„Wahnsinn ist ein Land, zu dem nicht jeder Zutritt hat“
1952. In Deutschland sind die Kriegsfeuer ausgebrannt, im Nahen Osten – im neuen Staat Israel – werden sie gerade erst entzündet. Rosa Silbermann kennt sich aus mit beiden, sie konnte den Nazis entfliehen, lebt mit ihrem Sohn und vielen Verbündeten auf einem Fleckchen israelischem Land, dem sie jeden Tag genug zum Leben abringen. Dann wird Rosa als Agentin in das Nobelhotel Bühlerhöhle geschickt, weil sie Orts- und Sprachkenntnis hat. Gemeinsam mit einem männlichen Agenten namens Ariel soll sie den Kanzler Adenauer vor einem Anschlag schützen. Besagter Ariel taucht aber nicht auf, Rosa macht einen Fehler nach dem anderen und stößt mit Sophie Reisacher auf eine ausgefuchste Gegenspielerin, die das Hotel fest im Griff und ihre Nase in allen Angelegenheiten hat. Und schon bald stürzt das Auto des Kanzlers in eine Schlucht …
Bühlerhöhle ist kein Krimi. Brigitte Glaser schreibt aber welche. Und dass sie das kann, merkt man ihrem Roman aus dem Schwarzwald deutlich an: Er ist sehr spannend konstruiert und wartet mit einem Ende auf, das eines James-Bond-Streifens würdig wäre. Zwar treten Rosa und „die Reisacher“, wie sie das ganze Buch über genannt wird, als Gegnerinnen auf, geprägt und bestimmt wird die Geschichte aber eigentlich von drei Frauen. Da gibt es nämlich noch die junge Agnes, die am benachbarten Hundseck arbeitet – wobei der Begriff Nachbarschaft weit gefasst ist, denn das sind gut 45 Minuten zu Fuß. Die Neunzehnjährige gerät in große Gefahr, weil sie einen arabischen Hotelgast von früher erkennt, als jemanden, der ihr etwas angetan hat. Helfen kann ihr da nur ihre bärenstarke Schwester Walburga, die im Wald lebt. Wer was mit wem zu tun hat, das verwebt und klärt Brigitte Glaser auf gar meisterliche und sehr lesenswerte Weise. Wie ein alter Schwarz-Weiß-Film ist das Buch, ein Schelmenstück, ein Verwirrspiel mit fulminantem Schlussakt.
Mir persönlich war der Roman stellenweise sprachlich zu gewöhnlich und lieb, die Figuren waren mir – obwohl ich sie gern mochte – gar zu sehr dem Klischee verfallen: das ängstliche Mädel, das kaum bis drei zählen kann, die vermeintlich mutigen, unabhängigen Frauen, die sich dann doch nur ganz erhitzt dem erstbesten Mann an die Brust werfen, natürlich ohne zu merken, dass er ein Schwindler ist. Insgesamt aber ein gut recherchiertes, originelles und mitreißendes Lesevergnügen, das ich euch auf jeden Fall empfehlen kann.
Bühlerhöhle von Brigitte Glaser ist erschienen im List Verlag (ISBN 13 9783471351260, 448 Seiten, 20 Euro).
Pingback: Glaser, Brigitte – Bühlerhöhe | buecherfuellhorn