Einige von euch wissen schon um diesen Spleen von mir, immer nur ein Buch von einem Autor zu lesen. Das hatte sich nach vielen enttäuschenden Leseerlebnissen so eingebürgert, aber seit zwei, drei Jahren versuche ich, diese Gewohnheit wieder aufzubrechen – mit mäßigem Erfolg. Nun habe ich eine klassische Pro-und-Kontra-Liste erstellt, um in dieser Sache endlich auf einen grünen Zweig zu kommen.
Dafür spricht:
- Ich war mal ein Serienjunkie. Mit zwölf, dreizehn Jahren hab ich Stephen King verschlungen und Wolfgang Hohlbein, später in meiner Krimiphase waren es Andrea Camilleri, Elizabeth George, Henning Mankell. Mit 16 dann habe ich José Saramago entdeckt, Peter Hoeg, Javier Marias, und ich habe deren Bücher geliebt. Später habe ich John Irving geliebt, mit jedem einzelnen seiner Romane. Bei ihnen war ich in Sicherheit, auf sie konnte ich mich verlassen. Das war ein wunderbares Gefühl.
- Es ist schön, Lieblingsschriftsteller zu haben.
- Jeder Autor hat nach einem Fehlschlag eine zweite Chance verdient. Und oft hat man ja aus seinem umfassenden Werk vielleicht genau das eine Buch erwischt, das nicht so gut ist wie die anderen.
- Ich beneide Leser, die sich ganz wahnsinnig auf das neue Buch eines Schriftstellers freuen und das Gefühl haben, einen lieben Freund wiederzusehen.
- Es ist interessant, einen Autor in der Vielseitigkeit seines Werks kennenzulernen.
- Ohne diese Marotte wäre ich freier in meiner Auswahl. Von der heurigen Buchpreisliste wollte ich beispielsweise Lappert, Bronsky, Helle und Mahlke auf keinen Fall lesen, weil ich von diesen vieren bereits einen Roman kannte. Das ist wirklich sehr beschränkt von mir.
Dagegen spricht:
- Nach einem sehr guten Buch ist bei einem zweiten vom selben Autor die Erwartungshaltung sehr groß und meistens zu groß.
- Ich ziehe während der Lektüre des zweiten Buchs immer Vergleiche zum ersten, ohne es zu wollen. Ich bin in meiner Herangehensweise nicht mehr unbefangen, und das mag ich nicht.
- Ich bin extrem neugierig auf verschiedene Schriftsteller. So many writers, so little time!
- Manchmal passt es mit einem bestimmten Autor auf einmal nicht mehr. Meiner großen Liebe John Irving bin ich entwachsen, irgendwann hatte er seinen Zauber für mich verloren, und ich habe mich von ihm getrennt. Ich denke gern an ihn zurück. Und wo er einst war, herrscht immer noch Leere.
- Für zweite Chancen habe ich keine Zeit. Wer bei mir mal verschissen hat, der hat verschissen.
- Ich langweile mich schnell, sehr schnell, und viele (nicht alle!) Schriftsteller bringen letztlich doch immer Ähnliches zu Papier.
- Wenn ich ein Buch mochte und vom selben Autor noch eins lese, bin ich sehr oft enttäuscht. Und denke: Wärst du doch bei dem einen guten geblieben! Das ärgert mich, nervt mich und ich habe das Gefühl, als sei ein Versprechen nicht eingehalten worden. All diese Fälle hier aufzuzählen, würde den Rahmen bei Weitem sprengen, aber allein 2015 ist mir das bisher mit folgenden Autoren passiert: Lisa O’Donnell, Katharina Hartwell, Robert Seethaler, Heinrich Steinfest, Adam Johnson, Grégoire Delacourt, Carmine Abate, Hiromi Kawakami, Herman Koch. Bei den Massen an Büchern, die ich lese, sind das vielleicht nicht viele. Trotzdem ist es eine Zeitverschwendung, die ich mir hätte sparen können.
Die Frage ist nun: Hat mich diese Liste weitergebracht? Nicht im Geringsten. Wie haltet ihr es damit? Habt ihr Lieblingsschriftsteller, seid ihr Fans einer Serie, fiebert ihr dem Erscheinungstermin bestimmter Bücher entgegen? Oder könnt ihr dem Vorhaben, möglichst viele verschiedene Autoren zu lesen, mehr abgewinnen? Oder denkt ihr euch: Alter Schwede, Mariki, mach dir doch darüber nicht so einen Kopf und lies einfach, was dich interessiert, egal, ob du den Autor schon kennst oder nicht? Das ist nämlich der Gedanke, zu dem ich immer mehr tendiere. Ich bin gespannt auf eure Meinung!
