige Entfernungen miteinander gekämpft, nie haben wir uns gesehen, und jetzt habe ich genug davon. Ich habe mir gesagt: Wir müssen uns irgendwie ähnlich sein, wo er uns doch beide geliebt hat.“ Dabei wirken sie auf den ersten Blick grundverschieden: die „ätherisch-ruhige Maruška“ und Luiza, der „kleine Kernreaktor, ein unerschöpfliches Energiereservoir“. Was sie über Kontinente hinweg verbunden hat, war ein Mann: Yaromir. Maruškas Jugendliebe floh vor dem Krieg aus Prag und heiratete in Brasilien Luiza. Mit Maruška hielt er über all die Jahre brieflich Kontakt, und Luiza konnte das nur schwer akzeptieren: „Ich wusste, dass mich Yaromir nicht verlassen würde, und doch entwischte er mir irgendwohin in ein Reich aus eigenen Erinnerungen, der Realität seiner Heimat und Maruškas immateriellem, papierenem Zauber.“ Nun sind beide im hohen Alter, und Luiza steht eines Tages vor Maruškas Tür. Die Sprachbarriere überwinden die betagten Damen mithilfe von Marta und Lena – beide in Brasilien aufgewachsen, beide mit tschechischen Wurzeln –, die in Prag ihrem Lebensglück auf die Spur kommen wollen.

In Wir müssen uns irgendwie ähnlich sein führt der Zufall vier Frauen zusammen – zwei davon haben ihr Leben bereits hinter sich, zwei sind noch jung. Ihre Familiengeschichten sind geprägt von der Auswanderung bzw. Flucht vieler Tschechen nach Brasilien im Zuge des Zweiten Weltkriegs. Dreh- und Angelpunkt im Leben von Maruška und Luiza ist der geheimnisvolle, charismatische Yaromir, den die tschechische Autorin Markéta Pilátová ebenfalls zu Wort kommen lässt. Aufgrund der vielen verschiedenen Perspektiven – insgesamt sind es fünf – ist es anfangs ein wenig schwierig, in den Roman hineinzufinden. Ist diese Hürde jedoch überwunden, entwickelt sich Wir müssen uns irgendwie ähnlich sein zu einer runden Sache: gut geschrieben, voller unterschiedlicher Charaktere, gewürzt mit dem Zauber bedeutungsvoller Begegnungen. Dieses Buch handelt von der persönlichen Suche eines jeden nach der eigenen Heimat, es beschäftigt sich mit der Frage, wo – an welchem Ort, in welchem Land – ein Leben am besten gelebt werden und wo es enden soll. Jede der vier Frauen findet darauf eine andere Antwort. Markéta Pilátová, die selbst in Südamerika lebt, schreibt unpathetisch, gelassen, fast ein wenig flapsig. Sie zeigt auf, wie politische Hintergründe die Lebensgeschichten verschiedener Menschen beeinflussen können. Und sie hat vier Frauenfiguren geschaffen, die sich letztlich tatsächlich irgendwie ähnlich sind: in ihrer Suche nach dem Lebensglück.

Lieblingszitat: „Meine Mutter war eine Blondine mit einem kleinen, festen Hintern und einer Schweißermaske.“

Vielen Dank an die Bibliophilin für dieses Buch!

0 Comments to “Markéta Pilátová: Wir müssen uns irgendwie ähnlich sein”

  1. Auch wenn Du dem Buch “nur” 3 Sterne gegeben hast, bin ich doch richtig neugierig geworden.

    “Dieses Buch handelt von der persönlichen Suche eines jeden nach der eigenen Heimat, es beschäftigt sich mit der Frage, wo – an welchem Ort, in welchem Land – ein Leben am besten gelebt werden und wo es enden soll.”
    Dieser Satz wirkt sehr anziehend auf mich, denn die Frage beschäftig mich in letzter Zeit immer öfter. Ich werde mir das Buch mal vormerken, vielleicht komme ich ja irgendwann mal dazu.

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    1. Vielen Dank für das Angebot. Leider oder auch glücklicherweise hab ich gar keine Tauschliste oder Bücher, die ich unbedingt loswerden möchte. Momentan käme hier nur ein Buch in Frage, das ich aufgrund einer Neuübersetzung doppelt habe (und erst kürzlich zum Vergleich mal mitgenommen hatte). Das wäre “Pedro Páramo” von Juan Rulfo, allerdings in der Taschenbuchausgabe, nur 148 Seiten (entspricht preislich auch nicht annähernd Deinem Buch).
      Verleihen wäre prinzipiell kein Problem, allerdings weiß ich nicht ob sich das wegen der Portokosten überhaupt lohnt, besonders wenn es sich um ein Buch handelt, das man leicht in der Bibliothek bekommen könnte.

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  2. Mariki Author

    Da hast du in der Tat recht, zumal ich in Österreich wohne. Ich hab mir auch lange schon vorgenommen, mal wieder die örtliche Bibliothek aufzusuchen. Und wenn du keine Bücher loswerden willst, umso besser – dann bedeutet das vermutlich, dass du über viel Platz verfügst … Dein Bild finde ich übrigens genial 😉

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    1. Platz habe ich auch nicht wirklich, allerdings sind meine Bücher auch nicht alle an einem Platz, sondern an mehreren Orten verstreut. Was ich momentan hier habe, habe ich entweder noch nicht gelesen oder mag ich zu gerne.

      Danke! Der Name des Stofftiers ist Kuky aus dem wunderbaren Film Kuky se vrací von Jan Svěrák. 🙂

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  3. Mariki Author

    Das ist natürlich auch ein luxuriöse Möglichkeit, den Besitz auf mehrere Residenzen aufzuteilen! 😀 Und die Figur ist somit viel origineller als die bekannten Sesamstraßenbewohner!

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