„Um ein Kind zu zeugen, muss man ein optimistischer Mensch sein“
„Es gibt sowieso schon zu viele Menschen. Wozu also noch einen auf diese Welt bringen?“ „Vielleicht gibt es nicht zu viele Menschen“, erwiderte Marko. „Sondern einfach zu wenig gute.“
Dass er so denkt, ist nicht verwunderlich, denn Marko fährt einen Tankwagen – und sieht jeden Tag das Schlechte im Menschen. Sein Tankwagen enthält Wasser, und das ist etwas, das es nur noch selten gibt auf dieser Welt. Es ist begehrt, weil es lebensnotwendig ist. Es ist rationiert, weil zu wenig davon da ist. Die Menschen haben Durst, die Menschen haben Angst. Marko ist gefangen in einem moralischen Zwiespalt: Er tut Dienst nach Vorschrift, spürt aber, dass Ungerechtigkeit herrscht – die er selbst weiter befeuert. Nur: Wie soll er diesen Konflikt lösen, was kann er schon tun? Seine Frau ist längst fortgegangen, und er vermisst sie sehr. Doch er will seinen Bruder, der auf dem Familienhof sitzt und Alkohol vernichtet, nicht allein lassen. Als eine Bewegung namens Dritte Wille dazu übergeht, bei großen Happenings Wasser zu verschwenden, aus Protest, aus Provokation, um die Apokalypse schneller herbeizuführen, als sie ohnehin kommt, droht das labile Gleichgewicht endgültig zu kippen – and hell breaks loose.
Wer wissen will, was man eigentlich unter einer Dystopie versteht, braucht nicht zu googeln – sondern sollte lieber dieses Buch lesen. Denn es ist sozusagen Anschauungsunterricht deluxe. Zukunftspessimismus ist dabei keine Möglichkeit von vielen, sondern die Basis für alles, was geschieht. Während manch andere Dystopien Horrorszenarien entwerfen, die man mit einem milden Lächeln als unrealistisch abtun kann, sodass man sich nicht fürchten muss, ist Ein guter Mensch so nah dran an der Realität, dass es erschreckend ist: Kurz nach Erscheinen dieses Romans wurde beispielsweise das Wasser in Rom rationiert. Da denkt man dann schon: Hu?! So weit weg ist das nicht, was Jürgen Bauer da beschreibt, weder geografisch noch zeitlich. Er holt nicht aus, es gibt keine komplizierte, unglaubwürdige Story rund um einen Dritten Weltkrieg oder ähnliches, nein: Das ist die bittere, nackte Realität. Die Rohstoffe dieser Erde sind endlich. Auch das Trinkwasser. Und im Gegensatz zu Erdöl brauchen wir es, um zu überleben.
Der österreichische Schriftsteller hat mit seinen beiden Romanen Das Fenster zur Welt und Was wir fürchten schon ordentlich vorgelegt. Mit seinem dritten Buch hat er sich jedoch selbst weit übertroffen: Es spielt, so scheint es, in einer ganz anderen Liga. Es ist klug, scharfzüngig, politisch brisant und hochaktuell. Es ist spannend, mitreißend, intelligent konstruiert und macht einem eine Scheißangst. Darüber hinaus ist es ausgezeichnet geschrieben. Es ist ein Buch, nach dem ich anfange nachzudenken: Okay, schön und gut, dann verdurste ich eben in fünfzehn oder zwanzig Jahren, muss ich wenigstens das Elend dieser Erde nicht mehr ertragen. Aber wieso habe ich Kinder in diese Welt gesetzt? Was ist dann mit ihnen? Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang auch Ulrike Schmitzers Buch Die Stille der Gletscher, in dem das schmelzende Gletscherwasser von profitgierigen Leuten abgezwackt wird, um später – in der Situation, die Jürgen Bauer entwirft – Wasser zu haben. Das man dann teuer verkaufen kann. Somit habe ich in kürzester Zeit zwei Romane gelesen, von denen ich mir wünschte, sie wären unrealistisch, eine pessimistische Fantasie – während ich aber genau weiß, dass in ihnen in Wirklichkeit die beschissene Wahrheit steht. LESEN!
Ein guter Mensch von Jürgen Bauer ist erschienen im Septime Verlag (ISBN 978-3-902711-64-9, 224 Seiten, 22 Euro).
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