Liebe Mariki,
ein schöner Beitrag ist das hier von dir, der mich doch gleich dazu verleitet, kräftig in die Tasten zu hauen.
Erst kürzlich habe ich in Elizabeth Gilberts neuem – übrigens sehr lesenswerten – Buch (»Big Magic«) darüber gelesen, welchen Druck Autoren/Autorinnen ausgesetzt sind, immer gute Bücher zu schreiben, insbesondere dann, wenn sie einen großen Erfolg hatten, wie beispielsweise Harper Lee, die nach ihrem Nachtigall-Erfolg nie wieder ein Buch geschrieben hat, zumindest nicht für die Öffentlichkeit. Das ist sehr schade! Man kann von einem Schriftsteller nicht immer das gleiche Level erwarten, immer DIE Story. Also ich mache es nicht. Und habe meine LieblingsschriftstellerInnen, denen ich treu und mit großer Neugier folge.
Ich möchte den magischen Moment nicht missen, wenn ich in der Vorschau einen neuen Murakami entdecke. Die Schnappatmung. Der rote Kopf. Der Jubelschrei. Gefolgt von der zuckersüßen Vorfreude. Das ist wie Weihnachten! Nicht jedes Buch von Murakami hat mich vollends begeistert wie beispielsweise “Mister Aufziehvogel”. Doch das erwarte ich gar nicht. Murakami zu lesen ist für mich, wie nach Hause zu kommen. Da kann es auch mal unordentlich zugehen.
Ich verstehe durchaus deine Gedanken: So viele Bücher! So wenig Zeit! (Und du gehörst schon zu den Turboleserinnen, die erstaunlich viele Bücher lesen.) Ja, so viel gibt’s noch zu entdecken. Erst kürzlich habe ich mein Regal mit den ungelesenen Büchern geordnet und gedacht: Wann soll ich bitteschön all diese Bücher lesen? (Sie stehen doppelreihig, oha!) Bereits jetzt klopfen die ersten neuen Neuerscheinungen aus dem Frühjahr an (Im Laden trudeln die neuen Vorschauen und Pakete ein). Schwierig! Also erstmal ruhig atmen. Und dann weitersehen. Büchern wachsen ja – Gott sei Dank! – keine Flügel oder Beine. 😉
Daher mein Tipp: Folge deiner inneren Stimme. Ist sie neugierig auf neue Entdeckungen, dann folge ihr. Möchte sie heimkehren zu einem vertrauten Autor, hüpfe hinein, aber sei dir bewusst, dass nicht jedes Buch an das andere anschließen kann. Und wenn es an der Zeit ist, »Goodbye!« zu sagen, ist es so. Deine Passage über Irving hat mich sehr gerührt. So ist es, manche Autoren sind wie Weggefährten, die uns nur in einem bestimmten Abschnitt des Lebens begleiten, und irgendwann ohne uns weiterziehen. Aber sie werden nie wirklich verschwinden, denn in unserem Herzen haben sie einen ganz besonderen Platz. Immer.
Dich hat die Liste insofern weitergebracht, um deine Gedanken zu sortieren und Licht ins Dunkel zu bringen. Ich finde das alles gut und nachvollziehbar, wenngleich ich nicht alles teile. Aber so wie wir Bücher unterschiedlich wahrnehmen, geht jeder anders ans Lesen heran. Ich bin mir so was von sicher, dass du deinen Weg finden wirst.
So, nun hab ich aber viel geschrieben. Hoffe nicht zu viel.
Ich wünsche dir weiterhin feine Lesestunden – ob mit bekannten oder unbekannten literarischen Stimmen.
