Wunderbare Literatur hört auf den Namen Per Petterson
Ich hab’s gar nicht mit Lieblingsbüchern und Lieblingsautoren. Aber hätte ich einen liebsten Autor, es wäre Per Petterson. Er gehört zu den wenigen Schriftstellern, bei denen ich zur Wiederholungstäterin werde. Umso größer meine Freude, als sein neuestes Buch Ich verfluche den Fluss der Zeit unterm Christbaum lag. Und: Es ist so wunderbar, wie ich es erwartet habe. Nach Im Kielwasser, dem Roman, indem Petterson eine Vater-Sohn-Beziehung durchleuchtet hat, kehren wir zurück zur Hauptfigur Arvid: Nur steht dieses Mal seine Mutter im Mittelpunkt. Als sie die Diagnose Krebs erhält, bricht sie als gebürtige Dänin sofort auf in das Ferienhaus der Familie nach Dänemark – mitten im Winter. Und Arvid reist ihr nach.
Per Petterson findet die richtigen Worte für alles, was ungesagt bleibt. Und das ist zwischen Arvid, den seine bevorstehende Scheidung unendlich schmerzt, und seiner Mutter, die diesen ihrer vier Söhne für schwach und wehleidig hält, viel. Ich verfluche den Fluss der Zeit, dessen Titel aus einem Gedich von Mao stammt, ist ein melancholisches Buch mit wenig Handlung, aber umso mehr Inhalt. In Rückblenden erfahren wir, warum Arvid so sehr davon gequält wird, dass seine Frau ihn nicht mehr mag, warum die Konflikte zwischen ihm und der Mutter entstanden sind und wie sich sein Alltag als praktizierender Kommunist in den letzten Jahren gestaltet hat.
Per Pettersons Bücher sind für mich ein Phänomen: Denn ich kann es nicht ausstehen, wenn in einem Roman so wenig passiert. Aber der Norweger entwickelt mit seiner sagenhaft schönen Sprache einen Sog, dem ich mich nicht entziehen kann. Ein großes Lob soll an dieser Stelle auch für die hervorragende Übersetzung ausgesprochen werden. Dabei benutzt er keine pathetischen, großen Worte, vielmehr konzentriert er sich auf das Kleine, webt es zusammen zu einem Netz aus Literatur, die man nicht vergessen kann. Das Einzige, was an Pettersons Romanen schade ist, ist, dass sie so schnell ausgelesen sind und es so lange dauert, bis ein neuer erscheint. Ich hätte so gern noch weitergelesen.