„Ist wohl nicht so einfach als Klein Sus im Moment?“
„Sus weiß nicht viel, aber eins weiß sie. Wenn man Hasch anrührt, das man verkaufen soll, kann man genauso gut einen Hammer nehmen und sich eigenhändig die Kniescheiben zertrümmern, das spart anderen die Mühe.“
Dort, wo Sus herkommt, weiß man solche Dinge: Sie ist im Block aufgewachsen, einem sozial benachteiligten Viertel, wie man so schön sagt, sie war schon früh auf sich gestellt. Jetzt ist Sus neunzehn, ihr Bruder liegt im Koma, ihre Mutter ist tot und ihr Vater im Gefängnis. Ein Problem ist für Sus ihre Statur, denn sie sieht aus wie ein zwölfjähriger Junge, ist klein und wiegt zu wenig. Wie soll so jemand in der rauen Welt bestehen? Um eine Chance zu haben, gibt Sus sich selbst Aufgaben, die ihr die Angst abtrainieren sollen. Das funktioniert auch – fast. Denn das Leben hat immer einen noch härteren Schlag auf Lager.
Der dänische Autor Jonas T. Bengtsson ist ein ausgezeichneter Erzähler – einer von jenen, die nicht viele Worte brauchen. Die den Finger direkt in die Wunde legen, bäm. No nonsense. No Firlefanz. Vielleicht ist sein aktueller Roman Kugelfisch deshalb so dünn. Mehr gibt es nicht zu sagen, scheint er gefühlt zu haben, mehr müsst ihr nicht wissen. Und er hat schon Recht: Auch wenn ich durchaus gern mehr gewusst – und mehr von Susa gelesen – hätte, hinterlässt der schmale Band Eindruck. Ein Leben für viele: Der Autor hat sich eine Protagonistin ausgedacht, wie sie wirklich in einem dieser Blöcke leben könnte, wo stets Mangel herrscht – Mangel an Geld, an Perspektiven, an Zärtlichkeit. Kugelfisch ist authentisch, intensiv, kräftezehrend und schmerzhaft – und das trotz der nicht mal 190 kleinen Seiten.
Ich habe Wie keiner sonst von Jonas T. Bengtsson geliebt. 2013 war das, und bis heute hab ich diesen einzigartigen, berührenden Roman – den ihr unbedingt lesen solltet! – nicht vergessen. Kugelfisch ist ähnlich heftig, schneidet aber nicht so tief in die Schichten, die sich in einem umfangreicheren Roman öffnen können. Eine Art Sozialstudie ist dieses Buch, ein Porträt von jemandem, der nicht existiert und den es doch millionenfach gibt: ein junger Mensch, der nicht viele Möglichkeiten hat im Leben, für den es zur schiefen Bahn gar keine Alternativen gibt, der so tut, als sei er cool und abgehärtet, und dabei doch nur hungert nach Zuneigung. Sehr lesenswert.
Kugelfisch von Jonas T. Bengtsson ist erschienen bei Kein & Aber (ISBN 978-3-0369-5764-7, 192 Seiten, 18,50 Euro).
Ich habe “Wie keiner sonst” auch sehr gern gelesen. Deshalb danke ich Dir sehr für diesen Tipp. Der Kugelfisch schwimmt auf die Leseliste. Viele Grüße
Es ist anders und vor allem sehr kurz … aber gewohnt Bengtsson-gut!