Herzlichst,
Klappentexterin
Oh du Liebe – DU könntest mir überhaupt nie zu viel schreiben! 😉 Vielen Dank für deine wunderbar passenden Worte. Um deine Lesebeziehung zu Murakami beneide ich dich, denn seit ich John Irving verlassen habe, hab ich sowas nicht mehr erlebt. Und ja, doch, irgendwie würde ich es mir wünschen! Aber es hat bisher mit keinem anderen gefunkt. Und was Irving betrifft: 2016 erscheint ja sein Neuer, und ich habe keine Ahnung, ob ich ihn lesen soll. In Österreich sagt man bei solchen Gelegenheiten: “Aufg’wärmt schmeckt nur Gulasch guad”, was bedeutet, dass man manchmal die Dinge auf sich beruhen lassen soll. Mal sehen. Ich werde das wohl spontan entscheiden …
Meine ungelesenen Bücher stehen zum Glück noch nicht doppelreihig, aber genau das ist ein wichtiger Punkt: Ich sehe auf dem SuB (und in den Buchhandlungen) auch immer stark die unentdeckten Autoren, all jene, von denen ich noch GAR NICHTS gelesen habe, während ich anderen ja EH SCHON meine Zeit gewidmet habe, zumindest für ein Buch. Das führt bei mir tatsächlich so weit, dass ich beispielsweise in der Buchhandlung vor dem Angebot stehe und konsequent alle Schriftsteller, die ich schon kenne, völlig ausblende. Ich würde niemals nach deren Büchern greifen. Deswegen stellt sich dann auch gar nicht die Frage, ob mich denn die Geschichte vielleicht interessiert und sie einfach nur zufällig vom selben Autor ist, nein, mein Gehirn ignoriert diese Möglichkeit von Vornherein. Das ist doch nun wirklich ein eigenartiger Spleen! Ich reglementiere mich da irgendwie selbst und kriege das momentan noch nicht weg. Aber ich arbeite ja daran, mich zu knacken 😉
Andererseits muss man ja auch ehrlich sagen, dass viele Schriftsteller wahnsinnig gehypt werden, jedes Jahr einen neuen Titel rausbringen – und manche andere in den Schatten fallen. Ich könnte mir zugutehalten, dass ich da ein bisschen dagegen arbeite … im Sinne von: Ich wühle auch in den schattigen Abteilungen herum, um Neues zu entdecken, das ich noch nicht kenne.
Es ist gut und schön, dass du diese großen Erwartungen nicht hast. Ich schaffe es (noch) nicht, mich davon zu befreien. Auch ein Irving, den ich vergöttere, hat mich zwischendrin mit zwei, drei Werken enttäuscht. Und ja, ich trage ihm das nach, ja, für mich ließ das was von seinem Glanz abblättern. Das sind definitiv Haltungen, von denen ich mich befreien muss, denn gerade daran scheitern ja auch meine Langzeitbeziehungen mit Autoren. Habe ich ein Buch von jemandem gelesen und fand es großartig, lese ich zu 85 % kein zweites. Lese ich DOCH ein zweites und es hat mir nicht gefallen, lese ich zu 100 % kein drittes. Aus die Maus! Haha, je mehr ich schreibe, umso neurotischer komm ich mir vor 😀
Aaaber: Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung, nicht wahr. Ich werde also einfach weiter daran arbeiten. Und in der Zwischenzeit so viele andere Autoren wie möglich lesen 😉
Liebe Mariki,
eine interessante Frage, die ich mir unbewusst immer wieder stelle, wenn ich auf der Suche nach neuen Büchern bin. Es ist ja so, dass es sehr viel zu entdecken gibt und mich ein neuer und unbekannter Autor immer stärker lockt als ein Bekannter. Daher würde ich sagen, neige ich dazu eher neue Autoren zu ergründen, anstatt zu einem weiteren Buch aus bekannten Gefilden zu greifen. Wenn mich ein Buch so richtig überzeugen konnte und klar ist, dass ein weiteres Buch auch ein Knaller ist, dann lese ich auch gerne weitere Bücher von einem bewährten Autoren. Maupassant, Tolstoi oder Flaubert sind drei Kandidaten, von denen ich immer wieder was lese und auch lesen werde, weil alle Bücher von ihnen in der Premiumliga sind. Hier finde ich es auch schade, dass das Leben zu kurz ist, alle Bücher von diesen Giganten der Literatur zu lesen. Obwohl, bei Maupassant werde ich es schaffen, alle seine Romane und zumindest einen großen Teil seiner Novellen zu lesen.
Liebe Grüße
Tobi
Das finde ich spannend, einerseits entdeckst du also lieber neue Autoren, andererseits hast du deine Fixsterne?
Ich habs ja schon geschrieben, ich halte das nur ein Buch für eine Schnapsidee und für eine Sackgasse, beziehungsweise ein Fallbein das man sich selber stellt, denn man kommt nicht weiter, wenn man beim Erstling stehen bleibt, hätte da den neuen Setz https://literaturgefluester.wordpress.com/2015/10/10/die-stunde-zwischen-frau-und-gitarre/ nicht lesen können und wahrscheinlich überhaupt kein Buch der Longlist, also auch kein Buchpreisbloggen und das mit der Enttäuschung versteh ich auch nicht so ganz, weil ja die meisten Autoren wahrscheinlich besser werden und die Erstlinge, die ich manchmal später lese, oft noch nicht das Potential bieten, mit denen man dann den Büchnerpreis bekommt.
Literaturgeschichtlich ist man dann wahrscheinlich auch irgendwann draußen, wenn man das wirklich konsequent betreibt.
