Rassismus, Apartheid und ein wahrhaft verrücktes Leben
„Als es darum ging, einen Namen für mich zu finden, wählte sie Trevor, ein Name, der in Südafrika keine Bedeutung hat und in meiner Familie nicht vorkommt. Es ist nicht einmal ein biblischer Name. Es ist einfach nur ein Name. Meine Mutter wollte nicht, dass ihr Kind irgendeinem Schicksal verpflichtet war. Sie wollte, dass ich mich frei und ungebunden entwickeln konnte, überall, dass ich alles tun konnte, was ich wollte, alles sein konnte.“
Und wenn man die Geschichte von Trevor Noahs Geburt kennt, versteht man, dass das ein hehrer Wunsch war: Er kommt im Ghetto von Johannesburg zur Welt, als ein Kind, das es nicht geben darf, so sehr nicht geben darf, dass es versteckt werden muss, nicht rausgehen darf, nicht gesehen werden darf. Die Apartheid, „der perfekte Rassismus“, sieht eine derart strenge Trennung von weißen und schwarzen Menschen vor, dass Ehen und Kinder ausgeschlossen sind – wer sich nicht daran hält, wird hart bestraft. Doch Trevors Mutter wollte ein Kind, und sie wollte es mit einem Schweizer, obwohl sie wusste, dass sie nie mit ihm würde zusammenleben können, obwohl ihr klar war, dass die politische Situation es ihr sehr schwer machen würde, dieses Kind großzuziehen. Sie ist eine starke, zähe, sehr gläubige und erfindungsreiche Frau, die ihren Sohn in den folgenden Jahren lehrt, der Mann zu sein, der er heute ist: weltoffen, tolerant, gewitzt. Sie tut dies, indem sie ihm ein Vorbild ist, sie tut es mit klugen Worten, aber auch mit Schlägen:
„Alles, was ich je getan habe, habe ich aus Liebe getan. Wenn ich dich nicht bestrafe, wird die Welt dich viel härter bestrafen. Die Welt liebt dich nicht. Wenn die Polizei dich erwischt, liebt sie dich nicht. Wenn ich dich verprügle, versuche ich, dich zu retten. Wenn sie dich verprügeln, versuchen sie, dich umzubringen.“
Und etwas an ihrem Erziehungsstil hat gefruchtet: Trevor Noah ist ein Weltstar, führt durch die amerikanische Daily Show, tritt mit seinen Comedy-Programmen auf allen Kontinenten auf. Niemand hätte ahnen können, dass dieses verbotene Kind, dieser Außenseiter, der in seinem völlig zerrissenen Land zu keiner Seite gehörte, der zeitweise in einer Autowerkstatt schlafen und Maden essen musste, jemals entkommen – und es dabei so weit bringen würde. He has indeed come a long way.
Ich finde Trevor Noah großartig. Er sieht nicht nur saugut aus, er macht Comedy, die sticht – weil sie so hart ist und ehrlich und menschlich. Kein Wunder bei seiner Kindheit, die viel Stoff für Comedy gibt: In The Day Walker und Afraid of the dark spricht er über die Apartheid und Nelson Mandela, über die Macht von Sprache und die Dummheit der Masse. Er ist sehr intelligent, und man merkt ihm an: Er weiß, wovon er spricht – been there, done that. Er kommt von ganz unten, von einem Ort, den ich mir nicht einmal vorstellen kann. Er hat überlebt. Und weil Komik Tragik in Spiegelschrift ist, ist er jetzt so gut. Deshalb war ich begierig auf dieses Buch – ich wollte mehr über diesen faszinierenden Menschen erfahren. Nun ist es so: Ich finde Trevor Noah immer noch großartig. Das Buch aber leider nicht.
Es ist schwer, festzumachen, woran das liegt. Da ich nicht mit dem Original verglichen habe, kann ich nicht sagen, ob das Unrunde, Holprige der Übersetzung geschuldet ist. Humor ist, wir wissen das, sehr spezifisch – vielleicht ging er beim Transport ins Deutsche zum Teil verloren. Da ich seit zehn Jahren als freie Lektorin für Verlage arbeite, wage ich allerdings sehr wohl zu sagen, dass das Buch nicht ordentlich redigiert wurde. Dass die Anschlüsse nicht stimmen, dass immer wieder etwas vorkommt, was man schon weiß, dass viele Infos gedoppelt sind und andere fehlen – das hätte im Lektorat auffallen müssen. Stattdessen wirkt das Buch, das aus vielen Episoden aus Trevors Leben besteht, als hätte es niemand wenigstens einmal von Anfang bis Ende gelesen. Das ist schade, denn inhaltlich ist es wahnsinnig interessant, es hätte ein richtig gutes Buch sein können. Sich durchzuwühlen, ist jedoch nicht gerade einfach: Man muss Geduld mitbringen und über stilistische Fehlleistungen hinwegsehen. Doch das lohnt sich: Man bekommt im Gegenzug eine wahrhaft einzigartige Lebensgeschichte erzählt – umso einzigartiger, weil sie von einem Menschen stammt, den es gar nicht geben dürfte.
Farbenblind von Trevor Noah ist erschienen im Blessing Verlag (ISBN 978-3-89667-590-3, 336 Seiten, 19,99 Euro).