Es gibt zuviele Bücher ja, und man kann beim besten Willen nicht alles lesen, da bin ich auch schon daraufgekommen und laboriere, beziehunsweise schummele mich darum herum, mache es aber eher so, daß ich es dem Zufall überlasse, ob ich ein Buch bekomme oder nicht und das ist dann auch ganz spannend!
Alles Gute, also waren Sie bei den Salzburger Literaturtagen, bei der “Buch-Wien”, etcetera?
Ich meine damit nicht die Erstlinge der Autoren, sondern irgendein Buch (das erste, das ich von diesem Autor lese) und dann ein anderes (zweites).
Ja aber der Erstling ist ja auch ein Buch und dann würde das nächste schon flachfallen
Stimmt.
Hallöchen,
ja, als Buchhändler stellt man sich eh immer die Frage : wann lese ich all die schönen Bücher (und dazwischen immer die, die man nur beruflich liest?
Autoren, die mich privat nicht sehr interessieren, lese ich oft auch nur einmal richtig, Folgewerke eher flüchtig. ..
Allerdings lese ich meine “Lieblingsautoren” immer – nicht immer direkt nach Erscheinen, aber sobald Zeit ist (John Boyne, Gerbrand Bakker, Kader Abdolah, Davide Longo, Gaito Gasdanow, Robert Seethaler um einige zu nennen )…
Hallo Melina! Bakker ist ein gutes Beispiel — ich fand “Oben ist es still” HERVORRAGEND, “Tage im Juni” dagegen (hieß das so?) einfach nur schrecklich und wahnsinnig enttäuschend. Ich werde ganz sicher keinen Bakker mehr lesen 😉
Musst du denn immer alle Bücher kennen als Buchhändlerin? Ich stell mir das regelrecht unmöglich vor …
Hallo Mariki,
für mich war das echt ein komplett neuer Gedanke – wär ich nie selbst drauf gekommen, von einem Autor nur ein Buch zu lesen!
Find ich ganz witzig weil es für mich so überraschend ist, aber ich bin da doch eher ein treuer Mensch, freu mich, wenn meine Lieblingsautoren was Neues geschrieben haben und kaufe das auch eigentlich immer. Das ist, als ob ich einen alten Freund wiedertreffe – manches ist vertraut, manches neu dazugekommen, manchmal ist es ein anregendes Treffen, manchmal berührt es mich nicht so – aber eigentlich doch immer schön, dass wir uns getroffen haben 😉
Für mich macht es die Mischung und ich mag da auch gar nicht so streng sein – gibt so viele andere Bereiche, in denen ich streng zu nir sein muss, beim Lesen lieber nicht.
Toller Blog, ich lese Deine Beiträge sehr gerne und freu mich immer, wenn eine neue mail über einen neuen Post eintrudelt!
Viele Grüße
Katrin
Hihi, Katrin, das überrascht wiederum mich 😉 Aber wenn du ein Buch von einem unbekannten Autor liest – greifst du danach automatisch zu seinem Folgewerk (oder früheren Romanen), weil du ihn schon kennst? Gibt es das nie, dass er dich dann nicht mehr interessiert? Es kann ja nicht jeder ein Lieblingsautor werden … und bestimmt bist du auch manchmal von einem Buch enttäuscht und willst kein weiteres vom selben Schriftsteller lesen?
Hi Mariki,
doch doch, so herum passt mir der Schuh auch ;-), wenn mir ein Buch nicht gefallen hat, hat es ein weiteres Buch dieses Autors auch super schwer – das muss mir schon jemand sehr ins Herz legen, dem ich in Bücherfragen vertraue …
Aber wenn ich das erste mochte, lasse ich mich gerne auf ein weiteres ein – und bin dann sehr lange sehr gutmütig – ich muss zugeben, einen Irving kaufe ich auch heute noch unbesehen – wobei diese Phase auch in meinem Leben ehrlicherweise doch auch eher zu Ende ist…
Ja? Du hattest auch eine Irving-Phase? 😉 Ach, wie schön. Nächstes Jahr kommt ja sein neues Buch, und ich überlege schon, ob ich es nicht doch wieder lesen soll …
Oh ja, eine sehr ausgeprägte 😉 und habe mich auch wieder gefreut, als ich beim stöbern gesehen, habe, dass es einen neuen gibt – hab ihn mir schon gekauft (auf englisch)… und hebe ihn auf für die Weihnachtstage im Schlafanzug 😉
Auf Englisch gibt’s ihn schon? Vielleicht wünsch ich’s mir zu Weihnachten… Hmmm…